Der bekannteste Berg im Kleinwalsertal, der Ifen, wird modernisiert. Das freut nicht alle Gäste

Wer auf den Ifen will, muss frieren. So ist es seit Jahrzehnten, Winter für Winter. Provozierend langsam ruckelt der Sessellift bergwärts, durch das Hochtal pfeift ein eisiger Wind. Man zieht sich das Halstuch über die Nase, schimpft und sieht doch, dass sich das Bibbern lohnt: Hoch liegt der Schnee auf den Hängen und auf dem Gipfelplateau, nur ein paar Skifahrer kurven über die weiten Pisten unter den Felswänden. Skifahren wie in den Achtzigern, große Gemächlichkeit. Doch das dürfte bald vorbei sein.

Nun wird auch der Ifen modern. So wollen es die Kleinwalsertaler Bergbahn AG und die Unternehmerfamilie Haller, die sich im Februar 2016 zur „Skilift­gesellschaft links der Breitach“ zusammengeschlossen haben. Bis 2018 sollen die altersschwachen Lifte auf dem Ifen, die noch aus den 70er-Jahren stammen, ersetzt werden. Das langfristige Ziel ist, die Teilgebiete Heuberg Arena, Walmendingerhorn und Ifen zu einem Skigebiet mit 61 Kilometer Piste zu verschmelzen – und damit das im Wett­rüsten der Riesengebiete abgehängte Kleinwalsertal zeitgemäß aufzuhübschen.

Ein neuer Sechser-Sessellift mit Windhaube und beheizten Sitzen bringt die Wintersportler von der urigen Auenhütte bis zum Alpbord. Im zweiten Schritt soll im Sommer 2018 eine Zehner-Kabinenbahn bis zur Bergstation am Hahnenköpfle gebaut werden. Die alten Lifte werden dann demontiert. Der gesamte Umbau wird 30 Millionen Euro kosten. Weiter ist geplant, dass eine Skischaukel die Heuberg Arena und den Ifen verbindet. Bisher müssen Skifahrer den Pendelbus nehmen. Den alten Plan, eine talüberspannende Gondel vom Walmendingerhorn zum Ifen zu bauen, haben die rund 5000 Bewohner des Tals 2012 in einem Volksentscheid abgelehnt. Und auch den neuen Plan sehen manche Gäste skeptisch. Die bisherige Gemächlichkeit hat etwas für sich.

„Die neuen Lifte werden so bequem sein, dass jeder auf dem Ifen fahren wird“, fürchtet Cornelius Schneider, 35, Urlauber aus Berlin. „Dann werden die Pisten auch hier voll sein, und der ganze Charakter ändert sich.“ Bisher sei der Ifen für echte Skifahrer reserviert gewesen, denen das bisschen Frieren nichts ausmacht. Und für Freerider, die hier noch unverspurte Hänge finden.

Durchschnittlich neun Meter Schnee fallen hier pro Jahr

Wer es bequem mag, fährt bislang im Teilgebiet Fellhorn-Kanzelwand. Eine Sechser-Kabinenbahn surrt zur Bergstation in 1957 Meter Höhe, wo man die Wahl hat: rechts über die herrliche Talabfahrt zurück zur Station wedeln oder links auf die ebenso schönen Fellhorn-Pisten abbiegen, die schon in Deutschland liegen. Die Grenzlage brachte früher eine skurrile Form des Skitourismus hervor: Deutsche Steuerflüchtlinge stopften angeblich bis in die 90er-Jahre ihre Rucksäcke voller Geldscheine, ­stiegen in die Fellhornbahn und fuhren über die Kanzelwand nach Österreich ab. Für das Treffen mit dem Vermögensberater mussten sie eigentlich nicht mal die Skischuhe ausziehen. Die nächste Bank ist im Steuerparadies Kleinwalsertal nie weit. Der Grund für die enorme Bankendichte ist die besondere Geografie und Geschichte des Tals. Die Exklave ist mit dem Auto nur aus Deutschland zugänglich, hohe Berge schirmen sie vom restlichen Vorarlberg ab. Lange wurde vor allem mit D-Mark bezahlt, der Zoll kontrollierte nicht, und Zinsen waren steuerfrei.

Die Zeiten der Schwarzgeld-Abfahrten mögen vorbei sein. Aber die Deutschen kommen weiter gern, sie sorgen für 84 Prozent der Übernachtungen. ­Abgesehen von Niederländern und Schweizern sind internationale Gäste rar. „Wir haben keinen großen Namen wie Lech am Arlberg“, sagt Elmar Müller. „Die Gäste hier sind vor allem Familien, Schulklassen und Tagesausflügler.“

Für die zunehmende Schar der Tourengeher ist das Wichtigste der Schnee. Durchschnittlich neun Meter fallen pro Jahr. Selbst wenn im Allgäu die Wiesen braun sind, tragen die Dächer der Walserhäuser dicke weiße Hauben.

Die Tourengeher steigen bevorzugt durchs Schwarzwassertal zur gleich­namigen Hütte auf, die auch im Winter geöffnet ist. Sie ist das perfekte Basis­lager für die ringsum aufragenden Gipfel: Hählekopf, Grünhorn, Steinmandl. Für eine Tagestour macht der jeweils zwei Stunden lange Fußmarsch zur Hütte und zurück allerdings wenig Sinn.

Deshalb wählt Lukas Rinner an diesem Tag die Güntlespitze. Er parkt sein Auto in Baad, dem letzten Dorf vor dem Talschluss. Der Zielberg leuchtet in der Morgensonne, nebenan spannen andere Tourengeher ihre Felle auf die Ski. „Heute müssen wir nicht spuren“, sagt Rinner. Der 23-Jährige aus Riezlern ist gelernter Elektriker, aber diesen Job macht er nur noch im Frühling und Herbst, zwischen den Wettkämpfen. Im Sommer läuft er Ultramarathons, im Winter ist er Skilehrer. Die Tour zur Güntlespitze ist für Rinner eine lockere Trainingsrunde. Er schiebt sich über die breite Aufstiegsspur voran, erst entlang eines Bachs durch das schattige Tal, dann über sonnige Hänge. Der Schnee glitzert, Wechten hängen über einen Grat. Es wird warm. Mütze, Handschuhe und Pulli sind bald überflüssig. Immer steiler geht es bergauf, Spitzkehre um Spitzkehre, bis Rinner unterhalb des Gipfels stehen bleibt und die Ski abschnallt. Brotzeit-Pause vor der Abfahrt.

Breitschultrig ragt der Große Widderstein inmitten eines postkartenschönen Bergpanoramas auf. „Seht ihr da hinten die Lawinenverbauungen?“, fragt Rinner. „Das ist Warth.“ In dem Skigebiet am Arlberg tobt schon lange jener Skizirkus, der nun vielleicht auch dem Ifen droht. Doch hier oben ist all das weit weg. Was zählt, ist der Tiefschnee, durch den Rinner gleich darauf hinabwedelt. Und den wird es hier, sagen die Wissenschaftler, noch lange geben.