Der Herbst ist Kreuzfahrt-Zeit. Es gibt viele lohnende Ziele in Europa und Übersee – die Hamburger zieht es von allen Deutschen am häufigsten aufs Meer

Schmuddelwetter und trübgraue Tage, da ist der Herbstblues fast schon programmiert. Aber wie wäre es stattdessen damit: Sonne auf der Haut, Wind im Haar, Champagner im Glas, Meer bis zum Horizont? Klingt schon besser. Klingt nach Kreuzfahrt.

Der Herbst ist die perfekte Zeit, eine Seereise anzutreten. Die „Rennstrecken“ im Mittelmeer zwischen Italien, Frankreich und Spanien plus Mallorca sind nicht mehr so überfüllt, weil jetzt viele Schiffe die Saison in Europa beenden, um in wärmeren Regionen zu überwintern. Costa, MSC und Aida sind dann aber immer noch dort unterwegs, mit so manchem Schnäppchen für Kurzentschlossene im Angebot. Zudem herrschen zum Beispiel auf Sizilien bis Ende Oktober spätsommerliche Temperaturen. In Barcelona, Neapel und Marseille ist es meistens auch noch sonnig und warm – ideal, um auf ausgedehnten Landgängen die zahlreichen Sehenswürdigkeiten zu erkunden.

Lauffaule möchten vielleicht lieber die Vorzüge ihres schwimmenden Hotels genießen. Freestyle Cruising nennt sich das Konzept der „Norwegian Epic“. Keine Kleidungsvorschrift, keine festen Essenszeiten, völlig entspannt kann jeder der 4100 Passagiere seine Kreuzfahrt gestalten. Sicher auch auf dem Törn von Southampton über Lissabon nach Barcelona vom 19. bis
25. Oktober (ab 821 Euro, ohne Flug). Die „Epic“ ist bekannt für bestes Entertainment, das Nachtleben spielt sich in 20 Bars und Lounges ab. Feinschmecker haben die Wahl unter 23 Dining-Optionen.

Selbst im November lässt sich an Bord noch Sonne tanken, ohne für An- und Abreise endlose Flüge buchen zu müssen, zum Beispiel bei einer Kreuzfahrt ins westliche Mittelmeer oder rund um die Kanaren und Madeira. Zwölf Tage tummelt sich dort die „Queen Elizabeth 2“, ab 7. November von und bis Southampton (inklusive Flüge ab 1380 Euro.) Mit ihrem mitternachtsblauen Rumpf, schneeweißen Aufbauten und rotem Schornstein erinnert sie an das goldene Zeitalter der Seereisen, very british, mit klassischem Afternoon Tea im Ballsaal. Der Dresscode ist täglich vorgegeben, und spätestens zur Cocktailstunde haben sich alle gehörig in Schale geworfen. Charmant: Alleinreisende Damen unter den 2058 Passagieren werden von „gentlemen hosts“ zum Walzer gebeten. Auch Transatlantik lohnt sich: 19 Tage dauert die Reise auf der „Island Princess“ von Venedig über Barcelona und die Azoren nach Fort Lauderdale in Florida (6. bis 25. November, ab 1266 Euro, ohne Flug). Mit knapp 1000 Kabinen ist der Ozeanliner nicht zu gewaltig. Langweilig dürfte es an Seetagen auch nicht werden. Das Lotus Spa bietet einen großen Fitnessbereich mit Meerblick, im geräumigen Theater werden abends aufwendige Shows im Broadway-Stil aufgeführt.

Wer bei seiner Reiseplanung flexibel ist, kann bis zu 70 Prozent sparen

Kurs auf Indien setzt die „AidaBella“ am 2. November. Von Antalya in der Türkei geht es durch den Suezkanal über den Oman bis nach Cochin in Indien (bis 17. November, ab 1395 Euro, ohne Flug). Das Gutelaune-Schiff vom deutschen Marktführer Aida Cruises verfügt über 1025 Passagierkabinen. Spektakulärer Mittelpunkt des Schiffes ist das Theatrium, das über drei Etagen reicht. Reichlich Platz bleibt auch für Sport und Spa: Die Body & Soul Wellness Oase misst 2300 Quadratmeter.

