Australien ist nicht nur staubtrockenes Outback. Das können Touristen vor allem in Queensland sehen – einer ertragreichen Region.

Das wäre doch ein langweiliges Leben, wenn immer alles klappt. Der Weg zum Erfolg ist nichteinfach, geradeaus und eben.“ Jason Jaques weiß, wovon er spricht. Seine Eltern Nat und Linda verließen in den 70er-Jahren wegen der instabilen politischen und angespannten Sicherheitslage Tansania, wo sie am Kilimandscharo eine Kaffeeplantage betrieben hatten, in Richtung Australien. Im Norden des Bundesstaates Queensland fanden sie in den Ather­ton Tablelands ideale klimatische Bedingungen und fruchtbaren Boden für den Neustart. Der hielt an bis zur Rezession im Jahr 1986. Die Zinsen stiegen auf 22 Prozent. Die Jaques hatten Schulden aufgenommen. Ihre Ernte durften sie auf Druck der Gläubigerbanken nicht mehr einbringen. Bankrott.

Pioniergeist macht die Australier aus

Nächster Anlauf 1990. Fünf Jahre später machte sich die Papaya-Fruchtfliege in der Region breit. Sie befällt keine Kaffeebäume – dennoch ließen die Behörden die bisher insektizidfreie Plantage der Jaques mit Giften einnebeln. Gegen deren Protest und mit der Folge, dass ihre 50.000 Kaffeebäume hinüber waren. Aber Aufgeben gilt nicht. Noch mal auf Anfang. Und erfolgreich. Die heute von den Söhnen Jason und Robert gemanagte Plantage verfügt über 85.000 Kaffeebäume, einen entsprechenden Maschinenpark, modernste Bewässerung – und stellt natürlich exzellenten Kaffee her. Wovon man sich direkt vor Ort (www.jaquescoffee.com.au) überzeugen kann.

Die Geschichte der Jaques mag typisch sein für den Kontinent. Gefragt waren immer Pioniergeist, eine positive Grundeinstellung – und ein entspanntes Herangehen an die Herausforderungen des Lebens. Hier in Queensland hat ­diese Mixtur an Charaktereigenschaften eine Vielfalt an landwirtschaftlicher Kultur hervorgebracht, die viele vom fernen Europa aus, wo der fünfte Kontinent vor allem für sein endloses und staubtrockenes Outback oder die fantastische Unterwasserwelt des Great Barrier Reefs bekannt ist, nicht vermuten. Auf den 600 bis 800 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Atherton Tablelands gedeihen außer Kaffee auch Tee, Mangos, Papayas, Zuckerrohr, Macadamianüsse und manches mehr. Auch Milchviehwirtschaft wird betrieben. Wir befinden uns in einer der landwirtschaftlich ertragreichsten Gegenden Australiens.

Yungaburra ist ein pitoreskes Örtchen in Queensland

Viele der Betriebe haben sich für Gäste geöffnet. Sie können auf eigene Faust besucht werden. Oder der Reisende vertraut sich Warwick James an, einem ehemaligen Piloten, der Fremde jetzt mit seiner Food Trail Tour (www.foodtrailtours.com.au) charmant, gekonnt und zielsicher zu den interessantesten – und Genuss verheißendsten – Orten der Tablelands führt.

Zentraler Ausgangsort für Ausflüge ist das Städtchen Yungaburra, einst die Heimat von Holzfällern, die zunächst die wertvollen Tropenhölzer dem Regenwald entrissen haben und später mit großflächigen Rodungen Flächen für die Viehwirtschaft frei machten. Das ist längst vorbei. Geblieben ist ein pittoresker Ort mit etwa 900 Einwohnern, der über die meisten denkmalgeschützten Häuser Queenslands verfügt.

– darunter das heute etwas überdimensioniert wirkende Pub mit Hotel, das noch immer einen Hauch von Pionierzeit versprüht.

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Aber auch in dieser geradezu europäisch kultivierten und bewirtschafteten Region ist die Wildnis nicht weit. Genau genommen genügt ein Sprung über den Straßengraben – oder besser ein paar Schritte auf einem markierten Wanderweg oder einer Nebenstraße, um im Regenwald zu stehen. Was giftige Pflanzen und Tiere betrifft, eilt Australien ein geradezu erschreckender Ruf voraus. Nun ist es nicht so, dass des Wanderers Füße ständig von todbringenden Reptilienoder Spinnen umkreucht würden. Ein wenig Vorsicht oder Kenntnis der einheimischen Flora und Fauna kann aber nicht schaden, um missliebige Kontakte zu vermeiden.

Dabei helfen kann Alan Gillanders (www.alanswildlifetours.com.au), der zum Beispiel vor den Tücken des Stinging Trees, verharmlosend Gympie oder australische Brennnessel genannt, warnt. Jenes Bäumchen mit den herzförmigen Blättern hat mit seinem für monatelange irrsinnige Schmerzen verursachenden Gift schon manchen Unachtsamen oder Unkundigen in den Wahnsinn bis hin zum Selbstmord getrieben. Genauso gern zeigt Alan aber den ganz überwiegend harmlosen Teil der Flora und Fauna. Darunter das seltene Schnabeltier oder bei einer Nachtwanderung Possums, die, werden sie in der Baumkrone angeleuchtet, verharren und so erstaunt zurückblicken wie der dahergelaufene Europäer.Mittlerweile, weiß Alan zu berichten, werden Landstriche wiederaufgeforstet, um Waldgebiete miteinander zu verbinden und den Tieren des Regenwaldes mehr Bewegungsfreiheit zu geben.

