Geschichte, Kultur, Natur und Genüsse zu Lande und zu Wasser – Athen und Umgebung bieten Entspannung und eine Menge Abwechslung.

Es gibt zwei Zeitrechnungen in Athen: vorher und nachher. Die Frage wird vom freundlichen Fahrer gleich im Taxi am Flughafen und anschließend von fast jedem weiteren Gastgeber gestellt: „Waren Sie schon einmal in Athen?“ Lautet die Antwort „Ja“, kommt prompt die nächste entscheidende Frage: „Vorher oder danach?“ Vor was? Nein, keine Angst, nicht vor der Krise. Nein: vor den Olympischen Spielen – oder danach. Denn Athen hat sich durch die Spiele massiv verändert – und zwar zum absoluten Vorteil, so die einhellige Meinung der Griechen. „Vorher war Athen die nördlichste Stadt Afrikas. Vorher war Athen laut und dreckig – jetzt ist es lebenswert“, sagt Fremdenführerin Ioanna Kolyvanou.

Mit den Olympischen Spielen 2004 wurden alle großen archäologischen Stätten durch Fußgängerzonen miteinander verbunden. Die Stadt war plötzlich für Fußgänger erlebenswert. Die Straßenbahn wurde gebaut und die U-Bahn deutlich erweitert. Das Verkehrschaos und der Smog wiederum deutlich reduziert. „Die Athener sind von ihrer neuen Stadt begeistert“, sagt Ioanna – und wünscht sich das Gleiche natürlich auch von den Besuchern aus aller Welt.

Die Griechin Ioanna Kolyvanou ist in München aufgewachsen – seit 23 Jahren macht sie nun Stadtführungen in Athen. Mit Höhen und Tiefen. Die schlimmste Zeit begann vor etwa drei Jahren – da kamen so gut wie keine Touristen mehr. Nur noch die kurzen Stippvisiten der Gäste von den Kreuzfahrtschiffen. „2014 geht es endlich wieder bergauf“, sagt sie. In diesem Jahr hat die Zahl der Touristen auf Rundreise um 40 Prozent zugenommen. Griechenland ist wieder im Kommen - und zwar ganz stark. In diesem Sommer kamen so viele Touristen wie nie zuvor.

Ioanna Kolyvanou liebt die griechische Geschichte – und das Akropolis-Museum ist ihr erstes Ziel an unserem gemeinsamen Tag. Das Museum ist einer der neuen Höhepunkte, die Antike und Moderne auf faszinierende Art miteinander verbinden. 2009 wurde das Museum eröffnet. 6,5 Millionen Besucher haben hier seitdem all die archäologischen Schätze der Akropolis bewundert. Und bei all der Vergangenheit ist die Zukunft schon eingeplant: Denn unter dem auf Betonstelzen gebauten Museum befinden sich noch reichlich Reste von historischen Häusern aus dem fünften Jahrhundert vor Christo, die auf eine Ausgrabung und Erforschung warten. Durch Glasböden kann man bereits auf die Grabungsstellen hinunterschauen. In einer Erweiterungsphase sollen die Häuser mit in das Museum einbezogen werden. Aus den Ausstellungsräumen hat man über riesige Fenster immer wieder die Athener Akropolis im Blick.

Der Aufstieg auf die Akropolis ist natürlich dennoch ein absolutes Muss. Hier zahlt sich eine gute Stadtführung aus. Dann hat man von der bekanntesten Stadtfestung Griechenlands (das Wort Akropolis heißt übersetzt übrigens nichts anderes als Burgberg) nicht nur einen wunderbaren Blick über die Millionenstadt, sondern auch noch einen überaus interessanten Einblick in die Geschichte. Ioanna Kolyvanou jedenfalls erklärt uns auf spannende Art und Weise fast jeden Stein. Das flache, 156 Meter hohen Felsplateau war in seiner Geschichte Sitz der Könige, Schutzburg und schließlich Tempelberg der Athener. Der bekannteste der Tempel – der Parthenon – ist der Tempel der Stadtgöttin Pallas Athena Parthenos. Er wurde aus Dank für die Rettung der Athener durch die Göttin nach dem letzten Perserkrieg erbaut und prägt das Bild der Akropolis seit fast 2500 Jahren.

