Berge statt Meer, Pferderücken statt Wohnmobil – im österreichischen Gargellen verlebte eine norddeutsche Familie etwas andere Ferien. Das Hotel Mateera bietet Lagerfeuer und Eltern-Kind-Disco.

Der Wecker im Handy ist auf 7.30 Uhr gestellt, draußen nieselt es. Warum nicht weiterschlafen in diesem Etagenbett, das ganz kuschelig hinter einem Vorhang im Elternzimmer steht? Weil Saraia, Muscara, Bessy, Britney und die anderen Haflinger nur wenige Meter entfernt im Stall stehen und Lina, 7, gleich um 8 Uhr eine Reitstunde hat. Das frühe Aufstehen, während der Schulzeit verhasst und ein Stressfaktor für die ganze Familie, ist hier im Vorarlberger Familienhotel Mateera in Gargellen im österreichischen Montafon gar kein Problem. Ganz im Gegenteil: Zu groß sind Tatendrang und die Vorfreude aufs Reiten und auf die Pferde.

Wir Eltern und die fünfjährige Schwester Emmie drehen uns noch einmal um, während Lina sich ihre Reitklamotten anzieht und schnell aus dem Hotelzimmer stürmt, weiter über die Bergwiese hinter dem Hotel die paar Meter nach oben zum Pferdestall läuft. Dort gibt es heute das Reiterfrühstück, zu dem alle Kinder des Hotels ohne Eltern kommen können und von Jenny betreut werden. Frühstücken ist für Lina an diesem Morgen reine Zeitverschwendung. Dass sie in dieser Woche jeden Tag, wann immer sie will, zu den Pferden kann – das ist es, was zählt.

Für Eltern jüngerer Kinder, die nicht selbstständig im Reitstall verschwinden, bietet das Mateera zweimal pro Woche einen Ausschlafservice mit Kinderbetreuung an. Die Kleinen werden von Betreuerin Jenny oder Steffi ab 7 Uhr abgeholt. Sie backen zusammen Brot, bauen Staudämme, basteln in der Fantasiewerkstatt oder spielen Monopoly.

„Ich möchte gern in Österreich leben“, hatte Lina schon bei der Ankunft in dem 1000-Einwohner Bergdorf Gargellen gesagt. Noch bevor sie die sieben Haflinger kennengelernt hatte, noch bevor sie über blühende und duftende (kein Klischee!) Bergwiesen gelaufen war. Vielleicht liegt es daran, dass nur eine kaum befahrene Hauptstraße durch das Örtchen führt, oder an diesem Bergpanorama, das noch an den ersten zwei Tagen zu sehen war, bevor es in Nebel und Regen verschwand.

Für zwei Mädchen aus der Großstadt, die ihre Ferien mit den windsurfenden Eltern bisher ausschließlich an Stränden an Nord- und Ostsee oder auf Reiterhöfen in Meeresnähe verbracht haben, müssen die mehr als 2100 Meter hohen Berge ziemlichen Eindruck machen. „Diese schöne Landschaft“, hatte Emmie schon kurz hinter Hildesheim auf der Fahrt nach Österreich angemerkt, als es hügeliger wurde. Dass in diesem Jahr Urlaub in den Bergen statt Wohnmobilferien bei Meeresluft ansteht, davon waren die Mädels begeistert. Sie dachten natürlich nur ans Reiten und nicht an Bergwanderungen.

Nach zwei Tagen weiß Lina, dass Saraia ganz schnell ist

Reitlehrerin Elise, 28, die Philosophie und Politik in Göttingen studiert, findet den richtigen Ton für ihre Schülerinnen. Es ist die Mischung aus Motivation und liebevoller Strenge, die gut ankommt, und sogar die zurückhaltende Emmie traut sich an die Longe. „Sie hat einen ganz tollen Sitz“, lobt Elise. Im Laufe der Woche wird Emmie an der Longe leicht traben. Höhepunkt für Lina wird der Ausritt mit Elise und mir am letzten Ferientag sein. Die Reit- und Wanderwege führen mitten durch Kuhherden. Gebucht hatten wir die Erlebnis-Reiterwochen für Kinder ab fünf Jahren und für Erwachsene. Pferde putzen, Hufe auskratzen und einfetten, satteln und trensen – für Lina ist das Herumtüdeln mit der verschmusten Bessy, mit dem Fohlen Benny und dessen Mama Britney fast wichtiger als die Reitstunden. Schon nach zwei Tagen kennt sie sich mit den Tieren aus, weiß, dass „Saraia ganz schnell ist und Muscara faul“. Und typisch Mädchen: Es folgen Fachsimpeleien mit der gleichaltrigen Anna aus Potsdam darüber, wer welches Pferd am liebsten reitet.

Die kinderlieben Haflinger-Stuten kommen aus der hoteleigenen Zucht. Direkt neben dem Stall wohnt Edwin Berthold, 72, der frühere Besitzer des Hotels, das nun seiner Tochter und den Schwärzer Hotels gehört. Berthold züchtet seit 1959 Haflinger. „Das sind sehr, sehr gutmütige Tiere, die nichts Böses an sich haben“, sagt er. Ganz Vorarlberg sei ein Haflinger-Zuchtgebiet. Berthold hat 20 bis 30 Pferde gezüchtet. Wichtig sei, sagt er, dass die Pferde in Gruppen aufwachsen. Dafür kommen sie zwei Jahre auf die Alm. Dort lernen sie, über jeden Bach zu gehen, über Stock und Stein. In der Bergwelt werden sie abgehärtet, sagt Berthold. „Einen Tierarzt brauche ich nicht.“

