Seitdem Russland die Halbinsel im schwarzen Meer annektiert hat, werden Reisen dorthin kaum noch angeboten.

Es gibt viele Gründe, die Krim zu besuchen: die malerische Küstenlinie, historische Badeorte, die Kultur der Tataren, die Legende von den Potjomkinschen Dörfern, Krimsekt oder – 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – den Jahrestag der Konferenz von Jalta, bei der die Staatspräsidenten Churchill, Roosevelt und Stalin die Neuordnung Europas festlegten. Tatsächlich aber reisen im Moment kaum Urlauber aus dem Westen auf die Halbinsel im Schwarzen Meer. Seitdem Russland die Krim Anfang vergangenen Jahres von der Ukraine annektiert hat, ist sie faktisch von der touristischen Landkarte verschwunden – zumindest aus Sicht Europas.

„Zur Saison 2015 haben wir die Krim aus dem Katalog genommen“, sagt Astrid Beck, zuständige Produktmanagerin bei Dertour.

Der Liwadija Palast, in dem 1945 die Konferenz von Jalta stattfand
Der Liwadija Palast, in dem 1945 die Konferenz von Jalta stattfand © Getty Images/Westend61 | Mel Stuart

Aber auch schon 2014 hatte der große deutsche Veranstalter wegen der Krise alle Reisen in die Region abgesagt. Kein Einzelfall, wie eine Umfrage des Hamburger Abendblatts ergab. Seit die Europäische Union die Sanktionen gegen Russland Ende 2014 nochmals verschärfte, dürfen organisierte Reisen auf die Krim nicht mehr angeboten werden. Wegen des ungeklärten völkerrechtlichen Status – Deutschland akzeptiert wie die gesamte EU diese Annexion nicht – besteht zudem eine Reisewarnung des Aus­wärtigen Amts. Konsularischer Schutz könne nicht gewährt werden, heißt es auf der Internetseite. Zudem sind alle Direktflüge aus Deutschland gestrichen. Möglich sind Flugreisen nur noch über Moskau, oder man nimmt den weiten und beschwerlichen Weg per Auto oder Fähre.

Kleine Reiseunternehmen verlieren ein beliebtes Ziel und damit Kunden

Vor allem die kleineren Anbieter bringt die neue europäisch-russische Eiszeit in existenzielle Nöte. „Wir haben überlegt, ob wir dichtmachen“, sagt Marten Lange von Dreizackreisen in Berlin. Das kleine Unternehmen, gegründet 2006, ist auf individuelle Reisen in die Ukraine spezialisiert. Vor allem Kulturinteressierte, aber auch Menschen auf der Suche nach familiären Wurzeln, hätten in den vergangenen Jahren für Aufschwung gesorgt. Besonders beliebt: die Krim. Von einem Tag auf den anderen ist das vorbei. Inzwischen managen er und sein Partner den Laden allein, einen Mitarbeiter mussten sie entlassen. „Wir halten uns an die politischen Vorgaben, auch weil wir uns moralisch korrekt verhalten wollen“, sagt Lange. Im zweiten Jahr der Ukrainekrise hat Dreizackreisen sich umorientiert. Neben Reisen in den Westen der Ukraine, etwa nach Lemberg und Odessa, biete das Unternehmen jetzt verstärkt die Ziele Moldavien, Belarus, Albanien oder das Baltikum an.

Einen Aufschwung erleben Städte wie St. Petersburg und Moskau

Auch der Ost & Fern Reisedienst in Hamburg hat die Krim nicht mehr im Angebot, „obwohl es Nachfragen gibt“, sagt Geschäftsführerin Christine Kuhn. Auch die Hamburger wollen nichts riskieren, selbst wenn eine Überwachung der Sanktionen schwierig sei. „Im schlimmsten Fall könnte uns Lizenzentzug drohen“, sagt Kuhn. Inzwischen reisen vor allem russische Touristen wieder in das Schwarzmeer-Eldorado. Die Kontakte nach Westen schlafen merklich ein. Auf der Tourismusmesse ITB in Berlin sei die Ukraine nicht vertreten gewesen, sagt die Hamburgerin Kuhn. Und auf dem Russland-Stand war die Krim nicht präsent. Die Folge: Die mühsam aufgebauten touristischen Strukturen, befürchtet Kuhn, verschwinden wieder.

Krisen-Auswirkungen beklagt auch Jörg Hagenlocher von LI Reisen in Berlin. „Die Nachfrage nach der Ukraine ist tot“, sagt er.

Das Golden Fleece Restaurant in der Bucht von Jalta
Das Golden Fleece Restaurant in der Bucht von Jalta © Getty Images/Photolibrary RM | Getty Images/Photolibrary RM

Mit Folgen für ganze Urlaubssegmente, so sei etwa den Flusskreuzfahren in der Region mit dem Wegbruch der Krim das Highlight verloren gegangen. „Wir haben Schwierigkeiten, weil für Rundreisen in ganz Russland die Nachfrage deutlich gesunken ist, egal ob Transsib oder Goldener Ring“, sagt Hagenlocher. Der Reise­manager beziffert das Minus auf etwa 30 Prozent. Inzwischen beobachtet er hingegen positive Entwicklungen für Städtereisen etwa nach St. Petersburg oder Moskau, wo den Veranstaltern offenbar die Rubel-Schwäche der letzten Monate in die Karten spielt.

Genaue Angaben über die Entwicklung der Tourismuszahlen hat die Russische Botschaft, von dort gab es allerdings trotz schriftlicher Nachfrage keine Antwort.

Ein bisschen anders als die meisten deutschen Reiseveranstalter sieht Holger Schneider von Sputnik Reisen in Berlin die Lage auf der Krim. „Wegen der Sanktionen ist der Kunde verunsichert und verschreckt, aber dort herrscht kein Krieg“, sagt der Geschäftsführer des Ein-Mann-Unternehmens, das schon vor Perestroika und Glasnost Reisen in die Sowjetunion organisiert hat. Individuelle Reisen seien auch jetzt möglich, sagt er. Notwendig ist allerdings ein russisches Visum. Einige kleine spezialisierte Agenturen vermitteln nach Abendblatt-Recherchen weiter auf die Krim. Öffentlich in Erscheinung treten möchten sie nicht. Die Reisen könnten mit einem Wochenpreis von etwa 600 Euro günstiger angeboten werden als früher, weiß Russland-Kenner Schneider, allerdings sei die Versorgung nicht mehr wie früher.