Das Gut Gerdshagen im mecklenburgischen Satow wurde vielfach genutzt – heute entspannen Besucher am Kamin und lauschen klassischer Musik

Am Dorf Gerdshagen ist wohl schon jeder vorbeigefahren, der nach Kühlungsborn unterwegs war. Versteckt liegen die schönen Backsteinhäuser nur wenige Meter von der viel befahrenen Bundesstraße entfernt. Rund 100 Seelen sind hier beheimatet. Besonders ins Auge fällt das große, freistehende Gutshaus. Das weiße Gebäude wird umrahmt von einigen wunderschönen, alten Bäumen und ist umgeben von einem Burggraben. Freundlich begrüßt uns die charmante Deutsch-Brasilianerin Bettina de Oliveira-Arndt in Begleitung von Bella, der verspielten Riesenschnauzerhündin, die sich über die neuen Gäste ebenfalls sehr freut und ausgelassen über das Grundstück tollt. Am späteren Abend treffen wir uns mit unserer Gastgeberin im Kaminzimmer wieder bei einer guten Flasche Wein.

Im Verlauf unseres Gesprächs wird schnell klar, dass Bettina eine profunde Kennerin der Historie ist, denn sie hat selber viel über die Geschichte des Hauses recherchiert. 1555 wurde es als Gutshaus von der adligen Familie von Oertzen erbaut und nach dem weitgehenden Verfall im 30-jährigen Krieg im Jahre 1710 im barocken Stil wieder aufgebaut Die Ritterfamilie besaß damals viele Güter. 1820 wurde das Gut von der Familie Mühlenbruch erworben und neu ausgerichtet. Denn das Familienoberhaupt war Dirigent und Komponist am Hof von Schwerin. Und während sich Bad Doberan in dieser Zeit zu einem bedeutenden Zentrum der Kultur Mecklenburgs entwickelte, wurde auch dieses Haus immer häufiger von Künstlern wie Felix Mendelssohn Bartholdy aufgesucht. Da die Mühlenbruchs keine Nachkommen hatten, kaufte 1906 Otto Wiskott aus Hamburg-Blankenese, der im Kaffeegeschäft tätig war, das Gut. Sein Sohn hatte Landwirtschaft studiert und wollte nun den Betrieb übernehmen. Die nächsten drei Generationen verbrachten die Wiskotts nun an diesem Ort.

Dann folgte die übliche DDR-Nutzung des Gutes. Zunächst wurden Flüchtlinge hier untergebracht, eine LPG betrieb Schweine- und Rinderzucht auf dem Gelände, und bis Anfang der 70er-Jahre wurde das Gutshaus vom Bürgermeister des Dorfes bewohnt. In dieser Zeit war es auch Wahl- und sogar Tanzraum für die Gemeinde. Einen Schulraum und eine Arztpraxis beherbergte es zuweilen ebenfalls. „Man hat also Glück gehabt, dass es immer genutzt und dadurch instand gehalten wurde“, erzählt die Besitzerin, „denn Not erhält und ist die beste Denkmalpflege“, weiß sie aus ihren Recherchen.

So wurden die Originaltüren und die schönen Dielen, die man mit Linoleum abgedeckt hatte, erhalten. Da das Haus nach der Wende nicht unter Denkmalschutz stand, gab es schon weitreichende Pläne von westdeutschen Investoren zum Ausbau eines großen Ferienparks. Doch zum Glück wurden diese nicht realisiert.

1998 hatte das Ehepaar Arndt die Immobilie im Internet entdeckt und sie von der Gemeinde Satow erworben. Es folgte die Wiederinstandsetzung mit überwiegend einheimischen Handwerkern, was den Eheleuten viel Achtung in der Region einbrachte. Gern denken die beiden an den Tag der Eröffnung. „Um Punkt 15 Uhr standen alle Bewohner des Dorfes vor der Tür. Sie waren beeindruckt und freuten sich mit uns über die Wiederbelebung des Gutshauses.“ Seitdem sind alle glücklich über den Verlauf, denn die öffentliche Nutzung war ein Teil der Bedingung beim Kauf.

Dafür wurden vier große und sehr gemütlich möblierte Ferienwohnungen geschaffen, mit deren Einnahmen heute die Grundkosten des Hauses gedeckt werden. Sie alle, ob im ehemaligen Gesindehaus, in der repräsentativen Bel Etage oder unter dem Dach, zeichnet ein sehr privates Ambiente aus.

Und auch kulturell wird das Haus regelmäßig genutzt. Die Konzerte im Park unter uralten Eichen und einer 300 Jahre alten Esche sind ein großer Erfolg. „Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass wir niveauvolle Veranstaltungen bieten, die gut angenommen werden“, stellt die Eigentümerin zufrieden fest. Auch der ebenfalls auf dem Grundstück liegende alte Pferdestall wird dafür genutzt, und in der Vorweihnachtszeit findet hier das jährliche Adventskonzert statt.