In Dithmarschen arbeitet der Agaringenieur Cord Hadler mit 70 Kollegen an der Entwicklung neuer Sorten

Wer denkt schon über Kohl nach. Wenn man aber durch Dithmarschen fährt, kann man gar nicht anders: 2000 Hektar Kohl bis zum Horizont - Europas größtes geschlossenes Kohlanbaugebiet. Rot-, Weiß-, Wirsingkohl - es gibt ihn in allen Variationen, und mittendrin ist Cord Hadler. Der Agraringenieur denkt ständig an Kohl. Rein beruflich. Kohl ist eine Wissenschaft.

Hadler und Kollegen sorgen dafür, dass jeder Bauer - und damit jeder Konsument - den Kohl bekommt, den er braucht. Cord Hadler ist Marktspezialist, er unterstützt die Züchtung von Sorten, die an die Bedürfnisse der Landwirte angepasst sind. "Ein Kohlproduzent in Dithmarschen braucht Pflanzen mit anderen Eigenschaften als einer in Südosteuropa", sagt Hadler, als er in einem Feld bei Marne einen Rotkohl aufschneidet. Dithmarschen versinkt im Regen, der Marschboden klebt an den Stiefeln. "Bauern auf dem Balkan haben mit Trockenheit zu kämpfen. Den globalen Kohl kann es gar nicht geben."

Damit die Kohlernten auf dieser Welt - sein Arbeitgeber Rijk Zwaan Marne GmbH gehört zu den größten Gemüsezüchtern weltweit - so gut wie möglich ausfallen, forschen Hadler und Kollegen am Kohl. Am Standort in Marne kümmern sich rund 70 Mitarbeiter ausschließlich um Forschung und Entwicklung. Kohl, und das wird bei der Fahrt durch Dithmarschen schnell klar, ist ganz gewiss nicht gleich Kohl. Indes: Von der Planung einer neuen Sorte bis zur Marktreife vergeht rund ein Vierteljahrhundert. "Im Augenblick haben wir rund 45 Sorten auf der Zielgeraden - das heißt verfügbar für den Kunden", sagt Cord Hadler. Denn in Marne wird der Kohl von Morgen gezüchtet.

Und das geht so: "Weltweit gibt es mehr als 6000 Kohlsorten. Von vielen Sorten ist Saat in der eigenen Genbank vorrätig. Jede Sorte hat spezielle, dem Standort ihrer Herkunft angepasste Eigenschaften", sagt er. Die Forscher wissen, welche Herkünfte zum Beispiel Nässe gut vertragen und welche schwache Mittelrippen ausbilden. Das wäre für einen Dithmarscher Kohlbauer interessant, der die Rouladen-Industrie beliefert - "... so was wünscht sich der Einzelhandel, den möchten die Verbraucher in der Küche haben!".

Die Kombinationsmöglichkeiten aus unterschiedlichen Herkünften sind theoretisch unendlich. Und gesammelt wird weltweit - Überraschung garantiert. Eine neue Sorte mit klasse Eigenschaften, die ihre genetischen Wurzeln in einem Tal im Kaukasus hat? Eine besonders trockenresistente Sorte, der Ursprung gefunden neben einer Jurte in der Mongolei - weiß man's?

"Am Anfang steht die Entwicklung der Elternlinien. Hier wird die gesuchte Eigenschaft der Pflanze, also der Kreuzungspartner, herausgearbeitet", erklärt Hadler. Die beiden Linien mit den besonderen Ausprägungen werden dann miteinander gekreuzt. Anfangs wird übrigens per Handarbeit bestäubt. Immer wieder, immer weiter. "So nähern wir uns allmählich dem gewünschten Ziel an. Dann heißt es wieder warten, ob sich die Kreuzung auch im Versuchsanbau bewährt", sagt Hadler.

Dithmarschen ist Kohlland nicht ohne Grund. Das Klima ist ausgeglichen, da wächst der Kohl zur gesunden Frucht heran, lässt sich gut lagern. Außerdem: "Der Marschboden ist hervorragend für den Kohlanbau geeignet", sagt Cord Hadler. Denn er bietet einen ausgewogenen Nährstoffhaushalt und eine gute Wasserhaltefähigkeit, die windoffene Lage hält die Bestände gesund. Marschenbauern setzen nicht ohne Grund seit 100 Jahren auf Kohl, eine Pflanze übrigens, deren Vitamin-C-Gehalt im Schnitt mindestens so hoch ist wie der einer Zitrone.

Und heute Abend gibt's bei Hadlers Rohkost: "Ganz einfach mit Essig und Öl - so esse ich Kohl am liebsten!"