Immer mehr Schiffe locken mit VIP-Bereichen als Kontrast zu den oft überfüllten Hauptdecks – ein Selbstversuch an Bord der „MSC Splendida“.

Bug an Heck liegen im Hafen von Barcelona gleich drei Ozeanriesen hintereinander. Unzählige Passagiere checken an diesem frühen Nachmittag ein. Recht verwirrend dieses Gewusel im Kreuzfahrtterminal, da hält man sich am besten an den roten Teppich. Dort sind keine Schlangen, dort wartet nur ein Mann, der gegenüber der freizeituniformierten Masse mit ihren bunten T-Shirts, Shorts und Sonnenkäppis aus der Zeit gefallen scheint. Er trägt einen dunkelgrauen Frack mit Weste, eine gestreifte Hose, eine Fliege und weiße Handschuhe. Das also ist mein Butler – ist er nicht goldig?

„Welcome, Mister Hans“, sagt er, und stellt sich artig als Ismail vor. Ismail von der Insel Mauritius. Mit dem gutem James aus „Dinner for One“ oder dem leichenblassen Lurch von der „Addams Family“ hat er allerdings nichts gemein. An dieser Stelle sollte ich vielleicht einräumen, dass sich bis dahin meine Erfahrungen mit Butlern aufs Fernsehen beschränkt hatten.

Das ändert sich heute, denn als Gast des Yacht Clubs auf „MSC Splendida“ steht mir ein Butler zu. Als Gast des Yacht Clubs bin ich automatisch ein VIP. Das ist das Konzept. Gerade auf Massenmarkt-Schiffen pflegen Reedereien neuerdings exklusive Luxus-Bereiche, die nur gegen Bezahlung zugänglich sind oder komplett für Passagiere in teuren Suiten reserviert sind. Bei MSC ist es der Yacht Club, bei Norwegian Cruise Line The Haven. Der „Queen Mary 2“ von Cunard eilt gar der Ruf voraus, ein Drei-Klassen-Schiff zu sein, mit den Kategorien Britannia, Princess-Grill und Queens-Grill.

Kein anderer Tourismuszweig wächst so rasant wie die Kreuzfahrt. 2013 erwirtschaftete die Branche in Deutschland einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro. Gemessen am Gesamtumsatz aller Reiseveranstalter ist das ein Marktanteil von zwölf Prozent. Der Zuwachs betrug laut einer Studie des Deutschen Reiseverbandes stolze 9,2 Prozent auf knapp 1,7 Millionen deutsche Kreuzfahrt-Passagiere. Durchschnittlich gab der Deutsche 2013 für seine Kreuzfahrt 1492 Euro aus. Noch vor wenigen Jahren musste er für sein Ticket einige Hundert Euro mehr drauflegen. Weil es immer mehr Spaßschiffe gibt, purzeln die Preise. Was ihnen beim Fahrtpreis verloren geht, versuchen die Kreuzfahrtanbieter mit Umsatzsteigerungen an Bord auszugleichen. Dazu gehört auch, kleineren Edelmarken den exklusiven Markt hochpreisiger Reisen nicht kampflos zu überlassen.

Meine einwöchige Mittelmeerrundreise auf der „MSC Splendida“ von und bis Barcelona via Toulon, Genua, Neapel, Messina und Tunis kostet im Yacht Club rund 2650 Euro. Dieselbe Reise und dasselbe Schiff erlebt man aber auch schon ab 750 Euro in der Innenkabine. Mit Verpflegung. Getränke kommen extra.

Ohne langwierige Formalitäten geleitet mich Ismail an Bord. Dafür bin ich dankbar, ich hätte mich verlaufen, denn die „MSC Splendida“ ist ein Koloss der Meere. Um das etwas anschaulicher zu machen: Würde man die 333,3 Meter lange „Splendida“ in Paris auf dem Heck aufstellen, würde sie den Eiffelturm völlig verdecken. Die Gänge auf dem Schiff sind insgesamt sieben Kilometer lang. 1313 Crewmitglieder stehen bei voller Auslastung 3971 Passagieren gegenüber. Und die Kabinen sind diesmal alle gebucht. Es sind Ferien, viele Familien mit Kindern an Bord. Entsprechend laut und lebhaft geht es zu.

