Ein Aufbruch in Kuba ist zu spüren. Aber selbst in der Hauptstadt ist ein Aufenthalt fast so günstig wie einst – trotz aufkeimender Privatwirtschaft

Nahe der Kathedrale in La Habana Vieja hüpfen Stelzentänzer. Jemand präsentiert seinen Hund – mit Kappe und Sonnenbrille. Junge und alte Señoras in farbenfrohen Roben lächeln und sagen „una foto“. Alle halten dezent die Hand auf. Und alle sind da, weil auch sie da sind: die Touristen.

Selbst wer Havanna schon oft besucht hat, den zieht es immer wieder in die Altstadt. Cafés, Straßenmusikanten, flanierende Hauptstädter und fotografierende Ausländer sind ein aufregender Mix. Den gibt es zwar auch in anderen Metropolen, doch Kubas Hauptstadt und seine alte Bausubstanz sind eine besondere Kulisse. Und es gibt hier noch mehr zu entdecken. Die sozialistische Regierung investiert seit Jahren so kräftig, wie es die magere Devisenkasse erlaubt, in historische Viertel, Boulevards und alte Prachtbauten. Gäste aus aller Welt honorieren das. Viele spazieren auch ein paar Straßenzüge weiter und sehen dann, wie alte Gebäude verfallen und Balkone mit Bohlen gestützt werden müssen. Hier fehlen die Mittel, seit Jahrzehnten schon.

Besonders Individualtouristen, deren Zahl wächst, freuen sich über die günstigen Preise. Für eine „Casa particular“, ein Privatquartier, zahlen zwei Personen pro Nacht umgerechnet 15 bis 30 Euro – je nach Ausstattung und Lage. Touristen mögen besonders die Altstadt und das westlich anschließende Centro Habana, alles möglichst im Radius von gut einem Kilometer um den Parque Central. Von dort sind viele Highlights zu Fuß zu erreichen.

Wer es komfortabler mag, kann auch direkt bei kubanischen Hotels im Internet buchen, auch hier liegen die Preise im internationalen Vergleich teils sehr niedrig. Gern werben historische Herbergen wie das fast 100 Jahre alte Plaza am Parque Central, das sich vier Sterne gibt, mit Promis vergangener Zeiten. Was Albert Einstein damals zahlte, bleibt offen. Das Einzelzimmer mit Frühstück gibt es heute ab 40 Euro, das Doppelzimmer ab 60. Hotelnachbar Inglaterra startet mit 42 Euro, das Telégrafo mit 60 Euro. Es öffnete seine Türen um 1860 als erstes Hotel Havannas und bekam vor nicht allzu langer Zeit eine Runderneuerung spendiert.

Zentral untergekommen, kann der Alltag der kubanischen Kapitale zu Fuß entdeckt werden. Wer gemütlich spaziert, benötigt eine knappe Stunde in den Stadtteil Vedado, der als Vergnügungsviertel bekannt ist. Zwei Währungen gehören in die Tasche: Die eine ist der CUC, der harte, konvertierbare Peso, dessen Wert an den US-Dollar gekoppelt ist. Für einen CUC gibt die Bank 24 Peso cubano (CUP). In dieser Landeswährung, moneda nacional (mn), erhalten die meisten Kubaner ihr Gehalt. Wenn der Euro 1,35 Dollar wert ist, sind das 1,35 CUC oder gut 32 CUP.

Von der Währung hängt oft ab, wie viel bezahlt wird. Für einen CUC, also 75 Euro-Cent, bekommt der Gast in einem Touristencafé ein Gläschen Rum oder einen kleinen kubanischen Kaffee. In der Eckkneipe, wo der Alkohol in Strömen fließt und auf der Toilette meist kein Wasser, gibt es dafür bis zu acht Gläschen. Die Rechnung, 24 Peso, wird in mn bezahlt. Nur ein Geizkragen gibt da kein Trinkgeld. Ausländern ist es mittlerweile erlaubt, in mn zu zahlen.

In der Seitenstraße des Hospitals Hermanos Ameijeiras hält ein Lastwagen und sorgt für Nachschub. Hier steht einer der Läden, die Billigrum aus dem Container in mitgebrachte Flaschen der Kunden füllen. Nebenan kosten ein Eis drei Peso (knapp 10 Cent), Huhn mit Reis 20 Peso (knapp 70 Cent) und der Minikaffee einen Peso (etwa drei Cent). Eine Señora offeriert Maniküre für 15 Peso (rund 50 Cent).