Von Stock und Stein in der Bergwelt machen wir uns gleich am ersten Tag einen Eindruck. Mit der Bergbahn, die Station liegt kinderfreundliche fünf Fußminuten vom Hotel entfernt, geht es auf den 2130 Meter hohen Schafberg ins Schmugglerland. Die Fahrt mit der Bergbahn ist eine Premiere für Emmie und Lina, die von der Aussicht auf die Bergwelt total begeistert sind. Auch wenn Emmie die Fahrt in der Gondel zunächst etwas unheimlich findet. Im Schmugglerland führte jahrhundertelang ein viel begangener Saumweg von Gargellen über das Schlappinerjoch nach Graubünden in der Schweiz und weiter nach Italien. Dieser Weg diente hauptsächlich dem Transport von Waren, wie Wein oder Getreide. Der Handel wurde entlang der Grenze von den in Gargellen stationierten Zöllnern überwacht, um den Schmuggel zu unterbinden. Was natürlich nicht immer gelang.

Mit den Kindern wollen wir auf einem etwa eineinhalbstündigen Rundweg auf den Spuren der Fantasiefigur Schmuggi Luggi wandern. Ein Schleichpfad soll den Nervenkitzel nachempfinden, der die Schmuggler bei ihren Touren begleitete. „Oh, ich glaube, da hinten haben wir Schmuggi Luggi gesehen!“ Immer wieder heizen wir die Suche an, um die Kinder bei Laune zu halten. Denn die Begeisterung über ihre erste Bergwanderung hält sich, vorsichtig formuliert, in Grenzen.

Tiere sind auf Wanderungen der beste Motivationsfaktor

Leider haben wir kein Glück und können kein Rot-, Stein- und Gamswild an den gegenüberliegenden Bergmassiven beobachten. Mit etwas mehr Glück hätten wir Murmeltiere pfeifen hören. Tiere wären der beste Motivationsfaktor zum Weiterwandern. Man hört jedoch lediglich die Glocken der Kühe. In der Hochsaison warten beim „Gäßscherm“ im Stall die Ziegen darauf, gestreichelt und gefüttert zu werden. Im Schafberghüsli gibt es Ziegenfutter. Und Crêpes und Eis für die beiden Mädels, die dann doch Ausdauer bewiesen haben und zäh nach Schmuggi Luggi gesucht haben. Dass sie ihn nicht gefunden haben, stört nicht. Der Spielplatz beim Schafberg Hüsli und die Spielfahrzeuge, mit denen die Kinder auf der großen Holzterrasse herumdüsen können, sorgen für Entspannung bei den Kindern und damit auch bei den Eltern. Schade, dass Nebel aufzieht und es recht frisch wird, sonst hätten die Mädels noch im kleinen Bergbach spielen können.

Bei Sonnenschein muss ein Nachmittag im Schafberg Hüsli traumhaft sein. „Mami, in Österreich ist man viel freier“, sagt Lina. Freiheit, die müde macht. Nach dem allabendlichen Besuch der hoteleigenen Sauna und dem Drei-Gänge-Menü (Wienerschnitzel, Palatschinken – die Österreicher lieben es deftig) toben die Kinder durchs Hotel, während wir vor dem Kamin sitzen und lesen. Der Sommer meint es diese Woche nicht so gut mit uns: Statt draußen im Liegestuhl am Rand der Bergwiese zu liegen, lodert das Kaminfeuer. Die Gute-Nacht-Geschichte – vom Hotelteam abends liebevoll an die Zimmertür gehängt – lesen wir in der ganzen Woche nicht einmal vor. Es geht auch ohne Einschlafrituale: Es gibt einfach zu viel zu tun.

„Mir ist langweilig“ ist nicht ein einziges Mal zu hören. Was für eine Wohltat! Lina spielt mit Anna, Emmie hat sich mit Alessandro angefreundet, dem dreieinhalbjährigen Sohn des Hoteldirektorenpaares Nicole Lerchenmüller und Mario Pargger. Mit Bobbycars düsen die zwei über die Flure. Familiär und unkompliziert ist das Hotel genauso wie das Direktorenpaar. Obwohl: Hoteldirektor würde sich Mario Pargger nie nennen, weil das viel zu hochtrabend klingt: „Ich bin Hausmeister.“ Im Winter ist er es, der morgens Schnee schippt und die Gäste mit dem VW-Bus zum Skilift fährt. Im Sommer führt er die Gäste auf die Berggipfel.

Das Motto von vamos Reisen ist „Zeit für mich – Zeit für dich“, das bedeutet, Kinder sollen nicht einfach in eine Kinderbetreuung abgeschoben werden. Vielmehr geht es darum, eine Balance aus eigenen Aktivitäten für Eltern und Kinder sowie gemeinsamen Unternehmungen für die ganze Familie zu schaffen. Das Wochenprogramm des Familienhotels Mateera ist entsprechend ausgerichtet und bietet unter anderem gemeinsame Fackelwanderungen von Eltern und Kindern, Lagerfeuer, Eltern-Kind-Disco oder Grillabend im Garten. Weil es ohne Kinder aber auch mal schön ist, gibt es zweimal pro Woche eine ganztägige Kinderbetreuung von jeweils sieben bis 16 Uhr und einmal von 16 bis 18 Uhr. Diese kinderfreien Zeiten haben wir für Mountainbiketouren und Wanderungen genutzt. Außerdem für einen Alm-Ausritt. Der Family Fun Club gleich im Ort bietet ein riesiges Angebot an sportlichen Aktivitäten, darunter Kletter-Grundkursus, Hexen- und Piratentag, Gargellner Klettersteig, Schatzsuche mit Lamas … – Freizeitstress, der Spaß macht.