Einen Monat lang schweigen in Nepal, käfigloses Haitauchen vorm Kap der Guten Hoffnung, paramilitärisches Training in einem Bootcamp in Kalifornien: Wer in seinem Urlaub den ganz besonderen Kick sucht, bekommt mit einem brandneuen Hostel im ukrainischen Tschernobyl seit wenigen Tagen eine neue Attraktion geboten, deren Schauderfaktor überdies preislich ungeheuer attraktiv ist. Schlappe sieben Euro pro Person kostet umgerechnet eine Übernachtung in den zweckmäßig (na gut, spartanisch, aber sauber) eingerichteten Zimmern, inklusive freien Wlans und eines kräftigen Frühstücks.

Moment, war da nicht was? Ganz genau, 1986 flog Block 4 des größten Atomkraftwerks in der damaligen Sowjetunion in die Luft, riesige Gebiete der heutigen Ukraine, Weißrusslands und Russlands wurden radioaktiv mehr oder weniger stark kontaminiert (sowie 40 Prozent von Europa), etwa 120.000 Menschen mussten die Region ums AKW verlassen. Seit vergangenem Herbst nun schirmt eine mit internationaler Finanzhilfe errichtete Stahlhülle die Reaktortrümmer ab, der alte Betonsarkophag war brüchig geworden und drohte einzustürzen.

Der Katastrophentourist muss sich also keine Sorgen darum machen, dass er sich im ansonsten menschenleeren Tschernobyl eine Überdosis Gammastrahlung einfangen könnte. Er kann daher die Sonnencreme mit dem Lichtschutzfaktor 50 zu Hause lassen. Auch die Verpflegung ist dank einer Kantine sowie eines Kiosks gesichert. Wer jedoch noch näher heranwill an die (k)alten Brennstäbe, benötigt ein Visum für den Besuch der 30-Kilometer-Zone, in der auch die Geisterstadt Pripjat liegt: Dank der Plutonium-Isotope, die beim Brand des AKW mit den Brennstoffpartikeln auf den Boden rieselten, ist Pripjat sozusagen ein echter „Hotspot“ – allerdings weniger für Nachtschwärmer. Wer abends Zerstreuung sucht, muss eben aufs bewährte Vergnügen der Halbliterflasche Wodka zurückgreifen – und alle Zimmer des Hostels sind ja auch mit einem Flachbildfernseher ausgestattet.