Kleine Fluchten Der Alte Kornspeicher Neustrelitz verdankt sein zweites Leben dem Idealismus einer ansässigen Familie

Direkt am Hafen der ehemaligen Residenzstadt Neustrelitz steht das Hotel Alter Kornspeicher. Es ist ein sympathisches Familienunternehmen und eröffnete im April dieses Jahres. Für das hübsche Barockstädtchen ist es ein weiterer Mosaikstein bei der langwierigen Sanierung. 1733 ließ Großherzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz zwischen Wiesen, Wäldern und Seen eine Planstadt nach italienischem Vorbild errichten. Neustrelitz sollte die Residenz für Herzöge, Prinzessinnen und Fürsten werden, nachdem dieses Vorhaben in Neubrandenburg am Bürgerstolz gescheitert war. Vom Marktplatz aus verlaufen acht Straßen sternförmig, eine davon ist die Schloßstraße. Sie führt zur Orangerie und zum schönen Schlossgarten mit der Gedächtnishalle für die Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, der späteren preußischen Königin Luise. Das Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und danach abgetragen. Geblieben ist die neugotische Schlosskirche, das eigentliche Wahrzeichen der Stadt. Baumeister war Friedrich Wilhelm Buttel, ein Schinkel-Schüler, der auch den Alten Kornspeicher am Stadthafen entwarf.

„Mehr als 20 Jahre stand der Speicher leer, ehe wir da anfingen“, erzählt Hoteldirektor Olaf Töllner. Das alte Gemäuer rührte ihn und seine Frau, denn genau gegenüber betrieben sie ein kleines Hafencafé. „Wir dachten immer wieder: Da müsste man doch was draus machen können“, sagt Beate Töllner. Doch das war noch ein langer Weg. 1989 zog das Ehepaar mit den beiden Kindern Alexander und Carolin von Leipzig nach Neustrelitz und eröffnete einen Imbiss. Der Sohn lernte Koch, ging nach Bayern, kochte in Lindau, dann in Wolfsburg, Frankfurt, Hamburg und im schweizerischen Bad Ragaz.

Nach und nach wurden die Gebäude ringsum saniert, in den oberen Etagen entstanden Eigentumswohnungen, im Erdgeschoss kleine Läden. Töllners machten als zweites Objekt ein Hafencafé auf. Der Stadthafen wurde zum Anziehungspunkt. Obwohl der Zierker See eine Sackgasse ist, gibt es über den Kammerkanal eine Verbindung mit dem Woblitzsee und der Havel. Yachten können von Hamburg oder Berlin bis nach Neustrelitz fahren. Es entstanden ein beliebter Wasserwanderplatz mit einer Hafenmeisterei und gleich dahinter ein schöner Platz für Wohnmobile. Nur ein Schandfleck störte die maritimen Idylle noch: der heruntergekommene „Buttelspeicher“ aus dem Jahre 1856. Doch die Auflagen vom Denkmalschutz waren nicht ohne, dieses Millionenobjekt schien dem Ehepaar eine Nummer zu groß. Dann bot sich ein Investor an, wollte den Speicher teilen. Ein Hotel sollte in den unteren zwei Etagen entstehen. Der Sohn wurde aus der Schweiz geholt, um am Familienprojekt mitzuwirken. „Anfangs war ich skeptisch“, sagt Alexander Töllner. Inzwischen ist er aber froh – als Küchenchef mit seinem eigenen Hotelrestaurant.

2010 sprach die Familie Töllner die Neustrelitzer Architektin Kerstin Heller an, sie war von dem Projekt Alter Kornspeicher begeistert. Hofbaumeister Buttel hatte nicht nur viel Wert auf die Details gelegt, sondern auch auf gutes Material. So mussten zum Beispiel die Fenster nur vom Tischler aufgearbeitet und nicht ersetzt werden.

Weiß und Blau sind die bestimmenden Farben in den Zimmern und auch im Restaurant. Es wurden viele hochwertige und natürliche Materialien verwendet, Holz, Silber, Leinen. Es gibt 14 Zimmer, mit Bad oder Dusche, Doppel- und Einzelzimmer, mit oder ohne Balkon. Alle Zimmer sind mit einem Fahrstuhl zu erreichen, ein Zimmer ist komplett behindertengerecht.

Im Parterre links hat Carolin Töllner ihre kleine Kaffeerösterei mit Café eingerichtet. Sie führt fünf reine Sorten Kaffee und zwei selbst kreierte Mischungen. Dazu gibt es aus der hauseigenen Konditorei verschiedene Baisertorte.

Auf der rechten Hausseite ist Alexander Töllners Restaurant WildWasser. Wie der Name verrät, gibt es viel Fisch. Schließlich hat man in der Umgebung mehr als 1000 kleine Seen und jede Menge Fischer. Aber auch viel Wild wird es geben, denn die Töllners sind passionierte Jäger. Sie haben eine 400 Hektar große Jagd zu bewirtschaften und bieten ihren Gästen geführte Jagdbegleitung sowie Wildbeobachtungen.

Stark frequentiert wird Neustrelitz auch von Radlern, die auf dem Radweg Berlin–Kopenhagen hier gern Station machen. Sehenswert sind auch die Theatervorstellungen.

Das Neustrelitzer Theater hat eine lange Tradition, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Außerdem hat auch die Deutsche Tanzkompanie hier ihren Sitz. Sie erfreut im Sommer die Besucher auf dem Schlossberg.