Superlative wie das größte Einkaufszentrum der Welt und das höchste Gebäude der Welt ziehen vor allem im Winter immer mehr Besucher an.

Keine Frage: Die frischen Brötchen, das Obst und das Müsli haben Aufmerksamkeit erregt. Jetzt kurz aufstehen und einen neuen Saft holen? Wäre wohl keine gute Idee, denn freche Beos und kleine Tauben sind bereits in Lauerstellung. Lässt man sie gewähren, stürzen sie sich sofort auf die Teller, wenn ein Gast weg ist.

Plötzlich ein spitzer, gellender Laut – und alle hungrigen Vögel verschwinden panisch Richtung Strand. Warum, wird Sekunden später klar: Ein Falke ist gestartet und nun hinter ihnen her. „Fangen wird er sie wohl nicht, ihnen aber zumindest einen gehörigen Schrecken einjagen“, sagt Simon Caws. Er arbeitet beim Al Hurr Falconry Service und kommt zurzeit jeden Morgen auf die Terrasse des Jumeirah Zabeel Saray. Seine Aufgabe: mit Falken-Präsenz dafür sorgen, dass die Bewohner des Luxushotels möglichst ungestört ihr Frühstück genießen können.

So eine Dienstleistung, die man woanders kaum erleben dürfte, passt zu Dubai. Denn hier, am Rande der Wüste, sind die anmutigen Raubvögel noch immer ein wichtiger Teil der einheimischen Kultur. Mehr als 20.000 Falken soll es in den Vereinigten Arabischen Emiraten (V.A.E.) geben. Früher wurden die Raubvögel von den Beduinen als Jagdgehilfen eingesetzt, weil man mit ihnen besser an Beute kam als mit dem Gewehr. Heute ist die Falknerei meistens ein Hobby, wobei die Rolle der Tiere als Statussymbol keinesfalls zu unterschätzen ist. Unter 5000 Euro bekommt man keinen Falken, besonders prächtige können mehr als 100.000 Euro kosten.

Der Scheich hatte vor Jahren die Idee, sein Reich in Form einer Riesenpalme zu erweitern

Caws’ Exemplar dürfte eher ein Normalo sein, sonst würde er wohl nicht im Hotel umherfliegen müssen. Und auch sein Sender ist nicht allererste Liga: „Der hat nur eine Reichweite von ein paar Kilometern. Besser wäre einer mit GPS.“ Neulich zum Beispiel war der Falke rüber zum Atlantis-Hotel geflogen, da hat das Wiederfinden fast den ganzen Tag gedauert.

Das Zabeel Saray und das weitaus größere Atlantis sind beide auf der sogenannten Palm Jumeirah errichtet worden. Der Herrscher von Dubai, Scheich Muhammad bin Raschid al-Maktum, hatte vor Jahren die etwas kühne Idee entwickelt, sein Reich durch groß angelegte Aufschüttungen in Form einer Riesenpalme zu erweitern. Dort sollten dann luxuriöse Villen ebenso entstehen wie zahlreiche neue Hotels, die all jene Gäste beherbergen, die mit der stetig wachsenden Emirates-Flotte an den Arabischen Golf kommen. Die Strategie dahinter war eindeutig: weg vom ohnehin nie so bedeutend wie in Abu Dhabi oder Saudi-Arabien fließenden Öl, hin zum globalen Tourismus. Und weil eine Riesenpalme allein nicht genügte, plante man noch gleich zwei weitere sowie eine Inselwelt in Form einer gigantischen Weltkarte. Doch dann begann die große Finanzkrise, und viele Projekte wurden zunächst auf Eis gelegt. Mancher unkte damals bereits, ganz Dubai sei im doppelten Sinne wohl nur auf Sand gebaut und die Vision vom Übermorgenland nicht länger zu halten. Wäre der Nachbar Abu Dhabi nicht in letzter Minute als Finanzier eingesprungen, hätte es tatsächlich böse enden können.

Inzwischen jedoch hat sich die Wirtschaft erholt, Dubai wirkt quirliger denn je. Weitere Hotels – darunter ein Waldorf Astoria, ein One & Only und ein Anantara – auf der Palm Jumeirah wurden eröffnet, das Riesen-Bauprojekt Dubai Marina ist weitgehend vollendet. Superlative wie die Dubai Mall (größtes Einkaufszentrum der Welt) und der Burj Khalifa (mit 828 Metern höchstes Gebäude der Welt) ziehen vor allem im Winter immer mehr Besucher an, zumal man in den Emiraten selbst dann noch baden gehen kann, wenn in Europa Schnee liegt. Von Mai bis September wird es dafür mit Werten jenseits der 40-Grad-Marke so heiß, dass es außer in einem der Wasserparks, am (gekühlten!) Hotelpool oder in einem klimatisierten Gebäude nur schwer auszuhalten ist. Immer mehr Gäste jedoch trotzen den hohen Temperaturen und nutzen die Gunst der Nebensaison, um zu den dann deutlich moderateren Raten den opulenten Luxus der Fünf-Sterne-Hotels zu genießen. Auch Stopover-Aufenthalte, bei denen Langstrecken-Passagiere ihre Flugreise für ein paar Tage unterbrechen, sind beliebt.

