Nur rund 80 Kilometer von Dubai entfernt lockt das Emirat mit Strand, Wüste und Natur. Zu den tierischen Attraktionen zählen Falken.

Ras al Kaihmah. Kelly hat Übergewicht. Das wäre an sich nicht besonders wichtig, denn Kelly ist ein Falke und kein Mensch, der sich um ein Fettröllchen mehr oder weniger kümmern müsste. Und: Es sind auch nur 112 Gramm zu viel. Tierpfleger Mitch macht sich dennoch Sorgen. Kelly soll gleich zum Flugtraining – und wenn Falken Übergewicht haben, also satt sind, fliegen sie gerne mal davon. „Der einzige Grund, warum die Vögel zu mir zurückkommen, ist das Futter“, erklärt Mitch. Deshalb wiegt er seine Lieblinge vor jedem Fliegen. Zur Sicherheit bekommen sie einen Peilsender umgebunden.

Kelly ist eine der Hauptattraktionen im „Banyan Tree al Wadi“. Das Hotel liegt mitten in der Wüste des Emirats Ras al Kaimah. Eine perfekte Kulisse für die Flugübungen der jungen Falkendame, zu denen Besucher zum Zuschauen eingeladen sind.

Mitch hat an ein Seil einen Köder aus Federn gebunden, diesen schwingt er durch die Luft. Kelly dreht ihre Runden am Himmel. Plötzlich stürzt sie sich auf den Köder hinab – „Kopf einziehen“, warnt Mitch die Besucher. Im letzten Moment zieht der Tierpfleger das Seil weg. Kelly startet durch. Die Übung wiederholt sich ein paar Mal, dann darf Kelly endlich zupacken und bekommt zur Belohnung ihr Fressen.

Falken haben eine lange Tradition in den Ländern auf der Arabischen Halbinsel, und vor allem in RAK, wie die Einheimischen das Emirat nördlich von Dubai nennen. Ursprünglich dienten die Vögel zur Jagd. „Heute ist das nur noch ein Sport“, erzählt Mitch – allerdings ein teurer: Bis zu einer halben Million Euro geben Liebhaber für besonders schöne Vögel aus. Die Tiere werden gehegt und gepflegt, besitzen allesamt sogar einen Reisepass und bekommen im Flugzeug einen eigenen Sitzplatz, wenn sie auf Reisen gehen.

Snowflake hat einmal 60.000 Dollar gekostet – „heute ist er vielleicht noch 10 wert“, sagt Mitch mit einem Lachen. Die Schneeflocke ist in Rente gegangen und bekommt jeden Tag ihre Streicheleinheiten von Mitch. Liebevoll berührt er ihre Krallen. Die anderen Falken und Habichte in der hoteleigenen Falknerei bekommen dagegen jeden Tag mindestens einmal Ausflug.

Google und Yahoo waren schon morgens an der Reihe. Wer die Idee mit den Namen hatte? „Das ist auf meinem Mist gewachsen“, sagt Mitch. So sitzen heute in der arabischen Wüste Vertreter des Silicon Valleys in Form von zwei Wüsteneulen. Doch wer denkt, die beiden Vögel seien besonders schlau, irrt. „Die sind ziemlich doof“, sagt Mitch. „Eigentlich haben sie nur Fressen und Dösen im Kopf.“

Die Besucher bekommen Schutzhandschuhe. Kaum haben Google und Yahoo die zerrupften Wachtelteile darin entdeckt, kommen sie angeflogen. Erschrecken bei den Besuchern. Die meisten hatten noch nie einen so großen Vogel auf der Hand. Zu Hause mal der Wellensittich – ja, aber keine mindestens zehnmal so große Wüsteneule. Nach den ersten Sekunden legt sich die Scheu. Sogar streicheln ist erlaubt.

Das „Banyan Tree al Wadi“ ist eines der touristischen Vorzeigeprojekte des Emirats Ras al Kaihmah. Sonst hat es keine besondere touristische Infrastruktur – „noch nicht“, betont PR-Managerin Nermin Abushnaf. Auch die Sehenswürdigkeiten lassen sich an einer Hand abzählen.

Das alte Fort Dhaya auf einem Hügel, das im 16. Jahrhundert zum Schutz vor den britischen Eroberern gebaut wurde, bietet einen schönen Ausblick. Doch eigens deshalb würde wohl kein Tourist nach RAK kommen – auch nicht wegen des vor einem Jahr eröffneten Museums an der Corniche, das Einblick in die zweite Tradition des Emirats neben der Falknerei gibt: Perlen. Auf zwei Etagen erfahren Besucher, wie früher nach diesen getaucht wurde und wie sie heute gewonnen werden.

„A Rising Emirate“ hat sich RAK als Motto gegeben. Und in der Tat passiert gerade viel. „Wenn Sie das nächste Mal kommen...“, lautet der Lieblingssatz von Abushnaf. An allen Ecken wird gebaut. Die heute gerade einmal 15 Hotels werden sicherlich bald Zuwachs bekommen. Bald soll es auch eine Tour zu den Perlenfarmen geben.

Dubai ist höher, schneller, weiter. Da kann und will RAK nicht mithalten. „Wir setzen stattdessen auf Naturerlebnisse und Strand“, sagt Abushnaf. 46 Kilometer Sandstrand hat das Emirat zu bieten, dazu Berge, Wüste und Natur.

Bei den Deutschen kommt diese Mischung offenbar an. „Deutschland ist für uns der wichtigste Markt“, sagt Abushnaf. Von Januar bis September kamen 250 000 Gäste aus der Bundesrepublik. Insgesamt waren es 800 000. Luxuriös, aber nicht teuer – das will RAK sein und damit einen weiteren Kontrapunkt zu Dubai setzen.

Einen weiteren Pluspunkt hat RAK: Übergewicht wie Kelly müssen Besucher derzeit noch nicht fürchten. Im gesamten Emirat gibt es erst ein Restaurant nach europäischem Standard außerhalb der Hotels. Aber auch das soll sich bald ändern.