Knud Remmer, ehemaliger Krabbenfischer und norddeutsches Original, ist der Hüter des Leuchtturms am Sylter Südkap

Ein Mann wie ein Baum – oder besser gesagt: wie ein Leuchtturm – begrüßt uns mit kräftigem Händedruck und festem Blick, „klaar kimming“, wie es auf Sylt heißt. Ein Nordfriese wie aus dem Bilderbuch, der früher mit seinem Kutter so manchen Sturm überstanden hat, bis er eines Tages im sonnigen Süden von Sylt in einen sicheren Hafen eingelaufen ist. Und das gleich im doppelten Sinne.

Der Reihe nach: Knud Remmer, in Tönning auf der Halbinsel Eiderstedt geboren, gelernter Maschinenbauer, war in jungen Jahren vor der deutschen Nordseeküste auf Krabbenfang unterwegs, ein Fischer mit Leib und Seele. Erst als ihn eines Tages der Wind in den Schutzhafen von Hörnum gepustet hat und ihm dabei Annegret, eine echte „Sylter Krabbe“, über den Weg lief, wurde er sesshaft. Das ist 40 Jahre her, und seither sind die Remmers in Hörnum so fest verwurzelt wie der Leuchtturm an der Sylter Südspitze, den Knud Remmer seit 2011 im Auftrag des Touristik Service Hörnum betreut.

Mindestens 20-mal pro Woche steigt der Hüne mit dem Seemannsbart 138 Stufen auf die Spitze des markanten Turms. Das, so versichert der 65-Jährige glaubhaft, hält jung und fit. Dass an der Südspitze von Sylt seit 108 Jahren überhaupt ein Leuchtfeuer über 20 Seemeilen hinweg den Weg weist, hat Hörnum wohl nicht zuletzt dem legendären Hapag-Direktor Albert Ballin zu verdanken. Er ließ um die vorige Jahrhundertwende eine Seebrücke errichten, an der seine Schnelldampfer aus Hamburg anlegen konnten, wenig später, 1901, auch einen Inselbahnhof, von dem aus seine Passagiere Anschluss an den Dünen-Express nach Westerland hatten.

Remmer weiß alles über die Dampfloks und die späteren Leichttriebwagen von Borgward. Spannend und, wenn es sein muss, stundenlang kann er natürlich erst recht von der die Befeuerung an den Sylter und anderen Küsten des Nordens zu erzählen. So nennen die Fachleute alle „ortsfesten Lichtsignale“ zur Navigation in der Schifffahrt. Und wenn wirklich mal eine Frage offen bleibt, hat Knud mit einem Augenzwinkern trotzdem eine Antwort parat. Er berichtet dann zum Beispiel, am liebsten auf Platt, über seinen angeblichen Dauerdisput mit Annegret, welcher Leuchtturm denn der schönste sei, der in Westerheversand in seiner Heimat Eiderstedt oder der in Hörnum.

Für den Eiderstedter Turm, das wohl meistfotografierte Gebäude im ganzen Norden, spricht die Alleinstellung im flachen Land, flankiert von zwei alten Wärterhäuschen. Der ebenfalls rotweiß-geringelte Hörnumer Leuchtturm hingegen, das betont natürlich die Hörnumer Lokalpatriotin, schaut wie kein anderer malerisch aus den Dünen heraus, die jetzt gerade grün und ginstergelb leuchten. Baugleich sind sie sowieso. Wie auch der Pellwormer Turm wurden die markanten Seezeichen 1906/1907 errichtet, aus vorgefertigten, gusseisernen Segmenten von der Isselburger Hütte am Niederrhein.

Wenn die Eheleute eigentlich schon quitt sind, zieht Knud gern noch ein As aus dem Ärmel, das den Hörnumer Leuchtturm von allen anderen in Deutschland, womöglich sogar in der Welt, unterscheidet. Er Der Hörnumer Leuchtturm weist nicht nur Seeleuten und Fischern den richtigen Weg, sondern war auch einige Jahre lang Klassenzimmer für kleine Hörnumer: Von 1927 bis 1933 war auf der ersten Etage, 20 Stufen hoch, die einzige Schule innerhalb eines Leuchtturms untergebracht; maximal sechs Kinder unterrichtete Lehrer Levi seinerzeit dort oben. der Klassenraum mit Bänken und Stühlchen ist erhalten geblieben, ebenso Fotos der Schüler.sittsamer Jungen im Matrosenanzug und braver Mädchen mit Schleifen im Haar.

Ein paar Stufen höher beginnt noch heute, wenn auch unter anderen Vorzeichen, der Ernst des Lebens. Im kleinen Standesamt-Ableger, einem winzigen Rund, in dem nur Stühle für die Brautleute und eine Beamtin Platz haben, geben sich jede Woche mindestens 14 Paare das Ja-Wort, mehr als 4000 seit 2003. Knud Remmer koordiniert die Termine, die das Standesamt Sylt vergibt, sorgt dafür, dass der Rahmen in und auf „seinem“ Turm unvergesslich bleibt und zieht sich diskret zurück, wenn einige Herren noch vor der Trauung, mit Blick auf Hörnum, Hafen und Meer, ihrer Liebsten den Heiratsantrag ins Ohr flüstern wollen, oft genug gegen den Wind.

Eine Leuchtturm-Trauung kostet mindestens 300 Euro. Dagegen ist mit gerade mal fünf Euro Gebühr der touristische, höchst informative Weg nach oben deutlich günstiger, Remmersche Erklärungen zu Betrieb, Befeuerung und den historischen Bildern ebenso inklusive wie Schnacks und Döntjes. Der Blick aus knapp 50 Metern Höhe – 33 Meter Turm plus Düne – – der Turm selber misst 33 Meter plus Betonsockel, steht aber auf einer mehr als sieben Meter hohen Düne – ist atemberaubend, nicht zuletzt, weil es dort oben in der Regel heftig windet.

Knud Remmer macht mit seinen Gästen - maximal neun sind erlaubt wegen der Statik - einmal die Runde, zeigt auf auf die großen weißen Häuser, die an den einstigen Seefliegerhorst Hörnum erinnern und erzählt viel Wahres und Witziges aus der Geschichte des südlichsten Sylter Seebades und der Hörnum-Odde, dieser dramatisch schönen Heide- und Dünen-Landzunge, die so oft schon nach verheerenden Sturmfluten viel Boden ans Meer verloren hat.

Wie bei den Brautleuten im kleinen Hochzeitszimmer, „fügen sich“, wie es ein Gast mit poetischer Ader einmal formuliert hat, für viele Besucher sowohl beim Blick von unten als auch von ganz oben, „Himmel und Erde perfekt zusammen“. Und nur zu gern stimmt Knud Remmer einem anderen Touristen zu, der seine kleine Gruppe in luftiger Höhe daran erinnerte, wie sehr ein jeder Leuchtturm, immer an der magischen Grenze zwischen Land und Meer, für Weite und Perspektive, für Fernweh und Freiheit, für Sicherheit und Beständigkeit steht - erst recht, wenn es so ein Bilderbuchturm wie der vom Sylter Südkap ist.