Der weltbeste Kakao kommt nach Meinung von Feinschmeckern von São Tomé und der Nachbarinsel Principe, zwei grünen Inseln am Äquator

Ciao, come stai“ – Hallo, wie geht’s? Claudio Corallo öffnet das schwere Eisentor zu seinem Haus an der Uferstraße von São Tomé. Nur wenige Schritte entfernt plätschert der Atlantik, auf dem Hof steht ein alter Fiat Panda und Wachhund Stella passt auf, dass niemand ungefragt die kleine Schokoladenmanufaktur betritt. Corallo kam vor fast 20 Jahren hierher und ist so etwas wie die kulinarische Visitenkarte der kleinen Inselrepublik an der Westküste Afrikas. Seine Schokolade zählt zu den besten der Welt, was nicht zuletzt an den idealen Bedingungen für Kakaopflanzen auf São Tomé und Principe liegt. Direkt auf Höhe des Äquators gelegen, scheint das ganze Jahr über die Sonne, die Regenzeit sorgt für ein schnelles, natürliches Wachstum.

São Tomé ist der zweitkleinste Staat Afrikas und hat seinen Namen dem Entdeckungstag 1471 am Tag des Heiligen Thomas zu verdanken. Als Reiseziel ist es sowohl für Badeurlauber als auch für Wanderfreunde geeignet. Eine besondere Herausforderung ist hierbei der über 2000 Meter hohe Pico São Tomé in der Mitte der Hauptinsel, der mit seiner spitzen Form weithin sichtbar ist. Die Inselrepublik ist aber vor allem für Naturliebhaber ein schier unerschöpflicher Fundus. Die zwei Inseln vulkanischen Ursprungs beheimaten mehr als 100 Pflanzenarten, die nur hier wachsen. Hinzu kommen viele seltene Vogelarten. Wer Exkursionen ins Landesinnere unternimmt, findet rechts und links der Wege Mango-, Jackfrucht-, Goldpflaumen- und Brotbaumbäume, viele verschiedene Bananensorten, Ananas, Hibiskus und immer wieder Kaffee und Kakao.

Überall sichtbar auf beiden Inseln ist auch die Vergangenheit als ehemalige Sklavenkolonie. Prunkvolle, verlassene Häuser erinnern an die Kolonialzeit des Landes, das erst seit 1975 unabhängig ist und lange unter der Herrschaft der portugiesischen Krone stand. Direkt im Golf von Guinea gelegen, ist Nigeria 200 Kilometer nördlich entfernt, Richtung Osten erreicht man zuerst Gabun auf dem Kontinent.

Die Mehrzahl der knapp 200.000 Einwohner lebt auf der 48 Kilometer langen und 32 Kilometer breiten Hauptinsel São Tomé. Es ist ein Leben ohne Stress und Hektik, getreu dem Insel-Motto „Leve leve“ – was so viel bedeutet wie „Immer mit der Ruhe, und alles wird gut“. Die Männer sind meist Fischer, Farmer oder Taxifahrer, die Frauen kümmern sich um Haus und Hof und treffen sich zum Wäschewaschen am Fluss. Auf dem Markt der Hauptstadt wird von früh bis spät gehandelt, in kleinen Bistros wird für umgerechnet 2 Euro Fisch mit frittierten Bananenscheiben serviert. Dazu gibt es für 50 Cent ein Glas Saft von einer Frucht namens Sape Sape. Sie schmeckt wie eine Mischung aus Ananas und Zitrone und ist sehr gesund, wie Carlos Horta versichert. Der 39-Jährige arbeitet bei der örtlichen Telefongesellschaft, macht gerade Mittagspause und freut sich über den Besuch aus dem fernen Deutschland. „Bayern München und Borussia Dortmund“, sagt er lachend. Die Namen kenne hier jedes Kind. Und noch ein Name fällt ihm ein: „Angela Merkel – eine gute, starke Frau“. Carlos muss wieder ins Büro, das Wochenende aber wird er, wie die meisten hier, an einem Strand mit Freunden bei Musik, Fußballspielen und etwas Zuckerrohrschnaps verbringen.