Im Callejón de Hamel in der Nähe steigt an diesem Sonntagnachmittag eine Rumba-Session. Wandgemälde, Metallskulpturen und Graffiti schmücken die kleine Gasse. Santiago, der Haupttänzer, feuert die Band zu immer heißeren afrokubanischen Rhythmen an. Seine Mutter hilft mit Zurufen und rhythmischem Klatschen. Kubaner wie Touristen wippen mit. „Uns geht es um traditionelle Kultur. Warum sollen wir nicht Geschäfte machen“, sagt einer der Musikanten. Der Eintritt ist frei, doch viele Ausländer geben Trinkgeld.

Auf dem Malecón, der berühmten Uferstraße, die die Altstadt mit Vedado verbindet, sind am späten Nachmittag auch viele kubanische Familien unterwegs. Die Gischt spritzt über die niedrige Mauer auf den Bürgersteig. Einige Männer haben eine Angel im Wasser. Palmen gibt es kaum, aber Parks, revolutionäre Denkmäler, Cafés und Restaurants, viele von ihnen mittlerweile privat betrieben. Auch die Quartiere am Malecón sind zunehmend nicht mehr in staatlicher Hand. Fast alle haben Klimaanlage, viele einen Kühlschrank im Zimmer, manche sogar einen eigenen Eingang und separates Bad. In noblen Stadtteilen wie Vedado und Miramar sind Apartments und komplette Villen für umgerechnet 40 bis gut 70 Euro zu haben.

Wer mit einem neuen Amigo auf Quartiersuche geht, zahlt pro Tag in der Regel fünf CUC mehr, meist ohne es zu wissen. Die Kommission reicht der Vermieter dezent dem Vermittler weiter. Für Kubaner gehören solche Geschäfte zum Alltag, für Touristen bleiben sie im Verborgenen. Solch ein Amigo kann in einem Monat zehnmal so viel verdienen wie eine Verkäuferin, ein Lehrer oder ein Arzt, die umgerechnet 20 bis 35 Euro nach Hause bringen. Oft kann sich die Hilfe eines Kubaners für einen Ausländer auch lohnen. Denn nicht viele Hauptstadtbesucher finden für 35 CUC ein schmuckes Apartment mit Balkon und Blick auf Meer, Malecón und Festung. Ein Paar aus Madrid im sechsten Stock eines Hochhauses genießt den Sonnenuntergang und grüßt nach unten, wo auf der Ufermauer zwei Kubaner und ein Deutscher sitzen. Hunderte Cubanos und Gäste genießen das Farbenspiel von Sonne und Wasser an der Küsten-Avenida.

Wer privat nächtigt, hat Familienanschluss. Er kann mit der Oma auf dem Bauernmarkt einkaufen, der Vater stellt seine Dominofreunde vor, der Sohn geht mit dem Gast zum Fußball. Der Schwatz der Nachbarn, die Autoreparatur – alles findet auf der Straße statt. Jeder hilft jedem. In der Aguila-Straße am Malecón scheppert Musik aus einem Lautsprecher. Ein Pärchen tanzt auf dem Bürgersteig. Etwas erschöpft wirkend radeln auf der Uferstraße drei Ausländer Richtung Parque Central vorbei. Winkend und johlend überholen zwei junge ausländische Paare mit kubanischem Fahrer in einem rot-weißen Cabrio. Eine Stunde im antiken US-Schlitten kostet ungefähr 30 CUC.

Mancher, der länger hier weilt, hat vielleicht von Hühnchen, Fisch, Reis und Bohnen, Limos und Rum-Cocktails genug und sehnt sich nach Fassbier und Bratwurst. Die Factoría am Plaza Vieja braut selber, drei Sorten: hell, braun, schwarz – das große Glas für zwei CUC. Die Gäste können sich die Produktion anschauen und draußen die Aussicht auf den Platz mit Arkaden, Galerien und Boutiquen genießen. Das nahe, private Henky’s an der Ecke von Compostela und Amargura ist recht neu. Deutsche und Kubaner haben das Restaurant in Erinnerung an den in Ulm geborenen Autor Henky Hentschel (1940–2012) eröffnet. Der lebte in Havanna. „Die Bratwurst nach deutschem Rezept ist ein Renner“, sagt Mitinitiator Jochen Beckmann, der als Dokumentarfilmer und Journalist in Kuba arbeitet.

Zum Relaxen und Baden locken die Playas im Osten Havannas. Um 7 Uhr an der Bushaltestelle am Hauptbahnhof steht noch keine Schlange. Die Fahrt an den Strand kostet 40 Centavos – ein Euro ist 3240 wert. Heute ist aber ein Tag des Kompromisses. Zurück geht es mit dem Taxi, 30 Kilometer für 25 CUC. Das sind knapp 20 Euro.