Wenn kreative Köpfe beauftragt werden, ihren Visionen nachzugehen, entstehen oft irrwitzige Traumbilder. Viele verharren noch im Projektstadium, manche werden wohl nie gebaut.

Wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen, pflegte der verhinderte Architekt und Stadtplaner Helmut Schmidt zu sagen. Im Gegensatz zum ehemaligen Bundeskanzler lieben die meisten Architekten Visionen. Die „Stadt der Zukunft“ haben sie immer wieder entworfen, haben gezeichnet, wie „die Häuser der Zukunft“ aussehen würden oder „das Wohnen der Zukunft“. Dabei entstanden manchmal faszinierende Entwürfe, meist allerdings irrwitzige Traumbilder, befeuert mehr von einer überbordenden Fantasie als von einer realistischen Projektion. Der große Le Corbusier etwa lag ziemlich daneben mit seinen Stadtvisionen, in denen uniforme Punkthochhäuser in Parklandschaften stehen, zwischen denen es nur noch Schnellstraßen gibt, aber keine Fußgänger mehr; genauso wie die Architekten der Gruppe „Archigram“, die in den 60er-Jahren glaubten, die Städte der Zukunft würden aus „Wohnkapseln“ zusammengesteckt.

Futuristische Gebäude findet man auch unter Wasser

Auch eine ganze Reihe von sogenannten „Hotels der Zukunft“ gibt es. Wenige wurden schon in Angriff genommen, viele verharren noch im Projektstadium, manche werden wohl nie gebaut. Die Planungen für das Water Discus Hotel in Dubai sind immerhin ziemlich weit gediehen. Wie der Name schon andeutet, besteht das futuristische Gebäude aus mehreren Disken. Ein Teil schwebt aufgeständert über dem Meer, das gleiche Gebäudevolumen befindet sich noch mal unter Wasser – eine Mischung aus Star Trek und Jacques Cousteau. In jeder der Hauptschüsseln oben wie unten sollen sich 21 Suiten befinden. Entworfen wurde das Hotel von Deep Ocean Technology, deren Chef Bogdan Gutkowski kürzlich verkündete, es werde noch weitere dieser Unterwasserhotels „in allen Teilen der Welt geben“. Im Mai dieses Jahres genehmigte das Tourismusministerium der Malediven bereits einen ähnlichen Plan für die Insel Kuredhivaru.

Angebaute Lagunen der ganz anderen Art

In ganz anderen Dimensionen denken die Planer des „Apeiron Island Hotel“, das 300 Meter vor Beirut auf einer Insel im Meer entstehen soll. Mit seiner spektakulär aufragenden, gebogenen Struktur die mal als „The Rollmop“, mal als „The Pringle“ bezeichnet wird, scheint sich das Hotel schon jetzt als Location für einen der nächsten James-Bond-Filme zu bewerben. Das 500 Millionen Dollar teure Apeiron soll auf 200.000 Quadratmetern 350 Luxussuiten bieten, dazu Restaurants, eine Kunstgalerie, Geschäfte, Kinos – und eine eigene Lagune. Um in dieser Hotelliga mithalten zu können, will das Emirat Katar eine Lagune ganz anderer Art bauen. Amphibious 1000 soll „das erste Halbunterwasser-Hotel“ der Welt sein, halb auf dem Festland, halb ins Meer hinausragend. Sechs Landzungen breiten sich im Wasser aus wie die Arme eines riesigen Kraken. An den Stegen befinden sich, wie an einer Perlenkette aufgereiht, 80 schwimmende Luxussuiten, die wegen ihrer runden Form „Jellyfish“ (Quallen) heißen und über jeweils vier Stockwerke verfügen, davon zwei unter Wasser. Zu der Anlage soll ein Yachthafen für rund 100 Schiffe gehören mit Panorama-Restaurant und Aussichtsturm. Noch ist allerdings unklar, wo das ehrgeizige Projekt umgesetzt werden soll – und wann.

Der Öko-Tourismuss ruft nach Organischer Architektur

Mit solchen arabischen Vorstellungen von Luxus hat der „Graft Tower“ für San Juan in Puerto Rico nichts zu tun. Er soll ein Hotel beherbergen, das sich den Öko-Tourismus auf die Fahnen schreibt: Angeblich produziert das Hochhaus mehr Ressourcen, als es verbraucht. Der 38-stöckige Turm sieht aus, als hätten Schlingpflanzen einen Berg von Christbaumkugeln überwuchert – „organische Architektur“ der modischsten Sorte. Die Tragestruktur soll aus Karbonfasern bestehen und entsprechend dem Bedarf in die Höhe wachsen. Jede neue Wohnkapsel wird von einem Kran in die Konstruktion gehievt. Das erinnert stark an die Fantasien der „Archigram“-Architekten, die sich nirgends auf der Welt durchgesetzt haben, weil solche Konstruktionen viel zu anfällig sind. Aber man kann es ja noch mal versuchen. Wie es im Inneren dieser Wohnkugeln aussieht, geht aus den Computeranimationen nicht konkret hervor, sie sollen aber mehrstöckig sein, und wie zu erkennen ist, muss man ziemlich bald den Kopf einziehen, wenn man die Raummitte verlässt. Am gesamten Gebäude soll schließlich Spontanvegetation sprießen, bewässert aus Tanks, die überall den Regen auffangen. Hoffentlich bekommt der Turm auch einen guten Hausmeister.

Das Hotel auf den Häusern der Stadt

Wie eine Schnapsidee klingt dagegen das Projekt Heart Hotel für New Yorks 23. Straße. Hier soll kein in sich abgeschlossenes Gebäude entstehen, sondern ein in die Bebauung ragendes Gebilde. „Kernidee ist, Hotelgäste näher zu den Bewohnern der Stadt zu bringen“, beschreiben die Architekten Arina Agieieva und Dmitry Zhuikov ihr Projekt. „Indem wir die Hotelzimmer auf bestehende Gebäude – Bürohäuser wie Wohnhäuser – verteilen, ermöglichen wir es Hotelgästen, ein Feeling für die Stadt zu bekommen.“

Umgekehrt soll auch das Leben der Anwohner „bereichert“ werden durch ein bizarres zentrales Gebäude. Es sieht aus wie ein Südseefisch, der zwischen den Häuserfronten über der Straße hängt und in den man über Rolltreppen und Fahrstühle hineingelangt. Hier sollen sich Touristen und Anwohner mischen und dadurch besagtes „lebendiges öffentliches Leben“ schaffen. Man kann sich ausmalen, wie glücklich die Anwohner werden, wenn die Gäste aus aller Welt mal wieder bis tief in die Nacht für „öffentliches Leben“ sorgen. Auch Berlin hat in Bezirken wie Kreuzberg oder Friedrichshain solche Erfahrungen mit Touristen gemacht. Wenn dann frühmorgens vor einem Hauseingang der reihernde Besucher auf den zur Arbeit eilenden Berliner trifft – „näher zu den Bewohnern“ dürfte einen wohl nicht einmal das geplante New Yorker „Heart Hotel“ bringen.