Viele Reedereien aktualisieren ihre Preise täglich und haben flexible Last- Minute-Tarife, die sich an den Kapazitäten orientieren. Wer allerdings bei der Reiseplanung nicht an feste Termine gebunden ist, kann im Vergleich zu den Katalogpreisen bis zu 70 Prozent sparen. Denn schließlich wollen die Kabinen belegt sein. Und davon gibt es immer mehr. 448.729 Betten betrug die weltweite Kapazität der Kreuzfahrtschiffe im vergangenen Jahr. Bis 2017 sollen 25 neue Schiffe ablegen.

Und die Deutschen fahren immer lieber mit. Im vergangenen Jahr haben so viele Bundesbürger wie niemals zuvor eine Hochsee-Kreuzfahrt unternommen. Insgesamt 2,1 Millionen Deutsche verbrachten ihren Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff, weltweit waren es 23 Millionen. Ganz vorne liegen übrigens die Hamburger. Sie haben die höchste Kreuzfahrer-Dichte und geben für Schiffsreisen am meisten aus. Bei Flussfahrten hält es die Hanseaten mit durchschnittlich mehr als acht Tagen am längsten auf dem Wasser. Das bestätigt eine aktuelle Auswertung des größten deutschen Kreuzfahrtportals Dreamlines. Demnach sollen knapp vier Prozent der Hamburger Kreuzfahrer sein. Im Bundesvergleich haben sie damit die höchste Pro-Kopf-Dichte an Menschen, die ihren Urlaub auf einem Schiff verbringen. Insgesamt waren 2,1 Millionen Deutsche 2014 als Passagiere unterwegs, weltweit sind es 23 Millionen. Die Datenbasis beruht auf etwa 100.000 von Dreamlines ausgewerteten Datensätzen.

Der Boom hält an, kaum eine Tourismussparte kann sich eines derart konstanten Zuwachses erfreuen wie die Kreuzfahrten. Acht neue Schiffe stechen 2016 in See – mit einer Gesamtkapazität von mehr als 23.000 Passagieren. „Ein besonderes Augenmerk legen die Reedereien derzeit auf Familien“, erklärt Steffen Harting, Managing Director von Dreamlines. So führt die Holland America Line Familienkabinen ein, die Carnival Vista eine spezielle Family Zone für Passagiere, die die Family Harbour-Kabinen buchen, Reedereien wie TUI Cruises und Aida bieten Kinderprogramme.

Die großen Reedereien übertrumpfen sich mal wieder selbst“ sagt Harting, „zum Beispiel mit dem ersten IMAX-Filmtheater auf der Carnival Vista.“ Dort erstreckt sich eine 3D- Leinwand über drei Decks. Auf einem Fahrradparcours radeln die Gäste im Liegen an der Bordwand entlang.

Aktivitäten an Bord werden immer belieber und auch häufiger angeboten. Auf der „Ovation of the Seas“ sollen unter anderem ein Autoscooter, Rollschuharena, Basketballplatz und Zirkusschule für Abwechslung sorgen. Nach dem verschobenen Start verspricht die „AidaPrima“ – mit 3300 Reisenden das größte Schiff im deutschsprachigen Kreuzfahrtmarkt –, dem Trend auf Schiffen mit einem Infinity Pool gerecht zu werden. Nervenkitzel verheißt ein gläserner Skywalk, der weit über die Bordwand hinaus ragt. Die längste Wasserrutsche an Bord eines Schiffes befindet sich auf der „Harmony of the Seas“. Sie erstreckt sich mit 30 Meter Länge über zehn Decks. Außer Eislaufbahn und Kletterwand richtet Royal Caribbean International das schnellste Internet auf See ein.

„Viele Deutsche möchten die Gesamtkosten von Anfang an im Blick haben“, erklärt Steffen Harting „und buchen daher am liebsten all inclusive. Mit 173 Euro pro Tag als Durchschnittspreis zahlt der Deutsche am meisten.“ Auch hier liegen die Hamburger wieder ganz vorne. Im Schnitt lassen sie sich ihre Schiffsreise
186 Euro pro Tag und Person kosten.

