Kühlungsborn bereitet sich auf einen bunten Herbst vor - mit Kunstgenuss, feinstem Naschwerk und klassischer Musik. Da wird's einem warm ums Herz.

Ulrich Langer will das Niveau noch mehr steigern, aber nicht jeden Trend mitmachen. Frank Röntgen backt kleine und große Brötchen und wunderbare Sanddorn-Törtchen. Franz Norbert Kröger bereitet neue Ausstellungen vor und denkt schon ans nächste Gitarrenfestival. Fritz Glasow bietet einen Vorgeschmack auf die Gourmet-Tage im November. Und Marek aus Danzig schleift das Gold des Meeres und erzählt Geschichten aus seinem Leben - Charaktere aus Kühlungsborn, Typen, die für Typisches stehen.

Ulrich Langer zum Beispiel, der neue Chef der Touristik-Service-Gesellschaft. Weder will er "seinen" Ort, in den er 1999 aus dem Sauerland gezogen ist und wo er bislang als Gastronom und Hotelier gearbeitet hat, mit Binz auf Rügen noch mit den Kaiserbädern auf Usedom und schon gar nicht mit Travemünde oder Timmendorf vergleichen: "Wir sind wir, einzigartig, kreativ und voller neuer Ideen. Und gesegnet mit so viel Grün in der Stadt und drum herum wie wohl kein anderes Seebad."

Tatsächlich, der Höhenzug Kühlung, aus dem bei Bastorf Deutschlands höchst gelegener Leuchtturm ragt, ist eine Art mecklenburgisches Mittelgebirge, etwa auf halbem Weg zwischen Wismar und Rostock gelegen. Und auf den großen Stadtwald im Herzen Kühlungsborns, "unser grünes Pfund, mit dem wir wuchern können", wie Langer meint, schauen alle Bewohner der Hotels und Pensionen an der Ostseeallee, die nicht den Blick aufs Wasser gebucht haben. Kühlungsborn schmückt sich deshalb auch mit dem Prädikat "Grüne Stadt am Meer".

Die Geschichte dieses Seebades ist viel älter als sein Name. Erst 1938 wurden die Gemeinden Arendsee, Brunshaupten und Fulgen zu Kühlungsborn verschmolzen. Als 1904 der Verbindungsweg zwischen Brunshaupten und Arendsee, die heutige Ostseeallee, zur Bebauung freigegeben wurde, entstanden die ersten Villen in jenem Stil, den wir heute Bäderarchitektur nennen. Sie mag hier nicht so ziseliert und verspielt sein wie die in Binz oder Heringsdorf. Aber auch sie weist Perlen auf, besonders glänzend an der Promenade, zum Beispiel "Laetitia", das denkmalgeschützte Haus der Kurverwaltung, oder an der Rudolf-Breitscheid-Straße, dem "Flanierboulevard" im Zentrum.

Und es gibt noch mehr Tradition: Seit 1879 liefert die "Privat Conditorei" Röntgen, nach wie vor im Familienbesitz, feinstes Back- und Naschwerk und Torten für jeden Anlass. Frank Röntgen führt heute den Betrieb, der sich über die Originalläden in Kühlungsborn, an der Strandstraße und mit Blick aufs Meer an der Ostseeallee, längst Filialen in Warnemünde, Schwerin und sogar am Alexanderplatz in Berlin gesichert hat. In der Kunsthalle, die der Kulturwissenschaftler Franz Norbert Kröger seit 1991 zu internationalem Renommee geführt hat, wird demnächst wieder Musik vom Feinsten zu hören sein. Und so, wie es Kurgäste gibt, die ihren Kühlungsborn-Aufenthalt immer auf die zweite Augusthälfte legen, in der seit 20 Jahren ein Gitarren-Festival läuft, das die Stars dieser Szene aus aller Welt anlockt, so kommen Klassikfreunde vom 20. bis 24. Oktober zu den Kammermusiktagen in das Jugendstilhaus aus dem Jahre 1908.

Solche Events und ein wachsendes Hotellerie-Angebot in der Vier- und Fünf-Sterne-Liga ziehen anspruchsvolle Gäste an. Thomas Peruzzo, Chef der vor Kurzem eröffneten Hotel- und Spa-Residenz Upstalsboom, will dieser Entwicklung Rechnung tragen. Seine beiden Restaurants hat er nach den alten (und in Kühlungsborn keineswegs vergessenen) Ortsteilen "Fulgen" und "Brunshaupten" benannt, sein Café im Wiener Nostalgie-Stil heißt nach dem dritten Ortsteil "Arendsee".

Heute ambitioniert, morgen rustikal: etwa in der Alten Backstube, seit 1991 ein gemütliches Lokal, vorher mehr als 70 Jahre lang eine legendäre Bäckerei. Oder im Kuddel-Daddel-Du bei Sylvia und Hans Truhn, die zu ihren Klassikern aus der Küche (von der Fischsoljanka schwärmen die meisten Urlauber) "stets eine würzige Brise gratis" versprechen. Eisenbahn-Liebhaber werden das Ambiente in Molli's Lokschuppen am Bahnhof Kühlungsborn-Ost schätzen. Die legendäre Dampfeisenbahn schnauft auch im Oktober noch zehnmal am Tag über die Dörfer und durch die jahreszeitlich gefärbten Wälder nach Bad Doberan.

Der Frühherbst lässt überall im Ort die Sanddorn-Hecken aufleuchten. In den Strandkörben hoffen die Nachsaison-Urlauber auf einen goldenen Oktober. Morgens und nachmittags gehört der Bummel über Deutschlands längste Strandpromenade (3150 Meter) zum Ritual aller Gäste. Die Seebrücke, 1991 wieder aufgebaut, ist dabei ein beliebtes Drehkreuz. Neuerdings ist auch der Bootshafen im Osten der Stadt ein Ziel. Mit Blick auf Yachten aus Dänemark, Holland und allen Teilen der deutschen Küstenregionen, hat sich hier ein zweites, kleineres Zentrum etabliert, mit Cafés, Bars und Läden. Dort arbeitet, in einem zu Werkstatt und Atelier umgebauten Strandkorb, Marek Piaszczinski aus Polen.

Marek ist Bernsteinschleifer, sieht grimmig aus, hat aber den Schalk im Nacken und ist immer zu einem Schwätzchen aufgelegt. Er weiß alles über das Gold des Meeres. Und er freut sich, wenn er Gäste trifft, die seine Heimat Heubude kennen. Auch Stogi, wie dieser Ortsteil von Danzig heute heißt, ist ein Ostseebad, nicht so bunt, nicht so vielfältig wie Kühlungsborn. Aber Marek fühlt sich hier wie dort wohl, spricht von seinem Arbeitsplatz als seiner zweiten Heimat.