Abseits der Metropolen Tel Aviv und Jerusalem sorgen Krater, Oasen und Weinberge für manche Überraschung. Der Maschtesch Ramon ist so ein solcher Ort.

Tel Aviv play, Jerusalem pray“ – so lautet ein geflügeltes Wort in Israel. Soll heißen: In der Mittelmeer-Metropole kann man sich bestens amüsieren – in der Hauptstadt hingegen dreht sich fast alles um Religion. Auch ein Großteil der Touristen, die alljährlich das Land bereisen, interessiert sich entweder für das eine oder das andere Thema. Jüngere stürzen sich gern ins legendäre, bunte Nachtleben von Tel Aviv. Für viele der übrigen Touristen ist Jerusalem mit seinen historischen Stätten wie der Grabeskirche und dem Tempelberg der Hauptanziehungspunkt.

Weniger bekannt ist, dass es auch einen weiteren Grund gibt, für den sich das Reisen ins Heilige Land lohnt – die vielfältige Natur. Ein Beispiel für die besondere Schönheit der israelischen Landschaft ist der Machtesch Ramon. Es handelt sich um einen bis zu 500 Meter tiefen, 40 Kilometer langen und neun Kilometer breiten Krater in der Negev-Wüste, im Süden des Landes. In Mitspe Ramon, einem kleinen Ort am Rande des Kraters, treffen wir Gal Dror. Der 43-Jährige, der sein Geld unter anderem als Koch und Touristenführer verdient, lebt schon seit fast 20 Jahren hier. Seinen grünen Land Rover lenkt er auf einer staubigen Landstraße ins Innere des Kraters. Der Blick schweift an unterschiedlichen Sand- und Gesteinsschichten entlang, die rot und bronzefarben, ocker und hellgelb, grau und schwarz schimmern. Am Boden des Kraters angekommen, biegt Gal von der Straße ab. Von nun an geht es querfeldein, über Sand und Steine.

„Diese Gegend ist ein Fenster in die Geschichte der Erde. Der Boden hier stammt aus der Trias-Zeit, die vor etwa 200 Millionen Jahren endete“, erklärt Gal. Wie er sagt, entstand der Krater nicht etwa durch einen Meteoriteneinschlag, sondern durch Erosion. Schon vor Millionen Jahren wurde der Boden in diesem Gebiet durch Wasser und Wind abgetragen. Das Resultat ist eine geologische Landschaft, die einzigartig in der Welt ist. Botanisch ist sie keineswegs so karg, wie ein erster Blick vermuten ließe. Vereinzelt wachsen Büsche, aus deren Blättern die Beduinen einst heilende Tees kochten. Dort, wo es unterirdische Wasservorkommen gibt, gedeihen auch Palmen. Und im Frühjahr, versichert Gal, blühen sogar Tulpenfelder. Im Krater leben wilde Steinböcke und Esel, außerdem Gazellen – eine hat vor uns ihre Fußabdrücke im Wüstenboden hinterlassen.

In dem Krater verbirgt sich zudem eine ehemalige Mine. Bis vor etwa zehn Jahren wurden Rohstoffe wie Eisen, Kupfer und Gips abgebaut. Heute erinnern Schürfspuren an den steinernen Formationen daran. Schon bald, sagt Gal, soll die ehemalige Mine für Ausflügler erschlossen werden. Touristische Orte gibt es indes schon jetzt in dem Krater, dessen gesamte Fläche ein Naturschutzgebiet ist.

Einer ist eine steinerne Ruine auf einem Hügel. „Das hier war einmal so etwas wie ein Motel für Beduinen“, erklärt Gal, als er zwischen kniehohen Mauern steht. Der Grundriss des Hauses ist noch gut erkennbar. Es gab Schlafräume, eine Küche und sogar ein Lager für Wein. Händler, erläutert er, machten an diesem Ort bis ins 19. Jahrhundert ihre Kamele fest und übernachteten. Über mehrere Jahrhunderte führte ein Handelsweg durch diese Wüste. Das Ziel der Händler, die meist Gewürze transportierten, war die Felsenstadt Petra, deren Überreste im heutigen Jordanien liegen.

