Während der fünften Partie fiel für kurze Zeit das Licht aus. Anand behielt trotzdem die Nerven - und konnte noch Witze reißen.

Sofia/Hamburg. Viswanathan Anand (40) ist der amtierende Weltmeister des Schachs. Den schlagfertigen Inder zeichnen nicht nur hervorragende Züge aus, sein Sarkasmus, sagen seine Freude, sei ebenso scharf und tiefsinnig wie seine Manöver am Brett. Als während der fünften Partie seines WM-Kampfes gegen den Bulgaren Wesselin Topalow (35) auf der Bühne des ehemaligen Militärklubs in Sofia für 13 Minuten das Licht ausfiel, wähnte sich der Champion, wie er später witzelte, im Vorteil: „Ich führte die schwarzen Steine. Da war für mich die Umstellung nicht besonders groß, als uns allen Schwarz vor Augen wurde. Ich hätte nicht gedacht, dass die Bulgaren mir derart entgegenkommen würden.“

Nach 37 Minuten Unterbrechung konnte das Spiel fortgesetzt werden. Eine Erleuchtung hatten beide nicht mehr. Die Partie endete Remis wie auch die sechste am Sonnabend. Am Tag der Arbeit mühten sich die Kontrahenten 58 Züge lang vergebens um einen nachhaltigen Stellungsvorteil. Zur Hälfte des auf zwölf Partien angesetzten Wettkampfes führt Anand mit 3,5:2,5 Punkten. Drei fehlen ihm zur Titelverteidigung. Der Sieger des Duells kassiert 1,2 Millionen Euro, der Verlierer 800.000. Die siebte Partie wird am heutigen Montag ab 14 Uhr MESZ gespielt. Anand führt die weißen Steine. Beim Stand von 6:6 gäbe es einen Tiebreak. Die Spieler müssten dann mit weniger Bedenkzeit für die Partie auskommen. Momentan stehen ihnen im Durchschnitt drei Minuten pro Zug zur Verfügung.

„Der bisherige Wettkampfverlauf hat bestätigt, dass Anand ein kompletter Schachspieler ist. Das unterscheidet ihn wie erwartet von Topalow, der zwar brillant rechnet, aber strategisch nicht immer das richtige Gespür für potenzielle Gefahren entwickelt“, sagt der Hamburger Großmeister Jan Gustafsson. Allein in der ersten Partie strauchelte Anand. Er hatte in einer komplizierten Eröffnung (Grünfeld-Indisch) die Reihenfolge der in Heimanalyse vorbereiteten Züge verwechselt und war danach dem Angriffswirbel des Bulgaren schutzlos ausgeliefert. „Auch ein Genie wie Anand stößt manchmal an die Grenzen seines Erinnerungsvermögens“, sagt Gustafsson, „nur Computer können sich immer alles merken. Der Mensch ist irgendwann überfordert, vor allem im Wettkampfstress, die Fülle von Varianten und deren Verästelungen fehlerfrei zu rekapitulieren.“

Nach seiner Auftaktniederlage mit den schwarzen Steinen führte Anand seine Bauern und Figuren mit Weiß in der zweiten und vierten Partie zum Sieg, jeweils nach einer Katalanischen Eröffnung, der aktuellen Modevariante vieler Weltklassespieler. Die vierte Partie dürfte als Lehrbeispiel in die Datenbanken eingehen. Die Kombination des Inders auf den schwarzen König Topalows nötigte sogar den Computern Respekt ab. Die schnellen Brüter erkannten den Sinn der Attacke erst nach Minuten und Abermilliarden von Rechenoperationen, Das kommt einem Ritterschlag gleich. „Da hat der gute alte menschliche Geist noch mal gezeigt, wozu er fähig ist“, meinte Gustafsson.

Topalow scheint dagegen auch mithilfe der binären Monster und seines Sekundantenteams bislang kein Konzept gefunden zu haben, wie er den Rückstand aufzuholen gedenkt. Auf alles, was er versuchte, hatte Anand eine Antwort, immer eine gute, oft eine bessere. „Ich wäre überrascht, wenn Anand noch einmal in Bedrängnis kommen sollte. Dazu wirkt sein Spiel zu reif“, sagt Gustafsson. „Allerdings dürfen wir den menschlichen Faktor nicht unterschätzen. Müdigkeit, Nervosität und Euphorie können die schönste Stellung zerstören.“ Anand weiß, wovon Gustafsson spricht. Aber er sagt: „Ich habe meine zwei Blackouts schon hinter mir.“ Den schachlichen in der ersten Partie, den elektrischen in der fünften.

