Eine kleine Pension auf einer abgelegenen Almwiese war die Keimzelle für das heutige lokale Tourismusimperium in Obertauern.

Dies ist eine Erfolgsgeschichte, die mit einer verpassten Gelegenheit beginnt. Die wohl dadurch zu erklären ist, dass im Jahre 1965 noch niemand voraussagen konnte, wie berühmt die Beatles, wie berühmt Paul McCartney werden würde. Denn als der einheimische Skilehrer Herbert Lürzer, heute 70 Jahre alt, damals, als die Beatles Teile ihres Spielfilms "Help" ausgerechnet in Obertauern im Salzburger Land drehten, ebendiesen Paul bei dessen Skiszenen doubelte, steckte das Marketing noch in den Kinderschuhen. Es gab auch ein wenig Presserummel, doch der beschränkte sich hauptsächlich auf eine diffuse Romanze des Oberbeatles mit der reizenden Miss Austria des Jahres 1964, die Gloria Mackh hieß und, welch ein Zufall, ebenfalls aus Obertauern stammte und Tochter des gleichnamigen Hoteliers war, dem das Hotel Marietta gehörte. Nach den Dreharbeiten versank Obertauern wieder im Schnee. Von dem gibt es jedes Jahr reichlich, denn hier ist die sogenannte Wetterscheide, wo die Nord- auf die Südfront trifft und umgekehrt. Diese klimatische Besonderheit hat zur Folge, dass die Schneesicherheit im Winter sehr hoch ist, die Regenwahrscheinlichkeit im Sommer jedoch leider auch.

Doch nun stelle man sich einmal vor, die Beatles würden heutzutage einen Spielfilm drehen. Unter 100 TV-Kameras ginge da wahrscheinlich nix; und Obertauern würde über Nacht weltweit in einem Atemzug mit St. Anton, Kitzbühel, Lech, St. Moritz und Vail in Colorado genannt werden, und dem braven Skilehrer Herbert Lürzer hätte man sicherlich seine kleine Pension eingerannt, die er damals nebenbei gemeinsam mit seiner Frau betrieb.

Genau diese kleine, gemütliche Familienpension auf 1200 Quadratmeter Almwiese war die Keimzelle des lokalen Tourismusimperiums. Heute ist die Pension als Wohnhaus architektonisch in das Hotel Kesselspitze integriert, das luxuriöse Vier-Sterne-Superior-Flaggschiff der "Lürzer Ferien". Es liegt etwas abseits vom trubeligen Ortszentrum, aber was macht das schon: Aus dem "Skistall" genannten Skikeller rutscht man gerade mal 100 Meter hinunter zur Schaiderbergbahn oder Achenrainbahn: zwei bequemen Einstiegen ins kompakte Obertauerner Skigebiet, das rund 100 Kilometer abwechslungsreicher Pisten umfasst - vom Idiotenhügel bis hin zur "Gamsleiten II", einem der steilsten und anspruchsvollsten Hänge in den Alpen. Der Ski- bzw. Snowboardpass kostet in der Hochsaison 40 Euro am Tag für Erwachsene - doch ein billiges Vergnügen ist der Wintersport ja noch nie gewesen, und das Portemonnaie glüht weiter, denn auch das Après-Ski-Vergnügen oder die mittägliche Brettljause auf den Berghütten gibt es nirgendwo zum Schnäppchenpreis. Auf der anderen Seite werden die Pisten jede Nacht hervorragend präpariert und darüber hinaus über die Lifte so feinsinnig miteinander vernetzt, dass man sämtliche Pisten abfahren und immer wieder zur Ausgangsstation - seinem jeweiligen Hotel - zurückkehren kann.

In der "Kesselspitze" finden die Gäste all die luxuriösen Annehmlichkeiten vor, die man je nach Saison für durchschnittlich 135 Euro pro Tag und Person im Doppelzimmer inklusive Halbpension erwarten darf: ein exquisites Restaurant, einen großzügigen Wellnessbereich, eine exzellent ausgestattete Bar. Vor allem aber auch: Ruhe. Im Prinzip bräuchte man also das Haus überhaupt nicht zu verlassen, außer zum Ski- und Snowboardfahren natürlich. Doch wer einen (Einkaufs-)Bummel durch Obertauern machen oder aber ausgelassen feiern gehen möchte, den befördert ein kostenloser Taxi-Shuttle-Service der Lürzers zwischen 8 Uhr abends und 4 Uhr morgens hin und zurück (zum nächstgelegenen Bahnhof in Radstadt sowie dem Salzburger Flughafen fährt die Lürzer-Taxiflotte gegen Aufpreis natürlich auch).