Wer sich einmal wie ein Beduine fühlen möchte, kann in dem Naturschutzgebiet zelten. Gal hat, wie er sagt, schon oft in dem Krater übernachtet. Und kann das weiterempfehlen: „Der Nachthimmel ist einfach wunderbar. Man sieht unendlich viele Sterne.“

Wo Wüsten sind, gibt es auch Oasen. Unsere Reise führt uns in eine der schönsten des Landes, nach Ein Gedi. Nach einer zweistündigen Fahrt durch die hügelige Wüstenlandschaft haben wir den Ort erreicht, an dem vor einem halben Jahrhundert ein ganz besonderer Kibbuz gegründet wurde. Wir treffen Gabriel, einen fröhlichen Pensionär mit silbergrauem Haar – und dem vielleicht schönsten Vorgarten Israels. Unter einem mächtigen Baobabbaum weist er auf eine buschige Wüstenrose, die in voller Blüte steht. Vogelgezwitscher und der Duft von wildem Oregano, Orangenblüten und Jasmin erfüllen die Luft. „Wunderschön, oder?“, fragt der Hobbybotaniker. Und er hat recht.

Die Oase wird schon in der Bibel für ihre Schönheit gepriesen. Vor 15 Jahren haben die 500 Bewohner des Kibbuz einen Botanischen Garten angelegt, der Tropen- und Wüstenflora auf einzigartige Weise vereint. Liebevoll gepflegt, gedeihen Aloepflanzen aus Südafrika, Yuccapalmen aus Mexiko und Gummibäume aus Südostasien neben Buschwindröschen, Riesenfarnen und Kakteen. Überall blüht es, durch die Luft summen Bienen. „Die meisten arbeiten im Garten mit“, sagt Gabriel, der seit 45 Jahren in Ein Gedi lebt.

Besucher können für umgerechnet fünf Euro auf einem Rundweg durch den Botanischen Garten spazieren und spektakuläre Ausblicke erleben auf die nackten, rotbraunen Felsen, die die Oase umgeben. Oder auf das Tote Meer, dessen Ufer nur einen Kilometer Luftlinie entfernt ist. Wanderer finden in der Umgebung lohnende Ziele, wie die imposanten Shulamit-Wasserfälle oder die Ruinen einer Synagoge aus dem fünften Jahrhundert vor Christus. Anschließend kann man sich im Kibbuz stärken. Zur Auswahl stehen Salate, Sandwiches, Suppen und Kuchen. Wer sich in Ein Gedi einige Tage erholen möchte, übernachtet im Gästehaus.

Die Weinrebe, eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt, sucht man im Garten von Ein Gedi vergebens. Besonders gut gedeiht sie jedoch im sonnigen Klima in den judäischen Bergen in der Nähe von Jerusalem – unsere Reise führt deshalb in den 80 Kilometer entfernten Kibbuz Kiryat Anavim. „Seit 3300 Jahren wird hier Wein angebaut. Hier lebten die ersten Winzer des Nahen Ostens“, sagt Emilyia nicht ohne Stolz. Die junge Frau arbeitet im Cramim Spa Hotel, das oberhalb des Kibbuz liegt. Sie erklärt Gästen bei Weinproben Besonderheiten lokaler Weine. Angebaut werden vor allem bekannte Trauben wie Merlot, Shiraz, Cabernet und Chardonnay. „Erst vor wenigen Jahren gab es einen Wandel, weg von der Quantität, hin zu mehr Qualität“, sagt Emilyia. „Wir sind noch auf der Suche nach dem Wein, der unser Markenzeichen werden könnte.“

Wer möchte, kann die Reben auf einer Wanderung in Augenschein nehmen. Oder einfach Weine an der Hotelbar probieren. Vom Trubel der nur wenige Kilometer entfernten Hauptstadt ist hier oben nichts zu spüren.