Die Situation ist austauschbar: in irgendeinem All-inclusive-Vier-Sterne-Hotel irgendwo am Mittelmeer. Morgens geht’s trotz üblen Katers zum Frühstücksbüfett (ist schließlich bezahlt), den ganzen Tag über am Pool tragen zumeist osteuropäische Animateurinnen alle Stunde den immer gleichen Singsang vor: „Volleyball, Pingpong, Quiz-Time at the Pool, Winner gets a drink!“ Bloß das nicht, die drei Pils und der Honeymoon-Zombie haben bei 38 Grad schon ihre Spuren hinterlassen. Nach Wechseln zwischen Anbraten und Ablöschen geht’s wieder zum Schlachtfest. „Indian Nights“ lautet der Name des Abendbüfetts, das sich von „Italian Nights“ gestern und „Gala Dinner“ vorgestern um je drei kalte Platten unterscheidet.

Um das Elend erträglicher zu gestalten, bieten sich gewisse Vorgehensweisen an, die bei einigen Gästen immer gut ankommen – wohlgemerkt nicht bei allen. So sollte der erlebnisorientierte Urlauber den wöchentlichen Bingo-Abend nicht verpassen. Zur Erinnerung: Auf dem Spielschein müssen sich fünf Zahlen in einer Reihe befinden, die der Spielleiter zuvor aus 75 Nummern gezogen hat. Es kann also frühestens nach der fünften Zahl ein „Bingo“ erreicht werden. Für ausgelassene Stimmung sorgt da, wer nach der vierten gezogenen Zahl lauthals „B-B-B-B-Bingo“ schreit, triumphierend um seinen Stuhl läuft und in Torschützenpose jubelnd abdreht. Nach der sechsten und neunten Zahl nochmals wiederholt, kann man sich uneingeschränkten Beifalls sicher sein.

Danach ist der zügige Gang zur Bar zu empfehlen. Vor der Abendshow „Bernie Weiss singt Hits der 70er“ ist noch Platz für etwas gepflegte Gäste-Unterhaltung. Backstage in der Umkleide kurz eine Perücke geborgt – und ab ans Mikro: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Name ist Bernie Weiss, ich führe Sie heute durchs Showprogramm und darf als Stargast Jessy Love ankündigen, die mit ihrer Stimme schon ganze Völker verzückte.“ Kaum ausgesprochen, landet das Mikrofon unter tosendem Applaus in den Händen der dicken Zimmernachbarin von oben, die nachts poltert, als versuche sie echt, eine Choreografie einzustudieren. All-inclusive kann Spaß machen – man muss es nur richtig angehen.