Ein Moloch, ein alles erdrückender Smog und Kriminelle an jeder Straßenecke: Der Ruf von Mexiko City ist nicht gerade der beste. Das bekam ich schon vor meiner Reise zu spüren: Da wollt ihr hin? Ist das nicht zu gefährlich?

Ein gewisser Erklärungsdruck ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, wenn man in der größten Stadt der Welt Urlaub machen möchte. Noch größer wird er, wenn man berichtet, dass man vorhat, dort eine kleine Fahrradtour machen zu wollen. Eine Fahrradtour durch eine Großstadt? Exakt. Freunde, die schon länger in Mexiko City leben, hatten uns den Tipp gegeben, die Innenstadt an einem Sonntag mit dem Rad zu erkunden.

In Mexiko City nichts Ungewöhnliches. Seit Jahren schon wird die Prachtstraße der Stadt – der Paseo de la Reforma – jeden Sonntag mehrere Stunden lang für Autofahrer gesperrt und für Radfahrer freigegeben. Der Fahrradsonntag ist ein Baustein auf dem Weg zur Modellstadt, wie ihn die Politik hier vorsieht. Etliche Kreuzungen wurden schon fahrradfreundlich umgebaut, Fußgängerzonen errichtet und auch ein Fahrradleihsystem installiert. Eco-Bike-Stationen finden sich inzwischen in vielen Stadtteilen. Auch für uns gibt es so ein Leihrad von einer Station direkt an der Reforma. Und dann geht’s los.

Gemeinsam mit Tausenden anderen Fahrern begeben wir uns auf die rund 16 Kilometer lange Straße. Vor, neben und hinter uns Kinder, ältere Menschen, Familien, Schnellfahrer, Bummler. Ein bisschen fühlt es sich an, als würde die ganze Stadt zusammen einen Ausflug unternehmen. Für Touristen kommt hinzu, dass praktischerweise etliche wichtige Baudenkmäler der Stadt an der Strecke liegen. Ebenso der größte Park, urbane Kunst und vieles mehr. Aber im Grunde ist es vielmehr die Tätigkeit des Fahrradfahrens an sich in einer im Grunde fahrradfeindlichen Umgebung, welche die ganze Aktion so besonders macht. Eine kurze Pause von Abgasen und Lärm, ein Perspektivenwechsel für ein paar Stunden und eine herrliche Entschleunigung.

Man stelle sich das mal in Hamburg vor! Etwa, dass jeden Sonntag die Straßen rund um die Alster ein paar Stunden für den Autoverkehr gesperrt würden. Allein der Vorschlag wäre mutmaßlich Anlass für die Gründung einer Bürgerinitiative. In Mexiko City wirkt die ganze Aktion jedoch keinesfalls militant, sondern einfach nur entspannt und selbstverständlich. Nur eines sollte man besonders als Tourist bedenken, bevor man allzu schwungvoll in die Pedale tritt: Mexiko City liegt auf mehr als 2000 Metern. Wer nicht gerade Höhentraining machen möchte, sollte es also besser ruhig angehen!