Die Bundesliga-Saison ist noch lange nicht beendet: Die juristische Aufarbeitung des Relegationsspiels von Düsseldorf zieht sich in die nächste Woche hinein.

Frankfurt. Im Skandalspiel von Düsseldorf gibt es nicht nur auf dem Rasen eine Nachspielzeit. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vertagte das Urteil nach einer knapp siebenstündigen Verhandlung auf Montag (15 Uhr). Hertha BSC hofft nach seinem Einspruch gegen die Wertung des Relegationsrückspiels bei Fortuna Düsseldorf (2:2), doch noch dem Bundesliga-Abstieg entgehen zu können. Als Hauptzeuge in der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main beklagte Schiedsrichter Wolfgang Stark eine "Hetzjagd“ der Spieler von Hertha BSC auf ihn. Er ist nach eigenen Angaben in den Katakomben des Düsseldorfer Stadions von Lewan Kobiaschwili geschlagen worden und hat ein Hämatom am Hinterkopf erlitten.

Der Fall gerät zu einer Hängepartie. Der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz sprach von einem "ungeheuren Zeitdruck“ angesichts der Tatsache, dass die Bundesliga-Saison eigentlich längst abgeschlossen ist. Das Verfahren könnte sich noch in die ganze nächste Woche hineinziehen: Beide Clubs können nach einem Urteil in erster Instanz noch vor das DFB-Bundesgericht ziehen.

Die Begegnung musste am Dienstagabend in der Nachspielzeit für 21 Minuten unterbrochen werden, da Tausende von Fortuna-Fans in Vorfreude auf die Aufstiegsfeierlichkeiten den Innenraum gestürmt hatten. "Es war unverantwortlich, die Spieler zurück in diese Situation zu schicken“, kritisierte Hertha-Anwalt Christoph Schickhardt in seinem Plädoyer. Fortuna-Rechtsbeistand Horst Klettke wollte nichts von Beeinträchtigungen für die Berliner auf dem Spielfeld wissen. Anton Nachreiner plädierte als Vorsitzender des DFB-Kontrollausschusses dafür, den Hertha-Einspruch zurückzuweisen

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+++ Hertha-BSC-Anwalt: "Spielten weiter, um Blutbad zu vermeiden" +++

Schwere Vorwürfe gegen Hertha-Spieler erhob Schiedsrichter Stark. "Der Spieler Kobiaschwili hat mit ausgestrecktem Arm, mit der Faust in meine Richtung geschlagen. Ich duckte mich kurz ab und wurde am Hinterkopf getroffen“, sagte der WM-Referee aus Ergolding. Wenn er sich nicht an einem Geländer habe festhalten können, wäre er fünf bis sechs Meter die Treppe hinuntergestürzt. Sein Assistent Mike Pickel (Mendig) und der vierte Offizielle, Markus Wingenbach (Altendiez), bestätigten den Vorfall. Hertha-Trainer Otto Rehhagel hatte kürzlich seinen georgischen Profi verteidigt mit den Worten: "Kobiaschwili ist der fairste Spieler seit dem Zweiten Weltkrieg.“

Schiedsrichter Wolfgang Stark zeigt Hertha-Profi an

Er sei danach weiter attackiert worden, so Stark. Vier bis fünf Berliner Profis hätten dann versucht, die Schiedsrichter-Kabine zu stürmen. So habe ihn Christian Lell am Arm gepackt. Beleidigungen wie "Du feige Sau!“ und "Du feiges Schwein!“ seien gefallen. Andre Mijatovic habe ihn als "Wichser“ bezeichnet. "Ich hatte Angst nach dem Spiel und ich war den Tränen nahe. So was habe ich in meiner Schiedsrichter-Laufbahn noch nicht erlebt“, sagte Stark.

Gegen Lewan Kobiaschwili, Lell, Thomas Kraft und Mijatovic hat der DFB-Kontrollausschuss Ermittlungen eingeleitet, ebenso gegen Fortuna-Kapitän Andreas Lambertz. Er soll nach dem Abpfiff im Innenraum ein bengalisches Feuer in der Hand gehalten haben. Darüber wurde am Freitag aber nicht verhandelt, wie Lorenz erklärte. Dieses Verfahren soll nächste Woche stattfinden. Dabei müssen auch Fortuna Düsseldorf und Hertha wegen Zuschauerausschreitungen mit empfindlichen Strafen rechnen.

Stark schilderte detailliert, was in der 21-minütigen Unterbrechung in der Nachspielzeit passierte. In der Kabine nahm er telefonisch Kontakt zur Einsatzleitung der Polizei auf. Nach etwa zehn Minuten habe er die Information erhalten, die Situation draußen sei absolut unter Kontrolle. Auf die Frage von Michael Preetz, ob er die Sicherheit der Spieler garantieren könne, habe er dem Hertha-Manager geantwortet: "Das kann ich nicht, das ist nicht Aufgabe des Schiedsrichters, das kann nur die Polizei.“

Stark betonte aber ausdrücklich, er sei von niemandem gezwungen worden, das Spiel fortzusetzen. Schickhardt hatte nach dem Skandalspiel gesagt, die Partie sei auf Anraten der Polizei fortgesetzt worden, um "ein Blutbad“ zu verhindern.

Berlins Torwart Kraft äußerte sich als Zeuge zu der schlagzeilenträchtigen Partie, nahm aber von seinem Recht Gebrauch, sich nicht zu den Vorwürfen zu seiner Person äußern zu müssen. "Keiner war mehr richtig bei der Sache“, sagte er zu den 1:33 Minuten, die Stark nach der Unterbrechung noch spielen ließ. Seine Mitspieler Rafael und Ronny hätten Angst gehabt um ihre Familien, die auf der Tribüne saßen: "Für viele war dieses Spiel eigentlich zu Ende.“

Kraft befürchtete, die Begegnung "nicht mehr verletzungsfrei“ beenden zu können. Er habe viele Fans gesehen, "die eine gewisse Aggressivität“ ausstrahlten. In der Coaching-Zone, so Co-Trainer Ante Covic, seien auch vermummte Fans gestanden. "Als wir in die Kabine kamen, war keiner in der Lage, an Fußball zu denken“, schilderte Covic die Zwangspause. "Wir fühlten uns nicht sicher.“