Warum ist es in Berlin-Ost bei Dunkelheit grau und trübe, aber in Berlin-West vielerorts milchig und seidig beleuchtet? Weil die einstige Hauptstadt der DDR flächendeckend mit elektrifiziertem Licht bestrahlt wird, aber die populären Viertel des Westens - Charlottenburg, Wilmersdorf, Frohnau, Lichterfelde, Tiergarten - seit den 1830er-Jahren mit Gaslicht erhellt werden. Zwischen Lietzensee und Schloss Charlottenburg ist bei Einsetzen der Dunkelheit leises Zischen wahrzunehmen: Glühstrümpfe der Gaslaternen werden durch solarbetriebene Minisensoren entzündet. Der hellgelbe Schein breitet sich sternförmig aus und taucht die Gründerzeitfassaden in sanftes Licht. Dann freuen sich Anwohner, und Touristen staunen. Es wurde schon überlegt, das Alleinstellungsmerkmal dem Unesco-Komitee als schützenswert anzutragen. Denn Berlin ist ein lampenkulturhistorisches Unikum, es besitzt 43 500 Gaslaternen, Hängeleuchter und Kandelaber an 2800 Straßen - ein so großes gasbeleuchtetes Gebiet gibt es nirgendwo mehr auf der Welt.

Jetzt soll die wiedervereinte Stadt lampentechnisch egalisiert werden - aus Spargründen und nach Ostmuster. Technologisch unausgereifte LED-Lampen statt Gasaufsatzlampen nach Schinkel-Entwürfen, Ökosparleuchten mit Licht wie gelblicher Soße statt mild-helles Gaslicht, das aus Kandelabern träufelt wie flüssiger Bernstein.

Finstere Zeiten drohen der Stadt. Alle Gaslampen sollen bis 2020 abgebaut werden. Dass Bürger protestieren, gilt dem Senat als Lokalkolorit. Aber auch Denkmalschützer mahnen, und der kontinentale Dachverband des Architektur- und Landschaftsschutzes, Europa Nostra, ist beim Regierenden Bürgermeister vorstellig geworden. Die Initiative Denk-mal-an-Berlin betont den kulturhistorischen Wert der Lampen. Gaslicht ist, wie der Mond, viel diskreter als Flutlicht, aber das offizielle Berlin will nur helle sein.