Und wenn man dann im Ortszentrum vor dem "Freudenhaus" steht, in dem man sämtliche Wintersportgeräte leihen und nebst den dazugehörigen Outfits auch käuflich erwerben kann, beginnt man langsam zu begreifen, wie die "Lürzer Ferien" funktionieren. "Alles kommt aus einer Hand, aber das mit viel Liebe", sagt Heribert Lürzer, das charmante Sprachrohr des Lürzer-Clans. Und das sieht so aus: Ins "Freudenhaus" ist das "mundwerk" integriert, eine Art Edel-Imbiss, aber auch Nachtbar und Partylocation; gegenüber steht das (preiswertere) "Frau Holle"-Sporthotel garni, das im Erdgeschoss den Peoples-Pub beherbergt, weswegen das opulente Frühstück auch bis mittags angeboten wird. 100 Meter weiter lockt das frisch modernisierte Sporthotel Edelweiss (beide Häuser verfügen ebenfalls über gepflegte Wellnessbereiche), und jetzt ist es wahrlich keine große Überraschung mehr, dass auch die größte Skischule am Ort ein Lürzer-Unternehmen ist, wie auch die große Edelweißalm oben am Berg, von der es sich im Notfall auch noch nach Sonnenuntergang mit ein paar Jagertees im Blut auf Skiern über eine leicht zu bewältigende, buckelfreie Piste abfahren lässt. Am besten die Skier laufen lassen: Dann landet man unweigerlich vor der Lürzer Alm, einer heimeligen Kombination aus zünftiger Berghütte (mittags), Abendrestaurant (ab 18.30 Uhr) und ab 21.30 Uhr dann dem legendären Epizentrum alpenländischen Partyfrohsinns. "Mit Bierfässern ist das nicht zu bewältigen. Unsere Edelstahltanks fassen 12.000 Liter - und die werden in der Saison pro Woche einmal frisch befüllt, in der Hochsaison auch schon zweimal pro Woche", sagt Heribert Lürzer nicht ohne gewissen Stolz.

Hätte er sich als Jugendlicher nicht mindestens einmal pro Jahr irgendeinen Knochen gebrochen, dann wäre aus dem Lürzer-Heribert ein passabler Skirennläufer geworden. Vielleicht hätte es sogar fürs österreichische A-Team gereicht, aber dann reichte es ihm mit den Gipsverbänden, und so konnte er sich eben fortan darauf konzentrieren, gemeinsam mit seinen beiden Brüdern das "Lürzer Ferien"-Konzept zu verwalten, zu vergrößern und vor allem konsequent zu verbessern, das sein Vater mit Blut, Schweiß und Tränen quasi aus dem Nichts aufgebaut hatte.

Die Familie ist stolz darauf, dass sie ihre Marktführerschaft erarbeitet und nicht ererbt hat. Dass sie ein gewachsenes Unternehmen führen und aus allen Fehlern lernen durfte. Und sie ist clever genug, sich nicht auf ihrer Monopolstellung auszuruhen, sondern ständig zu reparieren, zu verbessern und zu verschönern und neue Ideen zu entwickeln. Allerdings gibt es insgesamt rund 8000 Hotelbetten in Obertauern, Mitbewerber also und keinesfalls schlechtere Hoteliers und Gastronomen, die aber schon mal neidisch gucken. Als die Lürzer Alm im Jahre 1999 ausbrannte, sollen einige Obertauerner hinter vorgehaltener Hand sogar eine gewisse Schadenfreude geäußert haben. Die ihnen jedoch schnell verging, weil sie plötzlich feststellen mussten, dass gerade die Lürzer Alm der sprichwörtliche Publikumsmagnet war, der auch unsportliches Partyvolk in die Berge lockte. "Wir haben enorm viele Gäste, die ausschließlich zum Feiern anreisen", sagt Antje Gallbrunner, die zupackende Direktorin des "Frau Holle"-Hotels, die nicht selten auch persönlich dafür sorgen muss, dass Gäste aus dem "Peoples" sicher auf ihre Zimmer gelangen.

Letztlich profitiert der gesamte Ort vom Konzept der "Lürzer Ferien". Und das Schöne an Obertauern sei eben, dass niemand zum Remmidemmi gezwungen werde, meint Senior Heribert Lürzer. Er lässt seine drei Söhne machen, schaut inzwischen bloß ab und zu einmal als Frühstücksdirektor nach dem Rechten, genießt ohne Furcht vor Altersarmut sein Pensionärsdasein und erzählt auf Nachfrage gern auch zum x-ten Mal die Geschichte, wie er damals den Paul McCartney doubelte.