Die “Star Clipper“ kreuzt in der Karibik nach Möglichkeit unter vollen Segeln. Da kommt bei Passagieren schnell die erhoffte Seefahrerromantik auf

Eine Bucht wie auf einer dieser kitschigen Postkarten. Weißer Strand, Palmen, türkisfarbenes Wasser, pittoreske Holzhäuschen - und davor ein paar schneeweiße Segelboote vor Anker. Unweit davon liegt noch ein etwas größeres Schiff: 115 Meter lang, mit vier 50 bis 60 Meter himmelhochragenden Masten, die 3365 Quadratmeter Segel tragen können (ein halbes Fußballfeld). Wir ankern in der White Bay, einer Traumbucht auf der einstigen Seeräuberinsel Jost van Dyke inmitten dem Inselgewirr der britischen Virgin Islands in der nördlichen Karibik.

Und dies ist schon das Besondere daran: Wo unser Viermaster ankert - dort kommt keines der riesigen Kreuzfahrtschiffe hin, die zu Dutzenden durch die Karibik pflügen. Denn die Barkentine "Star Clipper" hat lediglich 5,60 Meter Tiefgang, nicht viel mehr als eine 25-Meter-Yacht. Sie bietet gerade einmal 170 Gästen Platz, die von rund 70 Besatzungsmitgliedern aus 24 Nationen betreut werden. Kurz und gut: Die Reederei Star Clippers ("Star Clipper", "Star Flyer", "Royal Clipper") des deutsch-schwedischen Eigners Mikael Krafft bietet nach einigen Jahren der Abstinenz nun wieder eine Kreuzfahrt, die zu den kleineren und kleinsten Inseln der karibischen See führt.

Eine Reise, die auf der mit einem internationalen Airport gesegneten, recht quirligen holländisch-französischen Insel St. Maarten beginnt und in einer Woche über exotische Juwele wie Anguilla, Virgin Gorda, Jost van Dyke und St. Barthelemy zurück zum Ausgangshafen führt. Die zurückgelegte Distanz von 340 Seemeilen ist da eher nachrangig - so viel schaffen die Kreuzfahrtgiganten auf ihren Touren fast in einer Nacht. Nein, auf solchen Großseglern ist der Weg das Ziel. Und es geht darum, ein wenig von der - vermeintlichen - Romantik früherer Seefahrertage mitzuerleben. Hier geht es um jenes Kribbeln und leichte Glücksschauer, wenn die fesche Lady unter Kettengerassel hinaus in den Sonnenuntergang gleitet. Untermalt von dezenten Ahs und Ohs der auf dem Oberdeck versammelten Passagiere und den Klängen der Kolumbusfilm-Hymne "Conquest of Paradise".

"Das hat schon etwas Besonderes", meint zum Beispiel Henry Reetmeyer aus Rissen. Der Professor für Schiffselektronik an der Hamburger FH geht mit Ehefrau Ingrid für eine entspannte Woche auf Kreuzfahrt. "Uns kommt der Sailingcruiser mit geruhsamem Inselhopping gerade recht", berichtet der weitgereiste Hobbysegler mit Blick auf die stramm stehenden Segel und verdächtigem Glanz in den Augen - das mag wohl der tief stehenden Abendsonne geschuldet sein.

Denn mit dem Ankeraufholen geht es zur Sache. Die "Lappen" kommen hoch. Dass sein Schiff wirklich konsequent segelt - wann immer es möglich ist -, dafür sorgt Kapitän Loretto Mancino aus Neapel. Anders als auf manchen seglerischen Attrappen-Cruisern hisst die Crew mit der Routine alter Kap Hoorniers Segel um Segel in den Abendhimmel, vom Jager über dem beeindruckenden Klüverbaum bis hin zum Besan am achterlichen Mast (bestenfalls stehen insgesamt 16 "Tücher"). Ein packendes Erlebnis und immer wieder ein großartiges Bild. Kein Wunder, dass die offensichtliche maritime Freude der Crew schon bald auf die Gäste überspringt, die durchaus mit Hand anlegen dürfen. Auch die Klettertour ins Bugsprietnetz, und wenn es für ein zünftiges Foto ist: kein Problem. Selbst das Aufentern in die 20 Meter hohe Plattform ist - unter Anleitung - gestattet.

Womit wir beim Bordleben wären, das sich vergleichsweise zwanglos darstellt. Das beginnt mit dem lockeren Welcomedrink samt karibischen Häppchen an der Tropical Bar (übrigens die einzige Zapfstelle an Bord), setzt sich fort über großzügige Bekleidungsvorschläge fürs abendliche Dinner (Mann erscheint sportlich-gepflegt, Sakko kann aber muss nicht - Frau präsentiert sich durchaus eleganter) und reicht bis zum Besuch auf der Brücke (jederzeit möglich, außer bei Manövern), um sich Küsten und Kurse erklären zu lassen.

Dennoch ist rasch klar: Eine Backpackertour wird das nicht. Dafür ist die Verpflegung zu gut. Fünf Mahlzeiten am Tag, vom reichhaltigen Frühstück mit stets frisch zubereiteten Wunsch-Eierspeisen über das Mittagsbüffet, die vorabendliche Cocktailstunde, das Dinner mit vielerlei Gängen und sehr ordentlichem Weinangebot bis hin zum obligatem Mitternachtssnack. Die Mahlzeiten nehmen die Gäste ein im viktorianisch anmutenden Salon. Das Abendessen ab 19.30 Uhr findet in einer einzigen Sitzung statt, man kennt keinen Zeitdruck wie auf den großen Kreuzfahrern mit Mehrfachbelegung der Plätze. Eine Sitzordnung gibt es unter Deck ebenso wenig wie an Deck das badetuchbewehrte Reservieren von Liegestühlen.

Zu später Stunde, gegen 22 Uhr, dann das Abendprogramm. Auf der "Star Clipper" keine Show im Theater mit samtroten Sesseln, David Copperfield tritt auch nicht auf. Stattdessen versammelt man sich an der Tropical Bar bei Barkeeper Sasha (aus der Ukraine), sammelt Punkte bei der Rateshow mit Cruisingdirector Peter Kissner (aus Garmisch) und gewinnt bestenfalls eine Flasche Champagner (aus Frankreich). Oder bejubelt bei der Fashionshow die "Models" der bordeigenen Sportscrew (Australien, Schweden, Kanada). By the way: Sasha schließt erst, wenn der letzte Gast in die Koje sinkt.

Auch in den Kajüten zeigt sich der Charme des Großseglers. Sie sind behaglich mit Holz, bequemen Betten und allem Nötigen eingerichtet (Schränke, Frisierkommode, Sessel, TV mit DVD-Player sowie einem kleinen Bad). Wer jedoch ein Raumwunder erwartet oder auf dem eigenen Außenbalkon sitzen möchte, sollte seine Kreuzfahrt woanders machen.

Stattdessen kann es großes Vergnügen bereiten, einfach nur zu beobachten, wie blau-weiß-schaumiges Seewasser mit einem satten Schmatzen übers Bullauge der Kabine schwappt. Und das solange, bis der Schlaf kommt.

Nach dem Aufwachen wartet dann die nächste kitschige Karibik-Bucht. Und ein neues Spektakel beginnt.