Howard Nicholsby entwirft aus modernen Stoffen wie Denim, Leinen, Seide oder Leder die Kult-Bekleidung. Fünf Jahre dauerte die Ausbildung zum „Kiltmaker“. Dann machte er sich selbstständig.

Howard Nicholsby hat Bock auf Rock. Jeden Tag. Dabei ist er keiner der älteren schottischen Herren, die mit ihren karierten Faltenröcken und strammen Waden in Wollstrümpfen hin und wieder noch das Straßenbild Edinburghs prägen. Howie ist erst 36 und alles andere als kleinkariert. Seine Kilts bestehen überwiegend nicht aus Schurwolle mit den bekannten Karomustern. Er bevorzugt moderne Stoffe wie Denim, Leinen, Seide oder auch Leder und eher unifarbene Modelle in Creme-, Mintgrün- oder Grautönen.

Wer seinen kleinen Laden in der Thistle Street in der schottischen Hauptstadt betritt, dem fallen zunächst nur Jacketts und dazu passende Westen ins Auge, die links und rechts an Kleiderstangen hängen. Erst beim genauen Hinsehen erkennt der Kunde, dass dazu keine Hosen, sondern „Röcke“ gehören.

Howie bezeichnet sich als Kilt-Designer. Gelernt hat er sein Handwerk bei seinem Vater Geoffrey, der seit Jahrzehnten ein renommierter Kiltmacher an der Royal Mile ist, einer der Hauptgeschäftsstraßen zwischen Edinburgh Castle und dem Palast Holyrood House, im dem Maria Stuart Mitte des 16. Jahrhunderts residierte, und der heute von Queen Elisabeth II. genutzt wird, wenn sie in Schottland weilt.

„Fünf Jahre dauert die Ausbildung, bis sich ein Schneider in Schottland Kiltmaker nennen darf. Mein Vater ist noch ein Meister der alten Schule“, sagt Howie: „Als ich 18 war, habe ich die ersten modernen Kilts entworfen und einige Jahre mit in seinem Geschäft gearbeitet, doch meine provokativen Ideen gefielen meinem Vater nicht immer.“

Somit machte Howie sich vor fünf Jahren mit seinem „21st-Century-Kilts-Atelier“ selbstständig. An einer ruhigen Gasse mit grauen, schmucklosen Sandsteinhäusern – etwas abseits des touristischen Zentrums. Dort sieht es aus wie die perfekte Kulisse für einen Harry-Potter-Film. Kein Wunder, schließlich verfasste Autorin Joanne K. Rowling ihr erstes Buch „Der Stein der Weisen“ nur wenige Straßen weiter im Coffee Shop The Elephant House.

„Als Alternative zum Kilt trage ich höchstens zu Hause im Sommer noch Shorts“, sagt Howie. „Lange Hosen sind mir ein Gräuel. Sie engen mich ein.“ Auch auf die Fruchtbarkeit eines Mannes sollen sich die Schottenröcke positiv auswirken. „Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass es unter einem Kilt drei Grad kühler ist als die Körpertemperatur. Ideal für die Manneskraft.“

Zu seinen Kunden zählen auch bekannte Größen aus Film, Entertainment und Sport wie Vin Diesel, Robbie Williams, Sir Richard Branson und John McEnroe. Selbst Fürst Albert II. von Monaco hat sich bei ihm einkleiden lassen. „Nun blickt der 56-Jährige Ende des Jahres Vaterfreuden entgegen“, witzelt Howie.

Dicke Wälzer mit Stoffmustern, auch traditionellen Tartans, liegen in den Regalen. Acht Yard – ungefähr 7,3 Meter – Stoff werden für einen Schottenrock benötigt. Längst schneidert Howie nicht mehr alle Kilts selbst, sondern hat eine Schneiderin engagiert. Bei Hochzeiten entscheidet sich auch heute noch fast jeder schottische Bräutigam für einen Rock. Scott Rait aus Inverness im Hochland ist gerade mit zwei Freunden angereist, um seinen Hochzeitskilt anzuprobieren und abzuholen. Er wählte ein hellgraues Ensemble mit Handytasche, allerdings aus traditionellem festen Tweed.

Howie selbst trug zu seiner Hochzeit vor sieben Jahren ein cremefarbenes Modell aus Hanffaser. Bei der Rocklänge richtet er sich ganz nach den Vorlieben der Kunden. Eine Handbreit überm Knie oder darunter oder sogar knöchellang – alles ist bei Howie möglich. Für Geschäftsleute sind Nadelstreifen en vogue. Damenröcke machen nur zehn Prozent seiner Produktion aus. Im Verhältnis sind sie zu teuer. Es wird weniger Stoff benötigt, aber die Arbeit ist die gleiche. Auch Minikilts für Kids entwirft der Designer. Die Preise für einen Kiltanzug liegen je nach Verarbeitungsaufwand und verwendetem Material zwischen 650 und 2500 Euro. Die Wartezeit beträgt zwei Monate.

Howies Vision für die Zukunft? „Ich möchte expandieren und in ganz Europa Boutiquen finden, die meine Ware vertreiben. Sechs bis zehn Kilts im Jahr pro Land zu verkaufen, das ist mein Ziel. In Italien führe ich bereits erste Gespräche.“

Und wie ist es nun, trägt „Mann“ etwas unterm Schottenrock oder nicht? „Die meisten Schotten nicht“, behauptet der Kilt-Revolutionär ganz traditionsbewusst.

www.21stcenturykilts.com