Der Online-Kreuzfahrt-Spezialist hat auch herausgefunden, dass die Deutschen gern auf Nummer Sicher gehen und ihre Seereise als erste buchen. Und zwar bereits fünf Monate im Voraus. Schnäppchenpreise gibt Dreamlines laut Harting eins zu eins weiter: „Teilweise paketieren wir sie zu sehr günstigen Pauschalangeboten mit Flug, Hotel und Transfer.“ Kontingente sichert sich das Portal dort, wo die größte Nachfrage erwartet wird. Die wird bei der Die teuerste Kreuzfahrt mit 2791 Euro pro Nacht wohl eher gering sein. Sie führt mit der „Silver Explorer“ 18 Nächte durch die Antarktis. Dagegen kostet die günstigste Kreuzfahrt auf der MSC „Preziosa“ nur 35 Euro pro Nacht. Sie verläuft fünf Nächte lang im Mittelmeer. Auch das kleinste Schiff der Welt wurde ermittelt – es soll die „Maple Leaf“ (Ikarus Tours) sein, die nur acht Passagiere befördert. 5400 Passagiere können dagegen die Ozeanriesen „Oasis of the Seas“ und „Allure of the Seas“ (Royal Caribbean International) aufnehmen – die beiden größten Schiffe der Welt. Die größte Kabine findet sich auf der „Queen Mary 2“ – und zwar die 209 Meter großen Grand Duplex Apartments. Damit hat Deutschland England überholt und ist tatsächlich zum größten Markt für Hochseekreuzfahrten in Europa aufgestiegen.Bei der Wahl der Abfahrtshäfen zieht es Berliner als einzige am häufigsten in die Tropen: Sie starten ihre Reise am liebsten ab Miami. Dagegen bevorzugen die Einwohner der meisten anderen Bundesländer eine Hochsee-Kreuzfahrt ab Kiel und Hamburg. Bayern, Baden-Württemberger, Hessen und Saarländer hingegen wählen am liebsten Schiffsreisen mit Startort Venedig. „Das muss nicht unbedingt mit der geografischen Nähe zu tun haben“, erklärt Felix Schneider, Gründer des größten deutschen Kreuzfahrtportals Dreamlines: „Zumal es eine besonders große Auswahl an Angeboten ab der italienischen Lagunenstadt gibt.“ Für Flusskreuzfahrten ist Passau an der Donau in Bayern die mit Abstand beliebteste Ablegestelle der Deutschen.

Und wohin geht die Reise bei den Kreuzfahrtpassagieren? Die große Mehrheit der deutschen Kreuzfahrer bereist bislang am liebsten europäische Fahrtgebiete. Mehr als ein Drittel der deutschen Passagiere (36 Prozent) schipperte 2014 durch Nord- und Westeuropa sowie über die Ostsee, gefolgt von der Mittelmeerregion (32 Prozent). Trotz des Booms bleibt die Zahl derer groß, die noch nie einen Fuß an Bord eines Kreuzfahrtschiffes gesetzt haben. Um bislang Unentschlossene zu ködern, bieten die Reedereien zunehmend Schnupperkreuzfahrten an. Keine schlechte Möglichkeit, um ein paar Tage Resturlaub einmal anders abzubauen. Relativ günstig ist es obendrein. Ein Drei-Nächte-Törn durch das Mittelmeer auf der MSC „Divina“ wird bereits ab 165 Euro angeboten (17. bis 20. Oktober, ohne Flug). Von La Spezia in Italien führt die Reise über Barcelona und Cannes nach Civitaveccia bei Rom. Das italienische Schiff ist ein Gigant der Meere: 1313 Crewmitglieder stehen bei voller Auslastung 3959 Passagieren gegenüber.

Wer ohnehin vorhat, in die USA zu reisen, sollte vielleicht vorher einen Blick auf die oft recht preiswerten Karibik-Kurztrips der großen US-Reedereien werfen. Eine viertägige Sonnenreise Miami – Bahamas – Miami auf der „Majesty of the Seas“ (2744 Passagiere) kostet zu unterschiedlichen Abfahrtzeiten im Herbst ab 286 Euro.