Zu Zeiten der großen Weltumsegler gab es nur zwei Motivationen, sich auf lange Fahrt zu begeben – Entdeckung oder Eroberung, oftmals auch beides. Heute bewegen Urlauber die unterschiedlichsten Gründe, eine Seereise anzutreten. Dabei ist es schon ein Kreuz mit den Kreuzfahrten. Denn so richtig recht machen kann es eine Reederei wohl niemandem. Während nach dem Geschmack der einen viel zu viele Häfen angesteuert werden, beschweren sich die anderen, weil ein Schiff an einem Seetag tatsächlich nur auf See ist. Sind den Orientierungslosen die Mega-Pötte mit ihren vielen Decks und Tausenden Passagieren zu unübersichtlich, kann es den Umtriebigen gar nicht groß genug sein. Beklagen manche Passagiere das Fehlen fester Tischzeiten, freuen sich andere, deren Alltag von strikten Terminen diktiert ist, über die Flexibilität an Bord. Und lieben es einige Ladies, endlich mal ihre komplette Abendrobe vorzuführen, sind andere nur allzu froh darüber, dass es auf vielen Schiffen keinen Dresscode mehr gibt.

Wie gut, dass immer mehr Schiffe gebaut werden, die zwar von der Hardware alles bieten, was des Seefahrers Herz begehrt, sich aber von der Software deutlich unterscheiden. Maßgeschneidert für den Passagier der Old School, der nachmittags den Tanzkurs besucht, um am Abend auf dem Parkett zu glänzen und gern an „seinen“ Tisch zurückkehrt, wo er vom Steward mit Namen begrüßt wird, wie auch für den gechillten Typ, der stundenlang im Spa abtaucht, um danach mal kurz ein heißes Formel-1-Rennen im bordeigenen Ferrari-Simulator hinzulegen. Es scheint nicht viele gemeinsame Nenner zu geben, warum Urlauber eine Kreuzfahrt buchen. Noch nicht mal die Liebe zum Meer verbindet heute das bunte Völkchen an Bord. Insider erkennen den Newcomer, der zum ersten Mal im Leben eine Schnupperkreuzfahrt gebucht hat, sofort. Denn nie verschwendet er auch nur einen Blick aufs Meer. Hetzt stattdessen wie aufgescheucht von einem Programmpunkt zum anderen, kommt aber immer zu spät, da er ständig Bug und Heck, Steuer- und Backbord verwechselt, erstmal in die falsche Richtung rennt und nachts gern fremde Kabinentüren aufzuschließen versucht, weil er sich im Deck geirrt hat.

Wie lässig genießen dagegen die Stammfahrer ihr Schiff. Kennen sämtliche Tricks, um Warteschlangen beim Fototermin mit dem Käpt’n zu vermeiden oder sich die besten Plätze bei der Show zu sichern, treten zur Rettungsübung bereits mit perfekt geschnürter Schwimmweste an und geben gefragt oder ungefragt ihr geballtes Wissen für den nächsten Landgang weiter. Den sie selber gar nicht antreten, weil sie den Hafen schon so oft angelaufen haben. Und während die Newcomer sich in vollen Bussen zu ihren meist überteuerten Ausflügen kutschieren lassen, haben die Genusskreuzfahrer ihr Schiff ganz für sich allein.