Die Region bei Schwerin ist ein Schatz für Vogelfreunde

Bleischwer hängt eine Wolkendecke über diesem Sonntagmittag, als Käpt’n Holly Brückmann die Leinen des Lewitz-Kiekers „MS Albert“ löst, in See sticht und Fahrt aufnimmt. Wobei See sich in diesem Fall als schnurgerader Kanal entpuppt und Fahrt als happige Übertreibung für die Sechs-Stundenkilometer-Schleichpirsch des umgebauten Schubschiffs aus den 1950er-Jahren. Nichts soll die Ruhe stören und nichts den Genuss an der sensiblen Natur – denn darum geht es hier.

Vor Wind und Regen schützen auf dem Schiff Seitenplanen, gegen aufkommende Kälte helfen Decken. Mit Kaffee und Bockwurst wird von innen geheizt, und den letzten Miesepetern treibt Ralf Ottmann die schlechte Stimmung im Handumdrehen aus. Sein Gute-Laune-Trick: Erst startet er ein Gewinnspiel mit einem Lewitz-Bildband als Hauptpreis, dann zückt er einen Vogelstimmenstift und lässt sein Publikum herausfinden, welche Laute zu welchen Vögeln gehören.

Ralf Ottmann ist Lewitz-Ranger, passionierter Vogelkundler, ambitionierter Fotograf und engagierter Naturschützer – eine ideale Kombination für Streifzüge zu Land und zu Wassern der Lewitz. Ein Naturjuwel im Südwesten der Landeshauptstadt Schwerin, das seit Jahrhunderten friedlich vor sich hin schlummert, selbst vielen Mecklenburg-Kennern (noch) kein Begriff.

Eine Landschaft mit Wäldern, Mooren, Teichen, Kanälen und vor allem Wiesen, so weit das Auge reicht. Ein Schatz folglich für Naturliebhaber, allen voran Ornithologen, denen „Jagdglück“ in Gestalt von See- und Fischadlern, Silberreihern, Kiebitzen, Eisvögeln, Beutelmeisen, Drosselrohrsängern, Gebirgsstelzen, Rohrweihen, und Kranichen winkt – vorausgesetzt, sie vertrauen sich einem Profi wie dem Lewitz-Ranger an.

Wie im Flug ist so die erste Stunde vorüber, und zum Lohn für Ottmann und seine Gäste zeigt jetzt auch der Wettergott seine gnädige Seite: Erst dreht er den Regenhahn zu, dann piekst er Löcher in die Wolkendecke und sendet erste zögerliche Sonnenstrahlen hindurch. Das Signal für „Alle Mann an Deck!“, um die gefiederten Schönheiten zu beobachten. Lange warten muss die Truppe nicht. Wie auf Kommando steigt ein Seeadler hinter den Bäumen auf, schraubt sich majestätisch in die Höhe und präsentiert ein paar Einheiten Schaugleiten. Dann entdeckt Ottmann einen Eisvogel bei gründlicher Gefiederpflege – allerdings nur für die Leute mit Fernglas gut zu beobachten. Ganz anders sieht es mit den Gänsen aus, die wenige Minuten später in großen Gruppen auf den Feuchtwiesen rasten und ab und an ausschwärmen – ein faszinierendes Spektakel.

Einmal Rechtsabbiegen vom Stör- in den Friedrich-Franz-Kanal – nun geht es ins Naturschutzgebiet der Teich-Lewitz. Auch hier lassen uns die Hauptdarsteller nicht im Stich: Erst zeigt ein Roter Milan seine Flugkünste, dann toben zwei Mäusebussarde durch die Luft. Silberreiher schreiten gravitätisch am Ufer entlang, in der Mitte eines abgelassenen Karpfenteiches hockt ein Seeadler wie ein König auf dem Thron.

Nach kurzem Halt an der Dütschower Brücke und Blick vom Aussichtsturm geht es retour. Passend zur Show der Tiere zieht jetzt der Himmel allerlei theatralische Register. Dramawolken. Regenbögen. Lichtspiele. Sonnenschein. Es wird wärmer und schöner.

Noch einmal gibt es ein Intermezzo, als sich Familie Hirsch in einer Waldschneise die Ehre gibt. Der Kapitän stoppt die Maschine, und minutenlang starrt Mensch auf Tier und Tier auf Mensch. Bis Vater Hirsch das Shooting mit einer lässigen Kopfbewegung beendet und samt Damen und Kindern im Walde verschwindet.

Auch Biber kann man sich hier mit Ralf Ottmann genauer ansehen, wieder mit dem Lewitz-Kieker. Aber erst beim nächsten Mal.