Dorthe Fjord Tarbensen züchtet an der Nordseeküste Rinder

Das Meer gibt, das Meer nimmt. Zwischen Himmel und Nordsee liegt der alte Bauernhof von Dorthe Fjord Tarbensen mitten in der rauen Natur in Houvig, einer kleinen Ortschaft an der dänischen Westküste. Einst lag das Gut weiter im Westen – erst kürzlich entdeckte die 44-Jährige bei Ebbe Grundmauern und einen Brunnen auf dem Meeresboden. Eine Viertelstunde fährt man bis in den kleinen Ort Søndervig, die größeren Städtchen Ringkøbing oder Hvide Sande sind sogar 20 Minuten entfernt. „Kann man hier ...“ – „... leben? Ja! Für mich gibt es gar keinen schöneren Platz auf der Welt“, sagt die 44-Jährige lachend und nickt dabei bekräftigend.

Dass die optimistische Dänin einmal auf dem traditionsreichen Krogensgård wohnen und arbeiten würde, hätte die studierte Lehrerin selbst nicht gedacht. Doch 2007 musste alles plötzlich ganz schnell gehen: „Mein Onkel, der unseren Hof damals bewirtschaftete, wollte sich zur Ruhe setzen und verkaufen oder verpachten. Das aber hätte bedeutet, dass unser Bauernhof nach 500 Jahren in Familienbesitz aufgegeben worden wäre. Aber das wollte ich nicht“, beschreibt Dorthe Fjord Tarbensen ihre Motivation für die radikalste Wende in ihrem Leben – und einen Neuanfang jenseits von Stadt, Fünftagewoche und geregeltem Feierabend. Weil auch ihr Ehemann Jens Ingvard Larsen und die drei Kinder sich vorstellen konnten, auf dem Hof zu leben, war der Aufbruch in die neue, alte Welt schnell beschlossene Sache. Eine Welt, die Dorthe Fjord Tarbensen bereits aus Kindheitstagen von vielen Besuchen kannte.

Doch so schön die Lage des Krogensgård in der jütländischen Dünenlandschaft – nur 200 Meter von der Nordsee entfernt – wirkt, so unmöglich erschien ein moderner wirtschaftlicher Betrieb auf dem kargen Sandboden. Ein Wirtschaftsprüfer riet deshalb auch zum umgehenden Verkauf von Hof und Grundstücken an Interessenten, die schicke Ferienhäuser bauen möchten. „Es stimmt ja auch“, sagt Dorthe Fjord, „dass Jens und ich nie leckeres Gemüse oder goldenes Getreide ernten werden. Genau darum setzen wir auf eine Nischenproduktion. Und wir versuchen das Unmögliche.“

Heute züchten die beiden auf ihrem Land – das eine bunte Mischung aus Dünen mit Seezeichen, Wegen, Äckern und Feldern umfasst – robuste Charolais-Rinder. Rund 300 Tiere grasen mittlerweile im Frühjahr auf den Weiden zwischen dem Leuchtturm Lyngvig Fyr bei Hvide Sande im Süden und Vedersø Klit weiter im Norden.

Zwei Jahre lang steht jeder der weißen Wiederkäuer die meiste Zeit des Jahres bei Wind und Wetter draußen. „Scherzhaft sage ich darum auch, dass die Steaks von der Meeresluft schon gesalzen sind – es fehlt nur Pfeffer“, sagt die Jungunternehmerin.

Doch anders als noch bei ihrem Onkel und den meisten dänischen Bauern wird das hochwertige Fleisch nun nicht mehr ins Ausland transportiert. „Ich habe mich geweigert zu verstehen, warum wir nach Italien verkaufen sollen anstatt unsere Qualitätserzeugnisse vor Ort in der Region zu vermarkten“, beschreibt Dorthe Fjord ihre auf Dänisch „Madoprør“ – frei übersetzt vielleicht: Spezialitätenrebellion – genannte Herzenssache. So finden Besucher des Hofes das „Kød fra Klitten“, das Fleisch von der Düne, darum heute nach der Verarbeitung in einer kleinen Hausschlachterei im nahen Ulfborg frisch in der Kühltheke des eigenen Bauernhofladens.

Die Vestkystens Gårdbutik im umgestalteten Kuhstall ist das zweite Standbein von Dorthe Fjord Tarbensen. Neben Rindfleisch und -wurst vom Hof gibt es selbst gemachte Kuchen, Gebäck und Marmelade. Bis ins Detail handgemacht von der Konditormeisterin Diana Kristensen. Ganz neu ist das Eis, um dessen tägliche frische Zubereitung sich Ehemann Jens kümmert. Dazu gibt es küstennahe Spezialitäten wie Käse, Biosaft, Öle oder sogar Whiskey von Erzeugern aus der Umgebung.

Das Familiengeschäft will nicht nur Anlaufstelle für Urlauber, sondern auch für die rund 30 Einheimischen sein. Dorte Fjord: „Es muss niemand vor verschlossenen Türen stehen – wir haben sieben Tage die Woche von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Urlaub gibt es nicht. So ist das in der Landwirtschaft ja auch.“

Was heiße schon Urlaub, ergänzt die frühere Pädagogin: „Wenn wir abends bei offenem Fenster erschöpft im Bett liegen und Meer und Wind hören, wissen wir, dass wir alles richtig gemacht haben.“

Vestkystens Gårdbutik, Houvig Klitvej 77, Houvig, 6950 Ringkøbing, www.krogensgaard.net