Drei Punkte und 16 Tore Vorsprung dürften zum vorzeitigen Aufstieg reichen. Die mitgereisten Fans stürmten in Fürth den Rasen. In Hamburg wurde am Sonntagabend die Reeperbahn gesperrt. Eine Partynacht steht der Meile bevor.

Fürth. Die Spieler tanzten unermüdlich, Präsident Corny Littmann strahlte über das ganze Gesicht, und Trainer Holger Stanislawski grinste spitzbübisch: Der FC St. Pauli hat gleich seinen ersten «Matchball» zum nahezu sicheren Aufstieg in die Fußball-Bundesliga nutzen können.

Die Hamburger bezwangen am vorletzten Zweitliga-Spieltag die SpVgg. Greuther Fürth mit 4:1 (0:1) und steigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum fünften Mal ins deutsche Oberhaus auf. Konkurrent FC Augsburg liegt weiterhin drei Punkte zurück und weist vor dem letzten Spieltag die um 16 Treffer schlechtere Tordifferenz auf. «Das ist ein unglaublicher Moment für diesen Verein. Ein sensationeller Erfolg, genau passend zu unserem 100. Klub-Jubiläum», sagte Klubboss Corny Littmann.

Nach dem Abpfiff brachen alle Dämme. Die mitgereisten St. Pauli-Fans fluteten den Rasen und erdrückten ihre Lieblinge fast vor Begeisterung. Stürmer Deniz Naki schnappte sich eine Vereinsfahne, kletterte auf das Dach der Auswechselbank und dirigierte die Jubelgesänge der Anhänger. Littmann stand mittendrin und war sichtlich gerührt.

Coach Stanislawski flüchtete schnell in die Kabine und freute sich mehr im Stillen: «Die Spieler sind heute die Hauptpersonen. Ich bin wahnsinnig stolz, dass sie den Aufstieg geschafft haben. Jetzt dürfen wir uns mit den besten Mannschaften Europas messen. Hamburg kann durchaus zwei Lokalderbys in der Bundesliga vertragen. Wir freuen uns schon auf den HSV." Er hatte auch keine Sorge, dass sein Team im Feiern nciht bundesligatauglich sei. "Das Team ist unglaublich und wird der 95er-Truppe auch im Feiern in Nichts nachstehen. Ich werde meine Spieler wohl morgens um vier aus den Hotelgängen suchen müssen, damit wir rechtzeitig zurückkommen." Auch für die kommende Saison kündigte Stanislawski keine Abkehr von den bisherigen Tugenden ab. "Wir werden auch in der Bundesliga nicht nur hinten drin stehen, sondern versuchen mitzuspielen."

Mittelfeldspieler Mathias Lehmann wollte sich nicht mehr mit Rechenspielen aufhalten. «Das Ding ist durch, wir haben es geschafft», sagte der 26-Jährige. Torschütze Charles Takyi kündigte schon an: «Diesmal feiern wir nur im kleinen Kreis, im Vergleich zur nächsten Woche ist das noch gar nichts.» Dann soll nach dem letzten Heimspiel gegen den SC Paderborn 07 auf dem Kiez die ganz große Sause starten.

Vor 15.000 Zuschauern am ausverkauften Ronhof, darunter rund 9000 Fans aus Hamburg, erzielte Christopher Nöthe in der 37. Minute den Führungstreffer für die Platzherren. Für den Ausgleich sorgte Naki, ebenfalls per Flachschuss, in der 51. Minute. Für die weiteren Tore der Hanseaten zeichneten Marius Ebbers in der 65., Takyi in der 73. und Rouwen Hennings in der 88. Minute verantwortlich. «Ich wusste, wir biegen das Ding noch um», sagte Sportdirektor Helmut Schulte.

Zum Zeitpunkt der Fürther Führung war St. Paulis Stammtorhüter Mathias Hain bereits mit Verdacht auf Gehirnerschütterung auf dem Weg ins Krankenhaus. Der 37-Jährige hatte sich in der 14. Minute bei einem Zusammenprall mit Stephan Fürstner eine stark blutende Gesichtsverletzung zugezogen. Für den Routinier ging Ersatzkeeper Benedikt Pliquett zwischen die Pfosten.

Insbesondere vor dem Seitenwechsel taten sich die in Bestbesetzung angetretenen Gäste allerdings schwerer als erwartet. Nach fünf Spielen in Folge ohne Niederlage traten die Franken selbstbewusst auf und dominierten in dieser Phase die Begegnung. Nach dem Ausgleichstreffer jedoch kamen die Norddeutschen besser ins Spiel und forderten mehrfach den Szenenapplaus ihres mitgereisten Anhangs heraus.

