Bei Bundesliga-Absteiger Hertha BSC Berlin herrschte nach der zweiten Pleite am Grünen Tisch Katzenjammer. Die Entscheidung über einen möglichen Gang vor das Ständige Neutrale Schiedsgericht fällt frühestens am Dienstag. Fortuna Düsseldorf wähnt sich derweil schon als Erstligist.

Frankfurt/Main. Katzenjammer bei der Hertha, Bundesliga-Gefühle bei der Fortuna: Als sich die Düsseldorfer nach der über zehnstündigen Marathon-Sitzung vor dem DFB-Bundesgericht endlich wie Aufsteiger fühlten, waren die Berliner nach der zweiten bitteren Pleite am Grünen Tisch am Boden zerstört. „Die Hertha ist richtig durchgeschüttelt worden und jetzt erstmal ermüdet. Wir haben gekämpft wie die Löwen, nun müssen wir uns sammeln“, sagte Berlins Anwalt Christoph Schickhardt.

„Sammeln“, das bedeutet in Herthas Fall Nachdenken über einen möglichen Einspruch bis Dienstag. „Dann werden wir uns auf der Mitgliederversammlung ein Meinungsbild einholen und daraufhin unsere Entscheidung treffen“, sagte Pressesprecher Peter Bohmbach am Samstagmittag. Die Hertha-Profis befanden sich da bereits im Urlaub. Das sei allerdings „ein normaler Vorgang und kein Votum für die eine oder andere Seite“, so Bohmbach: „Die Spieler stehen seit Wochen unter Spannung, sie müssen nun ein wenig Abstand gewinnen.“

Anwalt Schickhardt hatte in der Stunde der Niederlage zunächst nicht den Eindruck erweckt, als würde er dem Hauptstadtklub zu einer Fortsetzung des juristischen Nachspiels raten. Dieses Urteil sei „unvergleichlich stärker“ als jenes des DFB-Sportgerichts vier Tage zuvor, erklärte Schickhardt. Und es klang schon ein wenig nach Kapitulation. Doch dazu wird es frühestens am Dienstag kommen, eine Art Abstimmung unter den Mitgliedern werde es aber nicht geben.

Die Düsseldorfer jedenfalls blicken der Entscheidung gelassen entgegen. „Ich fühle mich endlich wie ein Bundesligist. Wir sind froh und glücklich“, sagte Fortuna-Finanzboss Paul Jäger. Rechtsbeistand Horst Kletke bewertete das Urteil als „sehr gutes Zeichen für den Sport“ und sagte in Richtung Hertha: „Es ist an der Zeit, sich der Entscheidung zu stellen.“

Hertha schickte nach dem zurückgewiesenen Einspruch seine Spieler mit sofortiger Wirkung in den Urlaub. Co-Trainer Rene Tretschok hat sämtliche Spieler noch in der Nacht zu Sonnabend per SMS darüber informiert.

Ein möglicher Gang vor das dreiköpfige Ständige Neutrale Schiedsgericht, in dem keine reinen Sportrichter sitzen, könnte die endgültige Beantwortung der Aufstiegsfrage noch um Wochen in die Länge ziehen. Die Personalplanungen der Klubs wären weiter auf Eis gelegt. Zudem würde die Zeit für die Erstellung des Spielplans für die Saison 2012/2013 immer knapper werden.

Bundesrichter Goetz Eilers hatte bei seiner Urteilsbegründung um 22.37 Uhr am Freitagabend eingeräumt, dass beim unter skandalösen Umständen zuende gegangenen Relegationsrückspiel zwischen Düsseldorf und Berlin (2:2) am 15. Mai „äußerst merkwürdige Bedingungen“ geherrscht hätten.

Allerdings sah der 70-jährige Darmstädter, der am Samstag seinen für die Verhandlung unterbrochenen Spanien-Urlaub fortsetzte, weder den Tatbestand der psychischen Schwächung noch den des behinderten Coachings erfüllt. „Wie konnten kein einheitliches Bild der Angst feststellen“, sagte Eilers zu der Gemengenlage der Hertha-Profis nach dem Platzsturm der Fortuna-Fans. In Sachen Coaching habe es wegen der vielen Menschen rund um die Berliner Trainerbank zwar „Beeinträchtigungen“ gegeben, aber nicht in dem Ausmaß, dass dem Einspruch stattgegeben werden konnte.

Schickhardt, der die Vorkommnisse in Düsseldorf als „Totalschaden für den deutschen Fußball“ bezeichnete, bemängelte eine „fehlende Einheitlichkeit“ bei der Wertung der chaotischen Umstände im Stadion. „Ich glaube nicht, dass dem DFB und dem Fußball der Spagat gelingt“, monierte der 57-Jährige. Will heißen: Die Trennung zwischen Disziplinar- und Ordnungsrecht. Die in der nächsten Woche zu erwartenden drastischen Strafen gegen Hertha BSC Berlin und Fortuna Düsseldorf sowie gegen einzelne Spieler sind nach Meinung von Schickhardt nicht mit der Aufrechterhaltung der Spielwertung zu vereinbaren.

Derzeit ermittelt der DFB-Kontrollausschuss noch gegen die Berliner Spieler Lewan Kobiaschwili, Thomas Kraft, Andre Mijatovic und Christian Lell sowie gegen den Düsseldorfer Andreas Lambertz. Kobiaschwili soll Schiedsrichter Wolfgang Stark nach dem Spiel in den Katakomben auf den Hinterkopf geschlagen haben. Zudem hatten Hertha-Fans während der Partie mit Bengalos geworfen - was zwei Spielunterbrechungen zur Folge hatte.

Mit Material von dapd