Die Partien zum Nachspielen

1. Partie (Grünfeld-Indisch): Weiß: Wesselin Topalow (Bulgarien) – Schwarz: Viswanathan Anand (Indien) 1:0

1.d4 Sf6; 2. c4 g6; 3. Sc3 d5; 4. cxd5 Sxd5; 5. e4 Sxc3; 6. bxc3 Lg7; 7. Lc4 0-0; 8. Se2 c5; 9. 0-0 Sc6; 10. Le3 Sa5; 11. Ld3 b6; 12. Dd2 e5; 13. Lh6 cxd4; 14. Lxg7 Kxg7; 15. cxd4 exd4; 16. Tac1 Dd6; 17. f4 f6; 18. f5 De5; 19. Sf4 g5; 20. Sh5+ Kg8; 21. h4 h6; 22. hxg5 hxg5; 23. Tf3 Kf7; 24. Sxf6 Kxf6; 25. Th3 Tg8; 26. Th6+ Kf7; 27. Th7+ Ke8; 28. Tcc7 Kd8; 29. Lb5 Dxe4; 30. Txc8+ Aufgabe

2. Partie (Katalanisch): Weiß: Viswanathan Anand (Indien) – Schwarz: Wesselin Topalow (Bulgarien) 1:0

1.d4 Sf6; 2.c4 e6; 3.Sf3 d5; 4.g3 dxc4; 5.Lg2 a6; 6.Se5 c5; 7.Sa3 cxd4; 8.Saxc4 Lc5; 9.0-0 0-0; 10.Ld2 Sd5; 11.Tc1 Sd7; 12.Sd3 La7; 13.La5 De7; 14.Db3 Tb8; 15.Da3 Dxa3; 16.bxa3 S7f6; 17.Sce5 Te8; 18.Tc2 b6; 19.Ld2 Lb7; 20.Tfc1 Tbd8; 21.f4 Lb8; 22.a4 a5; 23.Sc6 Lxc6; 24.Txc6 h5; 25.T1c4 Se3; 26.Lxe3 dxe3; 27.Lf3 g6; 28.Txb6 La7; 29.Tb3 Td4; 30.Tc7 Lb8; 31.Tc5 Ld6; 32.Txa5 Tc8; 33.Kg2 Tc2; 34.a3 Ta2; 35.Sb4 Lxb4; 36.axb4 Sd5; 37.b5 Taxa4; 38.Txa4 Txa4; 39.Lxd5 exd5; 40.b6 Ta8; 41.b7 Tb8; 42.Kf3 d4; 43.Ke4 Aufgabe

3. Partie (Damengambit Slawisch): Weiß: Wesselin Topalow (Bulgarien) – Schwarz: Viswanathan Anand (Indien)

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 dxc4 5.a4 Lf5 6.Se5 e6 7.f3 c5 8.e4 Lg6 9.Le3 cxd4 10.Dxd4 Dxd4 11.Lxd4 Sfd7 12.Sxd7 Sxd7 13.Lxc4 a6 14.Tc1 Tg8 15.h4 h6 16.Ke2 Ld6 17.h5 Lh7 18.a5 Ke7 19.Sa4 f6 20.b4 Tgc8 21.Lc5 Lxc5 22.bxc5 Tc7 23.Sb6 Td8 24.Sxd7 Tdxd7 25.Ld3 Lg8 26.c6 Td6 27.cxb7 Txb7 28.Tc3 Lf7 29.Ke3 Le8 30.g4 e5 31.Thc1 Ld7 32.Tc5 Lb5 33.Lxb5 axb5 34.Tb1 b4 35.Tb3 Ta6 36.Kd3 Tba7 37.Txb4 Txa5 38.Txa5 Txa5 39.Tb7+ Kf8 40.Ke2 Ta2+ 41.Ke3 Ta3+ 42.Kf2 Ta2+ 43.Ke3 Ta3+ 44.Kf2 Ta2+ 45.Ke3 Ta3+ 46.Kf2 Remis. Stand: 1,5:1,5

