Entschleunigung und Erholung bietet ein Aufenthalt in der griechischen Mönchsrepublik Athos. Zutritt haben hier allerdings nur Männer

    Auf den ersten Blick wirkt Ouranoupoli wie ein normaler griechischer Badeort am Mittelmeer: Traditionelle Tavernen, feiner Sandstrand und jede Menge Wassersportangebote. Aber zwischen den Luftmatratzen und den Postkarten der Souvenirläden stehen frühmorgens Gruppen von Männern in schwarzen Gewändern, viele davon mit langen Bärten. Denn Ouranoupoli ist Grenzstadt und Fährhafen zu den Klöstern in der Mönchsrepublik Athos. Dort leben seit Hunderten Jahren orthodoxe Mönche nach strengen Regeln. Der Verzehr von Fleisch ist ihnen nicht erlaubt, Alkohol verpönt. Frauen ist der Zutritt grundsätzlich verboten. An­hängern anderer Religionen war der ­Zutritt lange Zeit ebenfalls verwehrt. Inzwischen bekommen bis zu zehn Ausländer täglich eine Einreise­genehmigung, das sogenannte Diamonitirion. Das Dokument muss man im Vorfeld beantragen und im Pilgerbüro in Ouranoupoli abholen.

    Das Wesen der Republik hat sich seit Jahrhunderten nicht verändert

    Wer sich davon nicht abschrecken lässt (und ein Mann ist), wird auf der rund zweistündigen Schiffspassage mit Ausblicken auf die schroffe Küste der Halbinsel und die Klöster belohnt. Dominiert wird die Szenerie von dem mehr als 2000 Meter hohen heiligen Berg Athos, der die Mönchsrepublik überragt und ihr den Namen gibt.

    Jedes Jahr besuchen nach Angaben von Pater Theofilos vom Büro der Iera Koinotis (griech.: hl. Gemeinschaft), rund 130.000 Pilger die Mönchsrepublik – Tendenz steigend. Nur relativ wenige davon sind aus Deutschland, obwohl jedes Jahr viele von ihnen in unmittelbarer Nähe in der Ferienregion Chalkidiki Urlaub machen. Durch die strikte Beschränkung der Besucherzahlen und die traditionelle Ausrichtung der Klostergemeinschaft hat sich das Wesen der Mönchsrepublik seit Jahrhunderten kaum verändert. Und das ist auch so gewollt. „Bestrebungen, die Mönchsrepublik attraktiver für Touristen zu machen, gibt es nicht, da dies mit der Gesinnung des Mönchstums nicht vereinbar wäre“, sagt Pater Theofilos.

    Wenn man an einer der kleinen Anlegestellen das Schiff verlässt und ein Kloster zur Übernachtung besucht, wird man von einem Mönch begrüßt. Alle Klöster sind zur Gastfreundschaft verpflichtet und nehmen Pilger wie neugierige Gäste kostenlos für bis zu drei Nächte auf. Dann muss man die halbautonome Republik wieder verlassen. Einer der wenigen ausländischen Besucher, die sich regelmäßig für ein paar Tage bewusst vom normalen Badeurlaub verabschieden und den heiligen Berg besuchen, ist der Berliner Sven Schramm. Seit elf Jahren kommt der 51-Jährige immer wieder hierher. „Jedes Kloster ist anders und jeder Mönch hat eine eigene Ausstrahlung.“ Es falle ihm schwer, nach dem Besuch wieder in der „Außenwelt“ anzukommen. „Alles, was dort geschieht, fühlt sich richtig an und entzieht sich der Überprüfbarkeit“, sagt der Chemielehrer, der nicht religiös ist. Nachdem die Zahl der Mönche auf dem heiligen Berg nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich zurückgegangen war, zieht es seit der Auflösung des Ostblocks nach 1990 vor allem Geistliche aus Bulgarien, Rumänien, Serbien und Russland wieder auf den Klosterberg. Der orthodoxe Glaube erlebt dort eine Renaissance, und es fließt viel Geld in die Restaurierung der Klöster. Trotz dieser Wiederbelebung ist die Mönchsrepublik in erster Linie ein stiller Ort. Im Kloster Dionysiou an der Westküste wird den wenigen Besuchern nach der Ankunft ihre kleine, karge Kammer zur Übernachtung zugeteilt. Dann ist jeder erst einmal für sich allein und kann auf den Balkonen die Aussicht auf das Meer und die Ruhe genießen. Der einzige feste Termin ist ein gemeinsamer Gottesdienst mit den Mönchen. Während des anschließenden Abendessens verliest ein Mönch religiöse Texte. Bei Sonnenuntergang werden die Tore geschlossen.

    Um 4 Uhr geht ein Mönch mit Holzstöcken durch die Klosteranlage, ruft mit einem rhythmischen Klopfen zum Frühgebet. In der dunklen Krypta singen die Mönche ­religiöse Verse, Weihrauch liegt in der Luft. Wenn die Gottesdienstbesucher nach draußen treten, empfängt sie der Sonnenaufgang. Wenig später kommt das Schiff und bringt die Klosterbesucher zurück in den Rummel des Badeorts Ouranoupoli. Schade eigentlich.