Auf einem nachgebauten Mississippi-Kreuzer made in Simbabwe lässt sich der Lake Kariba, der weltgrößte Stausee, gemächlich und luxuriös befahren.

Alles Mögliche würde der Reisende in dem kleinen Ort Siavonga auf der sambischen Seite des Lake Kariba erwarten, aber nicht dieses Traumschiff: Schneeweiß ragt die "Southern Belle", wie könnte sie treffender heißen, hinter den dichten Bäumen am Anleger auf. Drei großzügige Decks, vorn ein kleiner Swimmingpool und Liegestühle, obendrauf zwei schmale lange Schornsteine, davor die Brücke. Die Illusion ist fast perfekt: Ein prächtiger Mississippi-Dampfer in den Südstaaten könnte nicht majestätischer daherkommen. Aber hier ist das südliche Afrika, und luxuriöse Hotelschiffe gibt es außer den Nilkreuzfahrern in Ägypten auf diesem Kontinent nirgends. Nur hier in Sambia. "Wir sind das einzige Hotelschiff auf diesem Niveau in Afrika südlich der Sahara", sagt Michael Mupatutsa. Der 46-jährige Simbabwer ist der stolze Kapitän des weißen Schmuckstücks. Um ihn auf der Brücke zu besuchen, müssen Neugierige erst eine große Freitreppe in der Lounge auf dem Hauptdeck hinauf, dann immer steilere Stiegen und Leitern empor, schließlich an Sonnenkollektoren und Einlässen der Klimaanlage vorbei bis nach vorn vordringen.

Eine Reling gibt es hier nicht, aber wer es mit bedachten Schritten bis nach vorn ins Brückenhaus schafft, wird mit einem strahlenden Lächeln begrüßt. "Nenn mich einfach Captain Mike", sagt der Kommandant. Er dreht nach dem Ablegen in der Abendsonne kräftig an seinem mächtigen, hölzernen Steuerrad, eifrige Bewegungen, die in starkem Kontrast stehen zur extrem gemächlichen Fortbewegung des 55 Meter langen Seekreuzers. "Wir schaffen maximal fünf bis sieben Knoten", sagt Captain Mike, nicht einmal zehn Kilometer je Stunde. Gefahren wird nur bei Tageslicht, und das ist so nahe am Äquator schon vor sechs Uhr abends vorbei. Entsprechend kurz sind die zurückgelegten Distanzen, gerade mal 36 Kilometer auf einem typischen Wochenendtrip.

+++Zweitnutzung erster Klasse+++

Während er sein Schiff auf den offenen See steuert, kommt Captain Mike ins Plaudern. Schnell wird klar, dass die Geschichte der "Southern Belle" eine typisch afrikanische Geschichte ist, voller Chancen, Schicksale, Risiken, Höhenflüge und Tiefschläge. "Sie wurde 1995 in Kariba auf der simbabwischen Seite des Stausees fertiggestellt - ich habe selbst als Schweißer daran mitgebaut", sagt Mike mit einem Grinsen. Bis 2002 beförderte sie vorwiegend südafrikanische Touristen am simbabwischen Ufer des 220 Kilometer langen Sees, dort, wo sich die Reise auf dem Wasser mit Safaris in nahe gelegenen Wildparks verbinden lässt, während auf der Seite Sambias nahezu kein Wild lebt. Doch dann brach durch die politische Krise in Simbabwe der Fremdenverkehr in dem Land zusammen, die "Southern Belle" wurde aufs Trockene verbannt. "Die Frau des heutigen Besitzers hatte damals ihren 40. Geburtstag auf der 'Southern Belle' gefeiert und sich in das Schiff verliebt", erzählt Mike. Das war ein Glück, denn so erbarmte sich ihr Ehemann, Unternehmer und Besitzer der sambischen Protea-Hotels, das inzwischen heruntergekommene Schiff 2010 für nur 700 000 US-Dollar in einer Zwangsversteigerung zu erwerben. Er investierte noch mal zwei Millionen Dollar in die dreimonatige Renovierung auf höchste Standards - und fertig war der Südstaaten-Traum für den afrikanischen Stausee. "Seit Oktober 2010 sind wir wieder unterwegs, bisher waren etwa 1700 Passagiere an Bord", sagt Mike.