Verdammt viel Geschichte hier – auch wenn man sich schließlich auf die Straßenebene zurückbegibt. Die Athener Straße unterhalb der Akropolis beispielsweise ist ein solches Phänomen: Hier gibt es wahrscheinlich nichts, was es nicht gibt. Mitten in der Stadt kann man hier sogar Aufsitzrasenmäher, Kettensägen, Pumpen, Haustiere oder alle erdenklichen Schrankbeschläge kaufen.

Spätestens bei der Frage nach dem Warum begibt man sich auf eine Zeitreise. „Das ist hier seit 3000 Jahren der Marktplatz für alles. Warum sollte man das ändern?“, fragt Ioanna. Leicht rhetorisch natürlich.

Geografisch gleich um die Ecke, aber thematisch meilenweit entfernt befindet sich der schräge Designerladen Remember Fashion von Altrocker Dimitris Tsouanatos. Hier haben sich bereits Punk- und Rockgrößen wie Iron Maiden, Sex Pistols und die Ramones eingekleidet. Im Hinterhof lebt sich Tsouanatos mit Skulpturen und Installationen aus. Der Laden und sein Besitzer sind ein Erlebnis – auch wenn man den Modegeschmack nicht teilt.

Genug der Stadt. Man muss auch einmal durchatmen: Wer Städteurlaub und ein wenig Inselhopping miteinander verbinden will, der kann von Athen (beziehungsweise Piräus) aus mit der Fähre zu den Saronischen Inseln oder mit dem Schnellboot nach Hydra fahren. Es gibt sogar Mini-Kreuzfahrten für einen Tag, bei denen mit einem schnellen Katamaran die Inseln Hydra, Poros und Ägina besucht werden.

Wobei das rund 65 Kilometer entfernte Eiland Hydra der absolute Höhepunkt ist. Die autofreie Insel, die ihren Namen einer Zeit verdankt, als sie noch reich an Wasservorräten war, ist trotz zahlreicher Tagestouristen eine wirklich malerisches Idyll. Große Teile des Baumbestandes der Insel wurden in der Vergangenheit für den Bau von Schiffen abgeholzt – den Rest vernichtete ein Waldbrand in den 1990er-Jahren.

Ein Süßwassersee hinter dem Strand ist Freibad mit knabbernden Fischen

Die Bewohner achten streng darauf, dass sich die Insel nicht zu sehr verändert: Plastikstühle sind auf Hydra ebenso verboten wie Swimmingpools, Tennisplätze, Diskotheken, Leuchtreklamen oder Satellitenschüsseln. Hauptverkehrsmittel auf der Insel sind Mulis, die unten am Hafen mit ihren Führern auf die Gäste warten.

Selbst wenn man bei einem Tagesausflug nur wenige Stunden auf der Insel ist: Ein Bummel entlang der Hafenmole und durch die engen Gassen ist ein unvergessliches Erlebnis. Wenn man die Hafenbucht auf der westlichen Seite verlässt und der schmalen Straße etwas den Felsen hinauf folgt, landet man nach wenigen Minuten an einem Café und Restaurant, das sich mit seinen kleinen Tischen und Sonnenschirmen eng an den Fels schmiegt. Ein Kaffee oder erfrischendes Kaltgetränk in aller Ruhe etwa zehn Meter über dem hellblau leuchtenden Mittelmeer – was will man mehr?

