Port Stephens. Schlittenfahren in Australien? Kein Problem, sagt Steve und bittet zum Sandboarding – einem rasanten Rodelspaß am Strand.

Die Bucht von Port Stephens, 200 Kilometer nord-östlich von Sydney, ist was für stille Genießer – auf den ersten Blick: Das Wasser ruhig und eben wie eine durchsichtige hellblaue Glasplatte. Darauf liegen regungslos ein paar abgetakelte Segelyachten. Beim Strandspaziergang begleitet uns ein neugierig nebenher paddelnder Pelikan, in den Bäumen flattern und schnattern tuschkasten-bunte Rainbow-Lorikeet-Papageien. Die ganze Szenerie erscheint wie arrangiert für ein nun zu schießendes Urlaubsfoto, das später verewigt wird im selbstgestalteten „Best-of-Australien“-Kalender zum Weiterträumen im heimischen Wohnzimmer bei Schmuddelwetter.

Doch kurz vorm entscheidenden Klick am Kamera-Auslöser schiebt sich plötzlich knatternd ein feuerwehrroter Bus ins Bild. Das so vermurkste Motiv lässt augenblicklich Ärger aufsteigen beim Fotografen, zumal nun auch noch ein Kerl aus dem Bus klettert, offenbar die bestens gelaunte Kreuzung aus Crocodile Dundee und Rumpelstilzchen: Mit speckigem Lederhut, Sonnenbrille und breitem Grinsen hüpft er heran, aufgeregt gestikulierend, „biggest fun“, „great experience“ und „adrenalin“ versprechend – beim Sandboarding. Steven sei sein Name, nach ihm sei der Ort hier benannt – Port Stephens – kalauert er und untermalt diesen Sparwitz mit einem schepperigen Lachen, das man als Soundtrack amerikanischer Comedy-Serien kennt.

Das Bus-Surfen durch die Dünen ist das Vorspiel zum Sandboarding

Diesem Mitschnacker sollen wir in seinen Bus folgen, damit er uns in die nahegelegenen Dünen kutschiert, die wir dann auf einem Holzbrett runter schliddern? „Schönen Dank auch“ würde man solchen Typen zuhause sagen und seiner Wege gehen. Und warum bitte entern wir down under im Fußumdrehen seinen Bus? Weil Steven einer dieser unwiderstehlichen, typisch australischen Gute-Laune-Duracell-Hasen ist: Immer hochtourig aufgedreht, dabei aber nicht Animateur-haft ranschmeißerisch. Kein angeknipstes Kundenfang-Lächeln, seine Augen strahlen authentisch, ja sie brennen förmlich für sein Spaßangebot. Abenteuerlustig ist der 37-Jährige, aber nicht draufgängerisch. Das zeigt sich beim nun folgenden Bus-Surfen durchs Dünen-Mittelgebirge von Nelson Bay, quasi dem motorisierten Allrad-Vorspiel zum Sandboarding: Steven lässt den roten „Coaster“, einen umgebauten Schulbus, in die Senke rutschen, bis alle Insassen kreischen, steuert ihn aber so geschickt durch den Sand, das er nie Gefahr läuft stecken zu bleiben.

Auf der höchsten Düne stoppt er. Wir schauen hinunter in einen Trichter, der an Kiesgruben unserer Kindheit erinnert, nur dass die steile Wand hier aus feinstem Sanduhren-Sand besteht, ohne Steine und Geröll. „Eure Abfahrtsstrecke“, krächzt Steven begeistert drückt jedem von uns eine Art Skateboard ohne Räder in die Hand. „Come on, draufsetzen und losfahren“, feuert er uns an. Gesagt, getan – gestürzt. Schon nach fünf von 50 Metern Abfahrt kippen wir seitlich von den Brettern, kugeln den Steilhang herunter, rappeln uns wieder auf – sofort und komplett paniert: Sand in den Haaren, Augenbrauen, Ohren, in Mund, Ausschnitt und Unterhose. Na super – tolles Abenteuer!

Mit einer Kerze werden die Unterseiten der Boards gewachst

Doch derart aufkeimendes, typisch deutsches Spaßbremsentum grinst und gestikuliert Steven einfach weg. Kaum sind wir die Düne hochgekraxelt, heißt es wieder „auf die Bretter, fertig“ und dann erst mal nicht los. Denn Steven verpasst uns die erste Sandboard-Fahrstunde: Die Fersen unserer Barfüße mit angewinkelten Beinen bitte ab sofort vorne gegen die auf´s Board genagelte Holzleiste stemmen – so verteilen sich Körperspannung und –gewicht am besten längsseits übers Brett. Und damit wir nicht wieder backboards oder steuerboards in diese XXL-Sandkiste plumpsen, müssen wir den „Eagle“ machen. „Hey, das ist cool“, ruft Steven, und schon hocken wir mit ausgebreiteten Armen wie ein gerupfter Adler auf dem Brett. Profis wie Steven lenken es nun durch minimale Arm- und Gewichtsverlagerung. Anfängern wie uns empfiehlt er: Die ausgefahrenen Arme runter, Hände achtern in den Sand krallen, damit steuern und wo nötig, bremsen.

So klappen die nächsten Abfahrten viel besser, quietschend vor Freude, eine Sandstaub-Wolke hinter uns herziehend, brettern wir talwärts und erinnern uns dort sogar noch an Stevens letzte Worte: Bloß nicht die Füße zum Bremsen in den Sand rammen, das gibt Ärger mit den Knien! Längst angesteckt von Stevens Turbo-Temperament und seinem Dünen-Spaß, setzt der quirlige Freak noch einen drauf, wird zum Hackl-Schorsch der Südhalbkugel mit seinem Wachs-Tuning für´s High-Speed-Brettln. Jeder bekommt eine Kerze in die Hand gedrückt, rubbelt damit über die Unterseite seines Boards. Damit geht’s zur Startaufstellung des Familienrennen: Vier Sand-Flitzer kauern auf ihren Brettern, belauern ihre Gegner, bis Steven das Startsignal gibt.

Abends schwärmt keiner von uns über die stille Bucht mit dem Pelikan. Sie hat es am Ende auch nicht in den Foto-Kalender geschafft, sondern ein Bild vom verrückten Steve und seinen Sandbrettern.