Claudio Corallo erinnert sich: „Eigentlich hatte ich nie etwas mit Schokolade am Hut, ich mochte sie noch nicht einmal.“ Lange Jahre war der Italiener aus Florenz auf Kaffeeplantagen in Zaire und später in Bolivien unterwegs und kam 1995 nach São Tomé und Principe. „Als ich damals hier die ersten Kaffeebohnen röstete, stellte ich fest, dass der Geschmack ein ganz anderer war“, erzählt Corallo. Dies habe ihn auf die Idee gebracht, sich auch die Kakaopflanzen näher anzusehen. Weil er sich jedoch kaum mit Kakao auskannte, besorgte er sich weltweit Proben prämierter Sorten, um vergleichen zu können. „Ich war erstaunt, denn alle hatten einen bitteren Beigeschmack.“ Er vermutete Fehler bei der Herstellung. „Ich wollte herausfinden, wie Kakao wirklich schmeckt.“

Das Ergebnis: Bitterer Kakao, sagt Corallo, sei ein großer Irrtum. Was als Qualitätsmerkmal verkauft werde, sei eigentlich ein Mangel: „Reiner Kakao ist weder bitter noch schwarz.“ Als er das in vielen Experimenten mit unterschiedlichen Trocknungs- und Röstverfahren herausfand, wollte er den reinen Kakaogeschmack konservieren und stellte eine Schokolade aus 100 Prozent Kakao her. Heute gibt es auch eine 75-prozentige mit Ingwer, eine 80-prozentige und auch kleine Schokoladenkugeln mit Kaffee-Stückchen, die Corallo weltweit an Feinkostläden liefert und auch online anbietet. Der Genuss hat allerdings seinen Preis: Eine Box mit 130 Gramm kostet rund zwölf Euro. Wer vor Ort einkauft, bezahlt nur acht Euro.

Auf São Tomé verarbeitet Corallo seinen Kakao zu Schokolade, am liebsten aber ist er an den einsamen Plätzen der kleineren Nachbarinsel Principe, wo der Kakao geerntet und produziert wird. Dort hat der Italiener auf seiner Plantage Teneiro Velho jene seltenen Kakaopflanzen rekultiviert, die zwar weniger ertragreich sind, aber in ihren goldgelben bis orangen Früchten ein unvergleichliches Aroma haben.

Principe verzaubert mit traumhaften Stränden wie dem Banana Beach, der den Namen seiner bananentypischen Form verdankt und an dem auch ein TV-Spot für Bacardi entstanden ist. Keiner muss befürchten, hier im Schatten eines anderen zu liegen, denn von den wenigen Touristen, die das Land bislang als Reiseziel entdeckt haben, machen längst nicht alle einen Abstecher nach Principe. Ihnen entgeht ein 18 Kilometer langes und zehn Kilometer breites Paradies – die „Insel der Prinzen“. Die Hälfte der Fläche ist als Nationalpark ausgewiesen, Regenwald und Strände prägen das Bild. Die wenigen Autos sind Geländewagen, denn nur eine Straße auf Principe ist asphaltiert. Es gibt nur ein Hotel, ein Gästehaus und mit Santo Antonio die mit 1300 Einwohnern kleinste Stadt der Welt. Dort treffen sich die Familien jeden Tag auf dem Markt und am Hafen, tauschen Neuigkeiten und Waren aus. Die Menschen pflegen ihr kleines Haus mit Vorgarten und sind stolz auf ihre Insel, die eine eigene Verwaltung unabhängig von São Tomé hat. Viermal pro Woche fliegt eine Propellermaschine von Africa’s Connection mit 18 Sitzplätzen die Insel an und bringt alles Notwendige. Ein Schiff von São Tomé verkehrt in unregelmäßigen Abständen. Die wenigen Gäste, die sich im feinen Bom Bom Island Resort ganz im Norden der Insel einquartieren, genießen absolute Ruhe und eine überwältigende Natur. Nicht selten sind morgens die einzigen Spuren am Strand die einer Meeresschildkröte, die nachts ihre Eier abgelegt hat.

„Ich möchte an keinem anderen Fleck der Welt leben“, sagt João, der auf Principe geboren ist – und man kann ihn verstehen. Die kleine Insel ist wie eine Welt für sich. Die zeigt João Hotelgästen auf einer Tour in kleine Fischerdörfer oder zur Villa Roca Sundi, die einst von der portugiesischen Königsfamilie bewohnt wurde. Aus dem herrschaftlichen Haus soll vielleicht ein weiteres Hotel entstehen, doch das ist Zukunftsmusik. Hotelburgen, versichert João, werde es hier nie geben. Principe bleibt eine kleine Insel für Prinz und Prinzessin.