Mit dem Tragflächenboot dauert es etwa anderthalb Stunden bis nach Hydra. Die Tages-Kreuzfahrt, die morgens in Piräus startet, führt zuerst nach Hydra, dann nach Poros und Ägina. Auch wenn der eigentliche Aufenthalt auf den jeweiligen Inseln mit anderthalb bis drei Stunden jeweils überschaubar bleibt – ein erholsamer und abwechslungsreicher Tag ist es allemal. Wer mehr Zeit hat, kann natürlich mit normalen Fähren von Insel zu Insel fahren.

Aber aufs Land kommt man von Athen aus auch ganz schnell mit dem Auto: Wer vom Athener Zentrum zum Mittelmeer hinunterfährt und dann der Küste immer weiter in Richtung Südosten folgt, gelangt ziemlich schnell in die Naherholungsgebiete der Athener – in die Attische Riviera.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt mit dem Auto erreicht man dann ein kleines Kuriosum: Der Vouliagmeni-See ist ein Süßwassersee direkt hinter dem Strand. Der am Fuße eines vielleicht 30 Meter hohen Felsmassivs liegende, bis zu 16 Meter tiefe See befindet sich nur einen halben Meter über dem Mittelmeer. Der See wird von unterirdischen heißen Quellen gespeist und reicht mit mehr als vier Kilometer langen Höhlen ins Erdinnere. Im See, der als Freibad dient, schwimmen kleine Fische, die abgestorbene Hautreste von den Füßen abknabbern. Von den Athenern wird das Gewässer auch der „therapeutische See“ genannt.

Folgt man der Straße weiter, erreicht man nach einer kurvenreichen Stunde voller schöner Aussichten auf das Meer und die Küste das Kap Sounion mit dem Poseidon-Tempel. Die Ruine des Marmorgebäudes liegt etwa 60Meter über dem Meer auf einem steil ansteigenden Felsen. Der Tempel stammt wie die Akropolis aus dem 5.Jahrhundert vor Christus.

Der Legende nach soll sich hier König Ägeus von Athen ins Meer gestürzt haben, als er das Schiff seines Sohnes Theseus mit schwarzen Segeln aus Kreta zurückkehren sah. Der König dachte, sein Sohn sei tot. Theseus allerdings hatte im Siegesrausch über Minotaurus vergessen, die Segel gegen weiße auszutauschen. Seither brachten Seeleute an dieser Stelle Tieropfer und baten den Meeresgott um eine sichere Überfahrt. Heute lassen Besucher einfach die grandiose Aussicht über das Meer und die Inseln auf sich wirken.

Aber auch das macht hungrig. Deshalb ein Tipp: Nur ein paar Minuten mit dem Auto die Straße weiter in Richtung Osten liegt die Taverna Syrtaki. Die Familie Vallis – aktuell Oma Anna, Enkel Satiris sowie die Eltern Fani und George – betreibt die Taverne seit fast 50 Jahren. Krise? Nein, davon sei bei ihnen nichts zu spüren. Die Griechen kommen ebenso wie andere Touristen weiter an das Kap Suonion. Als Stammgast und Nachbar Nicholas Iniopoulos das deutschsprachige Gespräch an unserem Tisch hört, setzt er sich zu uns. Der 71-Jährige ist sein Leben lang zur See gefahren. Mit 16 Jahren war er zum ersten Mal in Hamburg. Dass manche Griechen den Deutschen oder Angela Merkel die Schuld an der Lage im Land geben, sei absoluter Unsinn: „Die Schuld an der Krise trifft Griechenland allein. Das war unser Ding“, sagt Nicholas Iniopoulos. Da werde versucht, von eigenen Fehlern abzulenken, einen Graben zu ziehen zwischen Menschen, zwischen Nord- und Südeuropa.

Er sei viel in der Welt herumgekommen, sagt der alte Grieche. Und eines habe er dabei gelernt: „Wir sind alle gleich. Die Unterschiede zwischen den Menschen sind marginal.“ So schön einfach kann Politik sein – in der Abendsonne, beim Blick auf das Mittelmeer und bei einem guten Essen.