In der obersten Schiffsetage, hinter einer Tür mit der Aufschrift „Members only“, endet der Trubel schlagartig. Ismael führt mich an einem Concierge-Desk vorbei zu meiner Suite, einer von 99 im First-Class-Bereich der „Splendida“. Ich tauche in eine Welt aus Samtblau und Gold, staune über edle Hölzer mit Pfauenaugen. Meine Suite hat auch einen Balkon mit zwei Stühlen und ein großzügig dimensioniertes Bad. Ismail fragt mich nach Getränkewünschen, zwecks Bestückung der Minibar. Und ob er meinen Koffer auspacken dürfe. 15Butler arbeiten im Yacht Club, sie stammen aus Madagaskar, Russland, Indonesien. Sie sind eine besondere Spezies. Sie sehen alles, ahnen Wünsche voraus, bevor man sie selbst entwickelt hat, sind diskret und tun so, als sei es für den ihnen anvertrauten Passagier völlig normal, plötzlich über eine Art Leibdiener zu verfügen. Mein Lieblingsplatz wird die „Observation Lounge“. Die vollverglaste Front bietet freie Sicht auf Meer und Anlaufhäfen. Zum Aperitif finden sich auch die anderen Gäste ein. Ein internationales Publikum: Spanien, Schweiz, Italien, Frankreich, Japan, China, Kanada, USA. Täglich lockt sie ein neues Büfett mit salzigen Häppchen, Törtchen, Pralinen. Und die guten Drinks. Ob „Martini-Cocktail“ oder „Negroni“: Die Barmixer verstehen ihren Job. Für Club-Gäste ist alles kostenlos, ausgenommen Edelspirituosen und Champagner.

Ich lerne auch das weitläufige und angenehm ruhige VIP-Pooldeck schätzen, während weiter unten ungefähr 3900 Passagiere in eng aneinandergestellten Liegestühlen ihr Plätzchen an der Sonne zu behaupten versuchen.

Umwerfend auch die Herzlichkeit und Zuvorkommenheit der „Splendida“-Crew, und das gilt nicht nur für den Yacht Club. All diese guten Geister sind von früh bis spät im Einsatz, und sie wohnen sicher nicht in einer Suite und wohl auch nicht in Einzelkabinen. Die meisten haben Verträge über sieben Monate, keinen einzigen freien Tag, nur wenige Stunden Freizeit im Hafen.

Zum Yacht Club gehört ein privates Restaurant, das Olive. Es befindet sich auf Deck 15 am Heck der „Splendida“, sodass man abends durch die Entertainment-Bereiche auf Deck 6 oder 7 gehen muss, um es zu erreichen. Das bedeutet auch, hinaus aus der beruhigten Komfortzone und hinein ins quirlige Leben. Plötzlich begegnen einem viele Menschen, da werden Parfüms und Schmuck verkauft wie auf einem Basar, verstellen einem Fotografen den Weg.

Da ist man froh, wenn man endlich im elegant eingedeckten Olive Platz nehmen darf. Die Menüs sind erlesen, nur die Musik könnte etwas heiterer sein. Die „Matthäus-Passion“ zu Tagliatelle mit Steinpilzen? Na ja. Und das „Adagio“ von Albinoni – zu Pannacotta mit Himbeeren – war mir zuletzt bei einer Übertragung der Beerdigung von Leonid Breschnew aufgefallen.

Muss ich aber nun ein schlechtes Gewissen gegenüber den „einfachen“ Passagieren haben, als Profiteur einer Zwei-Klassen-Gesellschaft privilegiert zu speisen? Eher nicht: Das Essen ist in allen Bordrestaurants mehr als reichlich und von durchweg guter Qualität.

Es ist reizvoll, zwei Welten auf einem Boot zu erleben. Denn was eindeutig für den Yacht Club spricht: Bei voller Belegung ist die Rückzugsmöglichkeit in die Stille der Verwöhn-Oase unbezahlbar. Vielleicht funktioniert das VIP-Konzept auf der „MSC Splendida“ auch zu gut. Denn nach nur einer Woche auf „Klassenfahrt“ bin ich für eine normale Tour auf einem Riesendampfer, wo um den Pool und am Büfett Gedränge herrscht, ein für alle Mal verloren.

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von MSC.