Auch die Angriffsaktionen der Gäste wurde immer zwingender und letztlich auch mit Toren belohnt. «Nie mehr zweite Liga», skandierte der mitgereiste St. Pauli-Anhang schon eine Viertelstunde vor dem Schlusspfiff.

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Die Torschützen Takyi und Naki waren die stärksten Akteure bei den Hamburgern, die vor acht Jahren die erste Liga hatten verlassen müssen und zwischenzeitlich sogar in die Drittklassigkeit abgerutscht waren. Im Team von Coach Mike Büskens, das zum fünften Mal in Folge sieglos blieb, erreichte kein Akteur Normalform.

Polizei sperrt Reeperbahn für Aufstiegsfeier

In 600 Kilometern Entfernung rund um das Millerntor-Stadion waren die Fußball-Anhänger außer Rand und Band. Die Polizei hat am Abend die Reeperbahn für die Aufstiegsfeier in Hamburg gesperrt. Vor der Musikkneipe „Knust“unterstützten rund 3000 Sympathisanten die braun-weißen Kicker, im Vereinsheim verstand man inmitten der 700 Fans sein eigenes Wort nicht mehr. „Nie mehr zweite Liga“, schallte es durch den Stadtteil.

Die offizielle Aufstiegsparty soll nach Ansage Littmanns mit Respekt vor der Konkurrenz erst am kommenden Sonntag auf dem Spielbudenplatz an der Reeperbahn steigen. Doch damit wollten es die Profis nicht so genau nehmen: „Wir haben zwar Zimmer gebucht, aber die werden eventuell nicht gebraucht“, sagte Ebbers. Wegen des Nachtflugverbotes in Hamburg war der Flieger erst für Montagmorgen um 06.30 Uhr reserviert. Die Anhänger wollten im Sonderzug die Nacht zum Tag machen.

Vor neun Jahren waren die Norddeutschen nur 15 Kilometer entfernt in Nürnberg aufgestiegen, damals wirkte Stanislawski als Libero, Co-Trainer André Trulsen als Vorstopper mit. „Man denkt selbst das eine oder andere Mal über seine Karriere nach, einige Momente sind unvergessen, das kann man den Spielern immer nur sagen“, berichtete der Coach, der als Architekt der Rückkehr ins Oberhaus gilt.

Der 40-Jährige hat zuvor schon als Spieler, Kapitän, Manager und Vize-Präsident für „seinen“ FC St. Pauli gearbeitet. Die Identifikationsfigur des etwas anderen Vereins, zuletzt Klassenbester des DFB-Trainerlehrgangs, hat aus dem einst eher für seinen „Kick and-Rush“-Fußball bekannten Club das wohl spielstärkste Team der Liga geformt. „Wir haben die richtige Mischung aus Spaß und Geradlinigkeit“, lautet Stanislawskis Erfolgsformel.

Und die Mixtur stimmt in der Tat - auch dank der Personalpolitik des als Sportchef zurückgekehrten Club-Urgesteins Helmut Schulte. Neben erstligaerprobten Profis wie Keeper Mathias Hain, Antreiber Matthias Lehmann oder Top-Torjäger Ebbers gehören Juniorennationalspieler wie Deniz Naki und Richard Sukuta-Pasu zum festen Gerüst des Teams. „Der Verein geht gerade die richtigen Schritte“, kommentierte Stanislawski den stetigen Aufwärtstrend, der 13 Tage vor der offiziellen 100-Jahr-Feier am 15. Mai nun in Fürth seinen vorläufigen Höhepunkt fand.

Die Statistik

Greuther Fürth : Grün - Schröck, Karaslavov (ab 31. Mauersberger), Biliskov, Rahn - Haas, Fürstner (ab 72. Nehrig), Pekovic (ab 86. Meichelbeck), Müller - Allagui, Nöthe. Trainer: Büskens

FC St. Pauli: Hain (ab 13. Pliquett) - Rothenbach, Morena, Thorandt, Oczipka - Boll, Lehmann - Takyi, Naki (ab 81. Kruse), Bruns (ab 75. Hennings) - Ebbers. Trainer: Stanislawski

Schiedsrichter : Guido Winkmann (Kerken)

Tore : 1:0 Nöthe (37.) , 1:1 Naki (51.) , 1:2 Ebbers (66.) , 1:3 Takyi (73.) , 1:4 Hennings (88.)

Zuschauer : 15.500 (ausverkauft)

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