In einem großen maritimen Schulungszentrum im niederländischen Almere trainieren Kreuzfahrtoffiziere mögliche Katastrophen am Simulator, aber auch die Tücken mancher Hafeneinfahrten

Der Hafen von Fort Lauderdale ist bereits klar zu erkennen. Langsam bewegt sich die „Emerald Princess“ auf die Einfahrt zu. Weiße Schaumkronen sind auf den Wellen zu sehen, der Gleichgewichtssinn meldet eine sanfte Schaukelbewegung.

Plötzlich verdunkelt sich der Horizont durch eine Regenfront. „Das sieht nicht gut aus“, murmelt Kapitän Claudio de Fenza, und der diensthabende Navigator gibt Anweisung, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Das Brummen der Maschine wird leiser. Nur wenige Augenblicke später zieht dichter Nebel auf, die Anspannung auf der Brücke ist deutlich zu spüren. Gebannt starren alle auf die Instrumente. Zum Glück verziehen sich die Schwaden genauso schnell wieder, wie sie gekommen sind, sodass beim Wenden des Schiffs alle Baken erkennbar sind. Das Anlegemanöver übernimmt de Fenza selbst. „Gut gemacht“, lobt er sein Team anschließend.

Zehn Minuten später erscheint die Kulisse von Stockholm vor den Fenstern der „Emerald Princess“. Viele kleine Inseln schüren bei einer neuen Crew den Respekt vor der Hafeneinfahrt. Und das, obwohl keine ernsthafte Gefahr besteht, denn de Fenza leitet die Operation mit festem Boden unter den Füßen. Der Flottenkapitän von Costa Crociere ist im Center for Simulator Maritime Training (CSMART) im niederländischen Almere zu Gast, der weltweit größten Schulungsinstitution für Kreuzfahrtoffiziere. Die Bilder in den beiden großen Brückensimulatoren erscheinen frappierend echt. „Hier sind auch schon Leute seekrank geworden“, lächelt der erfahrene Seemann. Doch heute ist zum Glück nur „Bridge Ressource Management 1“ angesagt – normaler Regelbetrieb ohne Sturm, Kollisionskurs und andere Gefahren.

„Wir würden unsere Schüler nicht untergehen lassen“, erklärt Kapitän Hans Hederström unterdessen im Vorraum zum Simulator. „Das würde nur demotivieren, und wir wollen das Positive stärken.“ Wer vor einer Beförderung steht, für den sind die Aufgaben im Simulator entscheidend. Aber auch alle anderen nautischen Führungspositionen der Carnival Corporation – zu der neben Princess Cruises u.a. auch Costa, Aida und die Cunard Line gehören – kommen regelmäßig zur Auffrischung ihrer Kenntnisse ins CSMART. 2009 gründete Hederström das Institut mit einer Handvoll Mitarbeitern, heute sind hier 45 Angestellte tätig, die in diesem Jahr Schulungen für rund 4000 Personen organisieren – die Kapazitäten sind damit erschöpft. Ein größerer Neubau entsteht daher nur wenige Kilometer entfernt. Mitte 2016 soll das Carnival Center of Excellence eröffnen und doppelt so viele Simulatoren bieten wie das bisherige Zentrum.

Neben der Brücke wird auch der Maschinenkontrollraum simuliert. Der Videoscreen zeigt ein Feuer in einer der Maschinen. Jetzt muss es schnell gehen: Sprinkler an, Treibstoffzufuhr stoppen. Nicht ohne Stolz berichtet Paul Fairbrother, Director Engineering Training, dass er die Reaktionszeit der Ingenieure für den notwendigen Handlungsablauf von zwei Minuten auf 15 Sekunden herunterschraubt. Auf diesem Weg bleibt der Schaden reparabel. Nebenan wird per Kamerafahrt auf großen Videoscreens der gesamte Maschinenraum der „Emerald Princess“ im Laufschritt erforschbar, inklusive Interaktion mit dem technischen Equipment. Was auf der Brücke „Bridge Ressource Management“ heißt, ist hier „Engine Ressource Management“. Und zum Jahresende kommt beides zusammen, dann können komplexe Szenarien mit Interaktion zwischen Brücke und Maschinenraum geübt werden. Ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit auf hoher See, denn der Schlüssel hierzu liegt in der Kommunikation.

„Thinking out loud“ heißt eines der Schlagworte im neuen Bridge Management System. War es früher der Kapitän, der Entscheidungen traf, denen sich alle Crewmitglieder zu fügen hatten, so ist es heute das Team, das miteinander agieren soll. Auch ein junger Offizier darf und soll die Handlungsverläufe hinterfragen und seine Meinung äußern. Nur auf diesem Weg können Katastrophen wie die der „Costa Concordia“ vermieden werden. Acht Monate vor der Havarie hatte die Weiterbildung der nautischen Offiziere von Costa Crociere in Almere begonnen. Tragischerweise war Kapitän Schettino noch nicht dabei. Inzwischen legt die Carnival Corporation, der das Trainingszentrum gehört, noch mehr Wert auf den neuen Ansatz. Die unterschiedlichen Sicherheitskonzepte der Reedereien wurden vereinheitlicht, zudem besuchen elf neue Flottenkapitäne die Schiffe und sind bei der Umsetzung behilflich. Claudio de Fenza ist einer von zwei Flottenkapitänen für Costa Crociere. Er ist stolz darauf, dass inzwischen jedes nautische Crewmitglied zuerst in den Simulator geht, bevor es an Bord darf.

Und sogar bei der Entwicklung neuer Routen können die Spezialisten aus Almere mitwirken. Innerhalb weniger Wochen lässt sich jeder Hafen der Welt in das System integrieren und die Anfahrt simulieren. Dann werden Richtlinien festgelegt, die bei den realen Anläufen zu beachten sind. Und die Kreuzfahrt ist wieder ein wenig sicherer.

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Costa Crociere.