Kleine Fluchten Das Europa Hotel Kühlungsborn, ein erstklassiges Beach-Hotel, bringt ein wenig Frankreich an die Küste

Huch, in Paris gelandet? Dem Navigationsgerät ist ja vieles zuzutrauen, aber nach knapp zwei Stunden Fahrt von Hamburg aus können wir noch nicht in Frankreich sein. Es sieht aber ein bisschen so aus. Die Fassade des Europa Hotels Kühlungsborn ist mit geschwungenen Stahlbalkonen und verspielten Elementen verziert, und das zur Meerseite gelegene Restaurant gleicht einer richtigen Brasserie. Die Tische sind zwar nicht ganz so eng gestellt und das Stimmengewirr nicht so ausgeprägt und vibrierend wie in la France, aber es sitzen ja auch Deutsche beisammen. Da gilt sogar Schweigen ab und an als Konversation.

Pardon. Zurück zum Hotel. Es hat Glück gehabt, dass es nach langer Geschichte in die Hände von Axel Matzkus geriet. Er kaufte die Perle direkt am Strand 1995 und machte daraus ein erstklassiges Beach Hotel mit Saunalandschaft. Es gibt 63Zimmer und Suiten im Haupthaus und 52 in der Dependance nebenan, wo auch das Steakhaus Ribs & Bones sowie das Kosmetikstudio Sothys von Matzkus’ Frau Yvonne untergebracht sind. Manche Suiten haben riesige Balkone, auf denen man im Strandkorb das Treiben auf der Ostseeallee beobachten kann.

An der drei Kilometer langen Allee steht eine Villa neben der nächsten, zusammen ergeben sie ein wundervolles Beispiel der klassischen Bäderarchitektur – und hinter den Türen lauert erstklassiger Klatsch und Tratsch. „Wir befinden uns auf der Lästermeile der Vergangenheit. Jedes Haus beherbergt eine Geschichte, die Romane füllen könnte“, sagt Hanka Boltz.

Wer am Wochenende in Kühlungsborn ist, sollte unbedingt eine Führung mit Hanka Boltz unternehmen. Sonnabends um 10.30 Uhr startet sie am Haus des Gastes. Selten erfährt man für drei Euro so viel und auch so viel Lustiges über einen Ferienort. Was noch zum Pflichtprogramm gehört: mit der Dampf-Schmalspurbahn Molli nach Bad Doberan fahren. Sie verkehrt seit mehr als 100 Jahren auf der Strecke, das bedeutet 15 Kilometer Nostalgie. Während des G8-Gipfels 2007 diente Molli für die Journalisten als Shuttle zwischen dem Pressezentrum in Kühlungsborn und Heiligendamm.

Sehr interessant ist auch der Ostsee-Grenzturm, einer der letzten erhaltenen überhaupt. Unter der Woche kann man die schmale Leiter im Inneren hochsteigen. Einmal dort stehen, wo nach Republik-Flüchtlingen Ausschau gehalten wurde, ein komisches Gefühl. „Mit ihren Ferngläsern sahen die jeden Leberfleck“, erzählt Hanka Boltz. Ein Mutiger schaffte es dennoch, in 24 Stunden bis nach Fehmarn zu schwimmen. Der Turm liegt nur zwei Minuten vom Europa Hotel entfernt, wo es ebenfalls einen Turm gibt, in dem man sich allerdings wesentlich wohler fühlt. Außerdem wird hier der wahrscheinlich beste Cappuccino von Kühlungsborn gebrüht. Das Barista’s funktioniert tagsüber als klassisches Kaffeehaus, abends ändert sich das Ambiente, und anstatt Kaffee und Kuchen werden Cocktails serviert.

Der Direktor scheint ein Hase-und-Igel-Typ zu sein

Die Gin-Auswahl muss ein Kenner getroffen haben. Vielleicht Mario Kettler, der Direktionsassistent. Er scheint so ein Hase-und-Igel-Typ zu sein. Egal zu welcher Uhrzeit man an der Rezeption vorbeikommt: Er ist schon da. Immer mit einem guten Freizeit-Tipp zur Stelle; so spart sich der Besucher jeden Reiseführer. „Doch, ich verlasse das Hotel auch mal“, sagt Kettler. Um zu schlafen und um in der Ostsee zu versinken. Gemeinsam mit dem Küchenchef geht der 38-Jährige tauchen, manchmal schwimmt ihnen dabei sogar das Abendessen vor die Brille. „Das Meer fühlt sich gar nicht so kalt an, wie viele denken“, sagt Kettler und lacht. Aber Tauchtouren unternehmen wir dann doch lieber im Mittelmeer, im richtigen Frankreich.