Für ausländische Touristen hat sich nicht viel geändert. Ihre Bankkarten werden akzeptiert, die Preise sind für Urlauber günstig

Von Dagmar Gehm

Morgens in der Agora, der Markthalle in Chania. Noch strömen die Urlauber nicht in den kreuzförmigen Bau, Wahrzeichen der Hafenstadt und einstigen Hauptstadt (1841 bis 1971) im Westen von Kreta. Noch hat Dolores Ormeni, Tochter einer Spanierin und eines Griechen, nichts eingenommen an ihrem Stand 25/27, wo sie lokale Produkte verkauft – Honig, Wein, Olivenöl und Naturkosmetik. Viel wird es auch nicht mehr werden an diesem Wochentag. „15 Prozent minus habe ich seit 1. Mai gemacht“, klagt die 37-jährige Marktbetreiberin. „Die griechischen Familien vom Festland kommen dieses Jahr nicht in den Sommerferien auf ihre Lieblingsinsel sondern bleiben zuhause und warten ab. Das spüren wir hier sehr.“

Weniger zögerlich geben ausländische Urlauber ihr Geld in Griechenland aus. Wie das Auswärtige Amt mitteilt, bleiben die Geschäftsbanken zwar vom 29.6. bis 6.7. geschlossen, für von ausländischen Geldinstituten ausgegebene Bankkarten gelten vorerst aber keine besonderen Beschränkungen im Hinblick auf die Höhe der Geldabhebungen. Das Limit hängt nur vom Vertrag ab, der mit der Bank in Deutschland im Hinblick auf Abhebungen im Ausland geschlossen wurde.

„Wir haben zwar genügend Bares mitgebracht,“ berichten Mark und Sarah Krüger aus Bielefeld, die im Ferienresort Avra Imperial in Kolymbari Urlaub machen. „Trotzdem ist es für uns beruhigend zu beobachten, dass es an den drei Geldautomaten in der Nähe des Hotels keine Warteschlangen gibt.“ Sorgen macht sich Mark Krüger, der geschäftlich in Hamburg zu tun hat, nur um den Rückflug. Dass das Flughafenpersonal streikt oder bereits der Transferbus dorthin.

Keine Sorgen brauchen sich Urlauber zu machen, die über einen Veranstalter gebucht haben, versichert Ralf Horter, Vertriebschef der TUI Deutschland bei der Präsentation der Winterprogramme in Chania. „Alle Ausflüge sind bezahlt, Transfers auch. „Die Inselregierung ist gut vorbereitet, die Versorgung sichergestellt. Es besteht auch keine Gefahr für einen Streik an den Flughäfen“. Ein Prozent Plus verzeichnet die TUI 2014 insgesamt in Griechenland, nach Spanien und der Türkei das meistgebuchte Sonnenziel der Deutschen. „Wenn die Krise nicht dazwischen gekommen wäre, könnten wir 2015 sogar ein Rekordjahr verzeichnen,“ sagt Horter.

„Bis Ende Juli reichen unsere Vorräte, die wir für das Hotel eingekauft haben,“ sagt Eftichios Petrakis, General Manager des Avra Imperial. „Was Importware aus dem Ausland betrifft, wird es bei Lebensmitteln auch keinen Engpass geben. Das einzige Problem für uns besteht jetzt darin, dass die Händler statt einmal im Monat bei jeder Lieferung in bar bezahlt werden wollen“. Noch kann der Hoteldirektor den Lohn für seine 200 Angestellten überweisen. „Natürlich machen sie sich Sorgen“, sagt er. Doch bisher gab es – wie in fast allen Hotels auf Kreta – auch keine Stornierungen: „Die 328 Zimmer sind zu 98 Prozent gebucht“.

Weit entfernt von den Sorgen sonnen sich seine Gäste am Strand von Kolymbari, der ziemlich tief in die türkisblaue Ägäis abfällt. „Wir dürfen den Kies nicht mit Sand aufschütten, weil er wegen der Eiablage von Wasserschildkröten unter Naturschutz steht“, sagt Petrakis.

Dafür hat der Strand für seine Sauberkeit das Gütesiegel „Blaue Flagge“ erhalten.

Doch für reinen Strandurlaub wäre ein Besuch der Griecheninsel ohnehin zu schade. Die meisten sehen sich zwischen Kirche und Kultur die Highlights von Kreta an, wie den Palast von Knossos, die Festung von Rethymnon, das Kloster Arkadi, das Archäologische Museum in Heraklion oder die Ausgrabungen von Phaestos. Sie gehen auf Jeeptour durch das grüne Hinterland, probieren kretischen Wein auf verschiedenen Gütern, schlendern am alten Hafen von Chania mit dem dem venezianischen Fort Firkas an dem einen und dem Kuppelbau der Janitsharen-Moschee, die heute als Kunsthaus dient, am anderen Ende. Wie Perlen an der Schnur reiht sich an der Uferpromenade eine Taverne, ein Restaurant, ans andere. 1,90 Euro kostet ein griechischer Kaffee inklusive Blick auf den markanten Leuchtturm. In dem alten Kafeneion gegenüber dem Eingang zur Agora, wo wie eh und je an wackeligen Holztischen die Männer über Fischfang und Politik diskutieren, wird nur 1,50 Euro verlangt.

Ausflugs- und Glasbodenboote bringen Touristen zu den fischreichsten Plätzen, doch immer weniger Gäste beißen an. Immer schlechter gehen auch die Geschäfte in der Ledergasse, wo Schuhmacher und Händler ihre Preise senken müssen. Für die Besucher ein Schnäppchen, für die Hersteller ein Kraftakt. Wie für Irene, die ihren Nachnamen lieber nicht nennen will und keine Kreditkarten akzeptiert: „Seit den 40ern führt unsere Familie schon das Geschäft. Noch nie waren wir so verwirrt. Jeden Tag erreichen uns widersprüchliche Nachrichten. Ich glaube, dass wir Griechen statt 60 Euro täglich bald noch weniger aus dem Automaten ziehen dürfen.“

Für Rentner Yannis kein Problem. Er glaubt, dass mit 60 Euro das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Der ehemalige Ingenieur hat sich in die Schlange am Geldautomaten der National Bank in Chania eingereiht. „Für meine Frau und meine beiden Töchter sind je 60 Euro genug. Das macht ja allein für mich insgesamt 1.800 Euro im Monat. Meine Rente beträgt aber nur 800 Euro. Soviel kann ich ja gar nicht ausgeben.“

Dolores Ormeni, die mit Mutter und Tochter zusammenwohnt, sieht es ganz anders: „Ich habe Angst vor der Zukunft. Nach dem ersten politischen „Erdbeben“ habe ich Geld abgehoben und es an einem sicheren Platz aufbewahrt. Damit ich selber auch irgendwann mal wieder verreisen kann.“