4. Partie (Katalanische Eröffnung): Weiß: Viswanathan Anand (Indien) – Schwarz: Wesselin Topalow (Bulgarien)

1.d4 Sf6; 2.c4 e6; 3.Sf3 d5; 4.g3 dxc4; 5.Lg2 Lb4+; 6.Ld2 a5; 7.Dc2 Lxd2+; 8.Dxd2 c6; 9.a4 b5; 10.Sa3 Ld7; 11.Se5 Sd5; 12.e4 Sb4; 13.0-0 0-0; 14.Tfd1 Le8; 15.d5 Dd6; 16.Sg4 Dc5; 17.Se3 S8a6; 18.dxc6 bxa4; 19.Saxc4 Lxc6; 20.Tac1 h6; 21.Sd6 Da7; 22.Sg4 Tad8; 23.Sxh6+ gxh6; 24.Dxh6 f6; 25.e5 Lxg2; 26.exf6 Txd6; 27.Txd6 Le4; 28.Txe6 Sd3; 29.Tc2 Dh7; 30.f7+ Dxf7; 31.Txe4 Df5; 32.Te7 1:0. Stand: Anand – Topalow 2,5:1,5

5. Partie (Damengambit Slawisch): Weiß: Wesselin Topalow (Bulgarien) – Schwarz: Viswanathan Anand (Indien)

1.d4 d5; 2.c4 c6; 3.Sf3 Sf6; 4.Sc3 dxc4; 5.a4 Lf5; 6.Se5 e6; 7.f3 c5; 8.e4 Lg6; 9.Le3 cxd4; 10.Dxd4 Dxd4; 11.Lxd4 Sfd7; 12.Sxd7 Sxd7; 13.Lxc4 a6; 14.Tc1 Tg8; 15.h4 h5; 16.Se2 Ld6; 17.Le3 Se5; 18.Sf4 Tc8; 19.Lb3 Txc1+; 20.Lxc1 Ke7; 21.Ke2 Tc8; 22.Ld2 f6; 23.Sxg6+ Sxg6; 24.g3 Se5; 25.f4 Sc6; 26.Lc3 Lb4; 27.Lxb4+ Sxb4; 28.Td1 Sc6; 29.Td2 g5; 30.Kf2 g4; 31.Tc2 Td8; 32.Ke3 Td6; 33.Tc5 Sb4; 34.Tc7+ Kd8; 35.Tc3 Ke7; 36.e5 Td7; 37.exf6+ Kxf6; 38.Ke2 Sc6; 39.Ke1 Sd4; 40.Ld1 a5; 41.Tc5 Sf5; 42.Tc3 Sd4; 43.Tc5 Sf5; 44.Tc3 Remis. Stand: Anand – Topalow 3:2

6. Partie (Katalanische Eröffnung): Weiß: Viswanathan Anand (Indien) – Schwarz: Wesselin Topalow (Bulgarien)

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.g3 dxc4 5.Lg2 a6 6.Se5 c5 7.Sa3 cxd4 8.Saxc4 Lc5 9.0-0 0-0 10.Lg5 h6 11.Lxf6 Dxf6 12.Sd3 La7 13.Da4 Sc6 14.Tac1 e5 15.Lxc6 b5 16.Dc2 Dxc6 17.Scxe5 De4 18.Dc6 Lb7 19.Dxe4 Lxe4 20.Tc2 Tfe8 21.Tfc1 f6 22.Sd7 Lf5 23.S7c5 Lb6 24.Sb7 Ld7 25.Sf4 Tab8 26.Sd6 Te5 27.Sc8 La5 28.Sd3 Te8 29.Sa7 Lb6 30.Sc6 Tb7 31.Scb4 a5 32.Sd5 a4 33.Sxb6 Txb6 34.Sc5 Lf5 35.Td2 Tc6 36.b4 axb3 37.axb3 b4 38.Txd4 Txe2 39.Txb4 Lh3 40.Tbc4 Td6 41.Te4 Tb2 42.Tee1 Tdd2 43.Se4 Td4 44.Sc5 Tdd2 45.Se4 Td3 46.Tb1 Tdxb3 47.Sd2 Tb4 48.f3 g5 49.Txb2 Txb2 50.Td1 Kf7 51.Kf2 h5 52.Ke3 Tc2 53.Ta1 Kg6 54.Ta6 Lf5 55.Td6 Tc3+ 56.Kf2 Tc2 57.Ke3 Tc3+ 58.Kf2 Tc2 Remis

Stand: Anand – Topalow 3,5:2,5