Die Hamburgerin Edda Schütte betreibt einen großen blühenden Park in Groß Siemen.

„Wenn Sie meine Frau suchen, erkennen Sie sie am schnellen Schritt oder an den Rosen im Arm“, sagt Dieter Schütte, Schlossherr in Groß Siemen, den man vor dem Portal antrifft. Schon hier duftet es nach Rosen. Rechts vom italienisch anmutenden Palazzo taucht man in ein Meer aus Blüten. Der Rosenpark zählt zu den üppigsten Mecklenburg-Vorpommerns und zu den Highlights der Gartenroute im Ostseeland.

Ein sportlich-elegantes Leinenkleid, Perlenkette und 100 Prozent Energie. Das muss sie sein, und sie trägt wirklich einen Rosenstock. „Warten Sie, ich komme gleich“, ruft sie und verschwindet hinter einer Heckenrose. Edda Schütte, gebürtige Hamburgerin, kümmert sich um alles, um lachsblühende Charles Austins, pinkfarbene Margerite Hillings, weiße Damascenas, den Haushund Anka und um die Besucher. Zwischen verschwenderisch bepflanzten Rotunden, Rabatten und Rondells erklärt sie die Baugeschichte des Gutshauses von 1886, macht Führungen durch den denkmalgeschützten Landschaftspark, gibt Pflegetipps für spezielle Sorten und holt aus der Küche schnell eine Torte fürs Orangerie-Café. Und sie lächelt. Stress? Was ist das?

Der Garten lehre sie, dass man manche Dinge akzeptieren müsse

Der fünf Hektar große Rosenpark ist ihr „Tüdelgarten“, wie man in Hamburg so sagt. „Im Garten blühe ich auf“, sagt die im Alstertal aufgewachsene Frau. Im Schatten einer großen Eiche stehen frisch aufgebrühter Kaffee und die hauseigene Rosentorte auf dem Gartentisch. Ruhig sitzen fällt schwer, wo doch Frühling und alles in Bewegung ist – die 200 Jahre alten Eichensolitäre, mächtige Rot- und Blutbuchen, italienische Ahorne, hohe Eschen, Apfelbirnbaum und der mäandernde Hellbach, Pfauen, indische Laufenten, Schafe und Frösche. Und besonders die 3500 historischen und Englischen Rosen, die auf terrassenartig angelegten Beeten, in Laubengängen und an Rankgittern wachsen und sich zwischen Rhododendren, Jasminsträuchern, Pfaffenhut, Lavendel, Iris, Lilien und Margeriten überschwänglich hervortun.

Geht man mit ihr an den duftenden Schönheiten vorbei, zupft die Gutsherrin hier, rupft dort, knipst einen Trieb ab. Früher hat sie sich mit nüchternen Paragrafen herumgeschlagen. „Ich kam auf die Rose, weil ich vielleicht selbst ein wenig stachelig bin“, sagt die Gartenbegeisterte fröhlich. Auch Rosen sind wehrhaft, und sie weigern sich manchmal, so zu blühen, wie sie es sich vorstellt. „Geduld ist nicht meine größte Tugend“, bekennt sie. Der Garten lehre sie, dass man manche Dinge akzeptieren müsse, etwa das Wetter oder die Rehe, die gern Knospen verspeisen.

Manche Rosen strahlen morgens mehr, andere abends

Als die sechsköpfige Familie das Gutshaus vor 13 Jahren kaufte, fand Edda Schütte davor zwei alte Rosenstöcke, die genauso verwahrlost waren wie das Gebäude. Sie begann, nach diesen Sorten zu suchen, und verfiel der Sammelleidenschaft. Im siebten Gartenjahr kam ihr die Idee für den Rosenpark. Eine Favoritin? Nein, dafür gebe es zu viele schöne, sagt die Kennerin und zählt die Souvenir de la Malmaison, Ghislaine de la Feligonde, Rose de Resht, Charles Austin, Brother Cadfael, William Lobb dazu. Manche strahlen morgens mehr, andere abends. Andere duften spät, aber wie verrückt. Natürlich hat sie im Rosenpark auch französische Sorten. Aber die Englischen sind ihr besonders lieb, „weil sie so knuffig, so verspielt sind und ihr Kleid bis zum Verblühen ständig wechseln.“

Nur rote Blüten kommen nicht in den Garten der Rosensammlerin. Ihr Traum changiert in Weiß, Zartrosa, Pink, Lila und Purpur. Die meisten verbinden die Rosenblüte mit Juni/Juli. Doch historische Sorten blühen schon ab Mitte Mai mit einer Hauptblütezeit und schwächeren Nebenblüten. Andere haben permanenten Blütenwechsel.

Edda Schütte hat noch eine andere große Leidenschaft. „Ich liebe alte Gemäuer“, sagt sie. Was andere als Last empfinden: Sie mag das Entkernen, Wände putzen, Dielen schleifen, Kabel verlegen. „Zuerst wollte ich Häuser entwerfen, dann habe ich Jura studiert. Heute gestalte ich Landschaft um die Häuser herum.“ Die Schüttes kam nach Mecklenburg-Vorpommern, weil Eddas Großvater von hier stammte, aber auch, weil die vier Kinder in der Natur aufwachsen sollten. Das Herrenhaus in Groß Siemen ist das dritte vollendete Ruinen-Restaurierungsprojekt – nach einem alten Pfarrhof in Retschow und einer Stadtvilla in Bad Doberan. Immer wieder neu anfangen, das ist für die 52-Jährige eine Herausforderung. Weil man an Träumen festhalten müsse.

Über Brücken und Rundwege erreicht man die Gartenbereiche

Inzwischen gibt es nur noch neue Pläne für den Park. „Ein Gutshaus braucht Luft zum Atmen!“, hatten sich die Schüttes damals gesagt. Doch über den sanft geschwungenen Hügeln der mecklenburgischen Endmoränenlandschaft war ein Schutthügel gewachsen. „Den mussten wir erst einmal mit Baggern räumen.“

Mühsam stellten sie die natürliche Anlage des 30 Hektar großen Landschaftsparks wieder her, der heute unter Denkmalschutz steht. Sichtachsen wurden freigelegt, Wildwuchs herausgenommen, der Obstgarten revitalisiert, ein Teich mit Badesteg angelegt, und gepflanzt, gepflanzt, gepflanzt.

Das Areal durchfließt der Hellbach. Über Brücken und Rundwege erreicht man die Gartenbereiche, schlendert an der Orangerie vorbei, die vor fünf Jahren entstand. Auf Sitzbänken zieht man genüsslich den Rosenduft ein, beobachtet Wild, Störche oder Kraniche. Im Baumwipfel schreit ein Pfau. „Sie melden uns Gäste noch vor dem Hund“, sagt die Rosenpark-Chefin. Früher hatte das Gut 400 Hektar, von denen heute ein Großteil unter Biotopschutz fällt. Am liebsten würde Edda Schütte das Gelände noch weiterentwickeln, doch sie stößt an die Vorschriften des Flora-Fauna-Habitat-Gebietes. Das nächste Projekt ist ein Musiktempel auf dem Berg. Schon jetzt zählt das Gutshaus zu den Festspielplätzen des Musikfestivals Mecklenburg-Vorpommerns.

Als Abendkind hat Edda Schütte einen Lieblingsplatz. Vor der Eibenhecke betrachtet sie den Sonnenuntergang. www.gutshaus-gross-siemen.de