50 Kilometer weiter nördlich – die Höhenstufen der Tablelands sorgen für rasche Wechsel der Landschaft und des Mikroklimas – weht ein Hauch von Af­rika. Würden nicht die allgegenwärtigen Kängurus der Gattung Eastern Grey durchs Gebüsch hüpfen. Es ist heiß und trocken, statt Agrikultur herrscht das Buschwerk des Outbacks vor, Termiten scheinen die Gegend zu lieben und haben für eine erstaunliche Bebauungsdichte mit ihren fensterlosen Wohnblocks gesorgt.

Vor 20 Jahren wurden hier auf Initiative des Briten Tim Nevard und unter Beteiligung der örtlichen Honoratioren einige Wasserläufe angestaut, die früher der Versorgung der Viehtracks dienten. Entstanden sind die Mareeba Wetlands, eine Lagune, die unzähligen Pelikanen und anderen Wasservögeln als Heimat dient, und eine völlig andere Farbe und Atmosphäre ins Spiel bringt, als sie in denlandwirtschaftlich dominierten Regionen oder weiter nördlich im geschlossenen Regenwald vorherrscht. Von der Jabiru Safari Lodge (www. ­jabirusafarilodge.cm.au) lässt sich das Treiben auf der Lagune beobachten – oder einfach die Stille genießen.Wer mag, nimmt auch eine Auszeit für mehrere Tage und übernachtet hier in Zelten.

Noosa an der Sunshine-Coast

Der Vielfalt auf engstem Raum nicht genug:Nur eine Autostunde weiter wartet Port Douglas mit seinen Stränden und Marinas auf Badegäste und Wassersportler. Exklusive Hotels und Apartments allenthalben. Cafés, Bars und ­Geschäfte laden ein. Surfer schlendern über die Trottoirs. Noch lässiger sehen sie natürlich aus, wenn sie die endlos langen Wellen des Pazifiks reiten. Vor den coolen Ritt hat der Herrgott aber den Surfkurs gesetzt. Chris Kendall (www.coolumsurfschool.com.au) kann helfen. Auch so ein Aussie-Selfmademan, der mit dem Auto seiner Mutter und einem einzigen Brett angefangen hat, heute 40 Leute beschäftigt und auch den blutigsten Anfängern die Grundlagen des Wellenreitens beibringt. Nur sieht das – wenn man kein Naturtalent oder einfach schon etwas zu alt für dererlei Sport ist – am Anfang alles andere als elegant aus, immer und immer wieder sein Board gegen die Wellen hinauszuschieben, mühsam aufzuspringen, nur um sofort danach ins flache Wasser zu plumpsen. Aber wenn alles gut geht, steht man irgendwann auf dem Brett, verspürt die Kraft der Welle und ein Glücksgefühl. Wenn auch nur ganz kurz. Bis zur Perfektion bedarf es dann noch einigen australischen ­Pioniergeistes und landestypischer Entspanntheit.

Mangoverkäufer auf dem Markt des einstigen Holz­fällerstädtchens Yungaburra. Dort starten auch Food Trail Tourents.
Mangoverkäufer auf dem Markt des einstigen Holz­fällerstädtchens Yungaburra. Dort starten auch Food Trail Tourents. © Getty Images/Lonely Planet Images | Paul Dymond

Die lässt sich wohl nirgendwo besser inhalieren als in Noosa, jenem Badeort an der Sunshine Coast, der mit dem Slogan australisches St. Tropez wirbt. Was insofern sinnvoll ist, als Europäer damit einen Badeort mit Ausstrahlung und einer gewissen Exklusivität verbinden. Noosa hat aber natürlich keinen mittelalterlichen Ortskern und keine Schickeria mit Stammbaum zu bieten. Dafür die ungleich schöneren und größeren Strände sowie moderne Hotels und – natürlich – ein ganz entspanntes und überaus freundliches Flair.

Und eine Attraktion, die europäischen Naturschützern möglicherweise den Schweiß auf die Stirn treibt: den Great Beach Drive (www.surfandsandsafaris.com.au). Gleich jenseits der Mündung des Noosa Rivers beginnt die etwa 200 Kilometer lange Strecke befahrbaren Strandes. Die Idee ist nicht neu. Als es noch keine Straßen in der Gegend gab, war der Strand der natür­liche Verbindungsweg. Die Verwaltung hat aus dem Gewohnheitsrecht eine Tugend gemacht und vergibt nun Lizenzen für eine bestimmte Zahl von Fahrzeugen und zum Camping. Und Verkehrsregeln gelten natürlich auch. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 80 Kilometer in der Stunde, vor Campinggebieten bei 50. Schon ein außergewöhnliches Erlebnis.Die Rückfahrt bei Flut ist nicht weniger spannend als die flotte Hinreise auf festem Meeresboden. Der trockene und lose Sand fordert Aufmerksamkeit und eine Menge Erfahrung. Angesichts eines liegen gebliebenen Vehikels meint Fahrer Greg: „The concept is not to stop.“ Nicht stehen zu bleiben ist auch die Grundidee der Australier – mit der sie sich ein Traumland geschaffen haben, in dem sich der Gast rundum wohlfühlen kann.

So wie die farbigen Sande am Rainbow Beach. Ihre ganze Pracht entfalten sie erst in Verbindung mit Wasser, vom strahlenden Gelb über sattes Ocker bis zu dunklen Rot- und Blautönen. Die Ureinwohner nutzten die Pigmente für ihre Kunst. Die meisten modernen Australier kennen das Phänomen offensichtlich längst und genießen derweil das erste Bier des Tages und werfen ihre Angeln aus in den Ozean.