Am Jumeirah Beach, wo weitere luxuriöse Häuser stehen, ist seit Jahren fast immer volles Haus

So hektisch Dubai mit seinen vielspurigen Autobahnen und eindrucksvollen Wolkenkratzern jenseits der Palm Jumeirah heute wirkt, mag man kaum glauben, dass hier vor 50 Jahren weitgehend leere Ödnis war. Die Stadt hat sich binnen weniger Jahrzehnte vom unbedeutenden Fischerdorf zur multikulturellen Millionen-Metropole entwickelt. Vor allem die vergangenen 15 Jahre sind geprägt von einer Expansion, die selbst kühnste Träumer kaum für möglich gehalten hätten. Viele sahen und sehen in Dubai schon das neue New York der östlichen Hemisphäre. Und selbst wenn mancher noch immer davor warnt, es könnte auch ein zweites Babel werden, gilt festzustellen: Das atemberaubende Tempo und die exorbitanten Dimensionen, die Scheich Muhammad seinen Lieblingsprojekten verordnet, haben viel mit Realität und wenig mit Utopie zu tun.

Am Jumeirah Beach, wo das berühmte weiße Burj Al Arab und weitere luxuriöse Häuser der zum Scheichbesitz gehörenden Jumeirah-Gruppe stehen, ist seit Jahren fast immer volles Haus, deshalb wird nun auch der Madinat-Komplex erweitert. Selbst das zwischenzeitlich totgesagte Projekt The World scheint sich wieder zu beleben. Jüngster Coup des Emirates ist der Zuschlag für die Weltausstellung 2020. Diese Expo soll alle ihre Vorläufer in den Schatten stellen, 6,5 Milliarden Euro werden in das Projekt investiert.

2014 meldet Dubai, auch bedingt durch den weitgehenden Wegfall von Konkurrenten wie Ägypten, neue Besucherrekorde. Residiert der Feriengast in einem der erstklassigen Strand-Resorts, lässt er nach der Ankunft am Flughafen die hektische Betriebsamkeit der Megacity schnell wieder hinter sich und kann sich am Meer oder am Pool überlegen, wann ein Ausflug in die Hochhauswelt oder ein Trip in die Wüste lohnt. Oft, vor allem an den Wochenenden, kommen Dubais Einwohner und zahlreiche Besucher aus den umliegenden Emiraten in die Hotels, um dort den Abend in einem der Restaurants oder in einer Bar zu verbringen. Das weitläufige Madinat Jumeirah zum Beispiel zählt fast 50 Restaurants und einen hübschen Souk mit vielen Geschäften. Highlight der im arabischen Stil gebauten Anlage ist der 3,7 Kilometer lange Kanal, auf dem Gäste per Boot chauffiert werden. Auch das Atlantis mit seinem Riesen-Aquarium ist ein beliebtes Ziel externer Gäste.

In der Nähe wurde auch ein Museumsdorf im Stil einer alten arabischen Siedlung errichtet

Wer das etwas weniger prunkvolle, dafür aber authentischere Dubai kennenlernen will, sollte sich in Richtung Deira aufmachen. Dort, am Creek, wurde schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit Gewürzen und Waren aus aller Welt gehandelt, die alten Daus und billigen Wassertaxis sind ein ziemlicher Gegensatz zu den heute vorherrschenden Nobelyachten.

In der Nähe wurde auch ein Museumsdorf im Stil einer alten arabischen Siedlung errichtet. In diesem „Heritage Village“ kann man einiges über die Kultur und Geschichte der Golfregion erfahren. Steinhäuser mit Windtürmen (die früheren Klimaanlagen), Beduinenzelte und typische Marktstände vermitteln althergebrachte Lebensweisen. Im benachbarten Diving Village wird an die maritime Tradition Dubais erinnert, zu sehen sind dort unter anderem alte Utensilien der Perlentaucher, die früher sehr große wirtschaftliche Bedeutung hatten, und allerlei Schiffsmodelle.

Ob man sich zusätzlich eines der Nachbaremirate anschaut und einen Abstecher ins Hajar-Gebirge macht, hängt von der Gesamtreisedauer, den persönlichen Interessen und den gerade vorherrschenden Temperaturen ab. Mindestens ein Tag in der Wüste sollte jedoch nicht fehlen, denn der Gegensatz von lauter Stadt und stillem Sandmeer ist einzigartig. Es muss aber nicht unbedingt einer dieser unsäglichen Ausflüge sein, bei dem man mit Geländewagen die Dünen rauf- und runterbrettert. Lieber sollte man sich eine Nacht in einem exklusiven Wüstenresort oder in einem der luxuriösen Zelt-Camps gönnen. Dann kommt nämlich tatsächlich ein ganz besonderes Arabien-Gefühl auf. Einen Falken bei der Jagd wird man dort wahrscheinlich auch wieder sehen. Der ist dann aber garantiert nicht hinter Beos oder Tauben her, die einem das Frühstück vom Teller klauen wollen.