Und vor allem ist er selbst noch dabei. Ein kleines Wunder, gerade für einen Mann aus Simbabwe. "Ich habe vier Jahre lang beim Bau des Schiffs mitgemacht, und dann wollte ich danach nicht einfach woanders arbeiten. Es war mein Traum, Kapitän zu werden", sagt der Mann im blütenweißen Hemd. Drei lange Jahre dauerte die Ausbildung, erst war Mike Assistenz-Kapitän, schließlich selbst Kommandant. Im Gegensatz zu seinem Schiff, das die simbabwische Seite nicht anlaufen darf, pendelt Mupatutsa an allen freien Tagen zu seiner Familie, die im nahen Heimatland lebt. Oben und unten auf den eleganten Decks genießen unterdessen die Passagiere - bis zu 44 kommen in den 22 Kabinen unter - die abendliche Panoramafahrt über den größten menschengemachten Stausee der Welt. Der Lake Kariba ist dreimal größer als die aufgestauten Gewässer am Yangtse-Fluss in China. Die Gäste gönnen sich schon mal ein kaltes Bier, besonders berauschend ist jetzt das Gleiten über die fast glatte Wasseroberfläche vorn auf einem der Liegestühle im gleißend roten Licht des riesigen Sonnenballs am Horizont. Dann lädt der südafrikanische Hotelchef Stephan Kwint Kurzentschlossene zu einer Schlauchboottour vom Heck der "Southern Belle" aus ein. Er umrundet mit dem Boot das Mutterschiff, der Himmel leuchtet glutrot.

+++Das sind die Kreuzfahrttrends für das Jahr 2012+++

Von ihren Plattformen winken die Fischer herüber, die nachts Tausende der Sardinen-ähnlichen Kapenta-Fischchen aus dem See holen, machen sich zum Auswerfen der Netze bereit. Das ist "Out of Africa" im Breitbandformat vom Allerfeinsten, und dabei stets die Illusion der Südstaaten vor Augen. "Sambia ist etwas für abenteuerlustigere Besucher, die gern mal ausgetretene Pfade verlassen", ruft Stephan gegen das Dröhnen des Außenborders an. Kurz nachdem die Ausflügler wieder auf dem Hauptschiff sind, steuert Captain Mike behutsam das Nachtquartier für sein Schiff an, einen Schilfstreifen in Ufernähe an einer der zahlreichen Inseln im Karibasee. Sorgfältig wird die "Southern Belle" mit Schlauchboot-Hilfe vertäut. Ganz in der Nähe prustet ein Nilpferd, an Deck klimpern die Eiswürfel der Sundowner in den Gläsern. Schnell ist es schwarz-dunkle Nacht, am frühen Abend.

In der Hauptlounge, großzügig wie der Ballsaal einer Südstaaten-Villa, ist festlich zum Dinner eingedeckt, statt "Out of Africa" kommen bei diesem Ambiente eher Assoziationen an "Vom Winde verweht" auf, obwohl der Rotwein aus Südafrika stammt. Die Qualität des Büfetts ist ordentlich, kann allerdings noch nicht ganz mit dem Anspruch des luxuriösen Ambientes mithalten. Nach dem Essen wird getanzt, einige ziehen es vor, auf dem Oberdeck von einer Liege aus den afrikanischen Sternenhimmel zu bestaunen, bevor sie in ihren eleganten Kabinen in die schneeweiße Bettwäsche sinken.

Am nächsten Morgen geht es früh los - mit einer Motorbootfahrt im grandiosen Morgenlicht an die nahe Küste. Vanessa Hope-Lewis, die hier eine abgelegene Lodge betreibt, empfängt die Bootsgäste. Zu Fuß führt sie die Gruppe an großen Baobab-Bäumen vorbei in das Dorf Chilongo in der Nähe. Vanessa sorgt dafür, dass die zwei Dutzend Bewohner von Spenden der Bootsbetreiber profitieren, und lässt für sie feste Häuser bauen. Der Besuch hat etwas Charmant-Improvisiertes, die Bewohner freuen sich und zeigen typische Verrichtungen wie Hirse stampfen, die Gäste dürfen selbst Hand anlegen, alle lachen. So unverkrampft und ohne peinlichen Vorführeffekt als Tourist ein afrikanisches Dorf zu besuchen ist ein weiterer Höhepunkt dieser ungewöhnlichen Reise. Zum Abschied spielen die Kinder und Jugendlichen auf selbst gebauten Instrumenten ein paar Lieder, hinter ihnen leuchtet tiefblau der Karibasee, aus dem immer noch ein paar Baumstämme von der Zeit vor der Flutung 1963 ragen.

Nach dem Brunch auf der "Southern Belle" wirft Captain Mike seine Motoren für die Heimfahrt nach Siavonga an. "Zwei Cummings-Diesel der neuesten Generation mit sechs Zylindern und jeweils 395 PS", erklärt er stolz. Er würde am liebsten noch viel weiter auf den See hinausfahren und auch in seiner Heimat Simbabwe anlegen. Aber dafür fehlen derzeit die politischen Voraussetzungen - und auch die Kundschaft. "Aber das hier ist doch schon mal nicht schlecht für den Anfang, oder?", fragt er - und lächelt.