Dressur: Hört bei Pferden die Geschwisterliebe auf? Corinna und Claudia Neuber beweisen das Gegenteil.

Wenn Claudia und Corinna Neuber über den Reiterhof schlendern, könnte man sie glatt für Zwillinge halten. Die beiden fallen sofort auf: Ihr kupferrotes Haar leuchtet weithin sichtbar - in der Sonne noch ein wenig kräftiger. Ein Glück, dass Claudia es offen trägt, während Corinna sich für einen Pferdeschwanz entschieden hat. Das macht es einfach, die beiden zu unterscheiden. Erst aus der Nähe wird deutlich: Abgesehen von der Haarfarbe und den lustigen Sommersprosen - eine Assoziation mit Pippi Langstrumpf ist unvermeidbar -, sehen sich die Schwestern kaum ähnlich. Und Zwillinge sind sie schon gar nicht. Corinna ist 18 Jahre alt, Claudia zwei Jahre jünger. Trotzdem machen die Dressurreiterinnen vom RV Rehagen-Hamburg im Stadtteil Hummelsbüttel fast alles gemeinsam. Ihre Freizeit verbringen sie im Stall oder auf der Koppel, die Wochenenden häufig auf Turnieren. Die Liebe zu den prachtvollen Vierbeinern liegt vielen Mädchen ja ohnehin im Blut. Den Geschwistern noch ein wenig mehr: Ihr Vater züchtet in Kaltenkirchen Pferde. Ein Paradies für Töchter, die praktisch freie Auswahl hatten. Claudia entschied sich für Donna Morena, eine acht Jahre alte Hannoveraner Stute. Corinnas Stute Wina ist schon neun. Kommt man da nicht in Versuchung, sich unter den 15 Tieren des Vaters mal ein anderes auszuchen? "Nein", sind sie sich einig, "seine Pferde wechselt man nicht wie Klamotten." Höchstens beim Training tauschen sie mal für ein paar Minuten. Man kann es sich schon denken: Streit gibt es zwischen den Schwestern nicht, zumindest was den Reitsport anbelangt. Dabei lässt sich gerade auf Dressurturnieren trefflich diskutieren, ob die Richter tatsächlich alles richtig gesehen haben. Zumal, wie zum Beispiel bei den Hamburger Juniorenmeisterschaften, die zum dritten Mal von der TG Timmerhorn auf der Reitanlage Stegen ausgerichtet wurden, beide häufig in etwa gleichstark sind. Die Landestitelkämpfe beendete Claudia hinter Siegerin Sandra Ann Wunnerlich (Norddeutscher und Flottbeker RV) auf dem zweiten Platz. Corinna wurde Dritte. Von Eifersucht keine Spur: "Mal ist eben Claudia besser, mal ich. Bronze zu gewinnen, das ist schon eine sehr schöne Sache, gerade, weil es für mich das letzte Mal bei den Junioren war", sagt Corinna. Im kommenden Jahr muss sie bei den Jungen Reitern starten. Dann können sich Corinna und Claudia endlich einmal gegenseitig bei Wettkämpfen beobachten. "Wenn wir an der gleichen Prüfung teilnehmen, sind wir ja immer direkt nacheinander dran", erklärt Claudia. Die Startfolge wird beim Reiten nach dem Alphabet festgelegt. Gegenseitige Manöverkritik gibt es gelegentlich trotzdem. Manchmal lassen die Schwestern Videoaufzeichnungen anfertigen. Dann könne sie sich hinterher vor dem Bildschirm auf ihre Fehler hinweisen und sich Tipps geben. Dass ihre Geschwisterliebe sogar der Wettkampfsituation standhält, hat vielleicht auch etwas mit der fröhlichen Gelassenheit der Mädchen zu tun. Das Reiten, da sind sie sich einig, darf immer nur Hobby bleiben. Was sie später mal werden möchten, wissen sie noch nicht. Fest steht: Mit Pferden wird ihr Beruf nichts zu tun haben. "Erstens kann man damit nicht reich werden, und zweitens wäre es dann Stress statt Spaß."