Natur, Kultur, Genuss und ein Hauch von Abenteuer - das Refugium für Wander-Reiter, Radler und Jäger liegt nur eine Autostunde von Berlin.

Stille - nichts als Stille. Es riecht herbstlich, nach feuchten Blättern, Moos und Pilzen. Ein Sonnenstrahl gleitet durch die endlosen Baumreihen. Der Waldweg streckt sich kilometerlang zwischen den Bäumen entlang. Galia spitzt plötzlich die Ohren. Hat da nicht etwas geknackt? Dort rechts hinter den alten Eichen?

Galia ist meine kleine weiße Araber-Berber-Stute für diesen Ritt. Mit mir reiten sechs weitere pferdebegeisterte Frauen: Anja, 36, aus Herford, Hannelore, 59, aus Bremerhaven, Simone, 43, aus Berlin, Rita, 53, aus Eutin, Marina, 55, aus Frankfurt und Katrin, 44, ebenfalls aus Berlin. Wir haben den sechstägigen Wanderritt durch die Schorfheide bei Sabine Zuckmantel gebucht.

Die 45-Jährige hat im Jahr 2000 ihren Betrieb unter dem Namen "Wanderreiten im Havelland" in Schönermark - 30 Kilometer von der Fontane-Stadt Neuruppin entfernt - eröffnet und bietet verschiedene Ritte an, darunter auch die vierwöchige Tour von Berlin nach Wien. Für ihr Meisterstück, die Neuinterpretation dieser historischen Strecke, wird Sabine Zuckmantel im November vom Präsidium der Deutschen Wanderreiter-Akademie der Wander-Rittmeister verliehen. Eine Auszeichnung, für die es keine Prüfung gibt, die jedoch eine außergewöhnliche Idee voraussetzt.

Wir atmen den Geruch des Waldes. Wir hören die Tritte unserer Pferde auf den harten Zuwegen in den Wald, das laute Klappern der beschlagenen Hufe auf den Straßen Brandenburgs, wenn wir Orte wie Buberow, Liebsch, Gollin und Vietmannshausen durchqueren. Es gibt vieles zu riechen, zu hören, zu fühlen und zu sehen in diesen sechs Tagen. Riesige Pilze, goldgelbe Farne, die den Waldboden großzügig bedecken, historische Baumalleen - und am dritten Reittag kreuzen sogar sechs Stück Rotwild unseren Weg. Es sind weibliche Tiere, "Kahlwild", wie uns unsere Rittführerin Sabine erklärt.

Auf Galia, Kassane, Gonda und den anderen Pferden geht es im Schritt, Trab und Galopp nördlich von Berlin durch den Riesenwald. Die Schorfheide ist eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Mitteleuropas, sie umfasst eine Fläche von etwa 25 000 Hektar. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden die Bäume hemmungslos abgeholzt. Das Holz wurde nach Berlin und Hamburg sowie über den ausgebauten Werbellin-Kanal bis nach England verkauft. Als die Eichenwälder nahezu verschwunden waren, zog Friedrich II. die Notbremse, befahl aufzuforsten und kümmerte sich persönlich um den Forst. 1745 monierte er nach einer Besichtigung: "Wo die Forstbediensten wissen, dass ich passiere, da geben sie sich Mühe und findet man wohl etliche 100 Schritte etwas von Bäumen: Dahinter hingegen ist alles leer und kahl."

Im Forst von Revierförster Sebastian Kottwitz, der seit 2004 das 1700 Hektar große Revier Lottsche am Rand der Schorfheide betreut, erfahren wir mehr über den Wald und seine Bewohner. "Die Kiefer ist die am weitesten verbreitete Baumart in der Mark Brandenburg, nahm jedoch vor der Industrialisierung weniger als zehn Prozent unserer Waldfläche ein. Am gesündesten und stabilsten ist ein Mischbestand. Deshalb wurde nach der Wende der zu 86 Prozent aus Kiefer und Nadelholz bestehende Wald zu Laub- und Nadel-Laubholz-Mischbeständen umgebaut, sodass der Anteil von reinen Nadelholzbeständen jetzt nur noch etwa 65 Prozent ausmacht", erklärt Kottwitz. Sein Forstrevier besteht zu 50 Prozent aus Kiefer, 20 Prozent sind Erle, Birke, Hainbuche und Ulme sowie ebenfalls 20 Prozent Eiche und Rotbuche. Weitere zehn Prozent machen Fichte, Lärche und Douglasie aus. "Einige Huteeichen in meinem Wald sind etwa 500 Jahre alt", sagt der Revierförster, der mit seiner Frau Julia und Tochter Merle einen 100 Jahre alten Dreiseitenhof am Ortsrand des Dorfes Kreuzbruch bei Liebenwalde bewohnt. Ein Dorf, das aus zwölf Höfen und einer Kirche besteht. Die Familie bewirtschaftet den 38 Hektar großen Bauernhof und züchtet Weimaraner und Kabardiner. Diese Pferderasse ist nach der kaukasischen Hochebene, der Kabarda, benannt und wird seit dem 12. Jahrhundert im Kaukasus gezüchtet. Als Gebirgspferde sind Kabardiner trittsicher und leistungsstark. Diese Eigenschaften und ihr guter Orientierungssinn machen sie vor allem für Distanz- und Wanderreiten interessant. Seltene Tiere sind auch im Revier des Försters zu Hause: Seeadler, Baumfalken, Wespenbussard, Fischotter, Biber und Schwarzstörche. Kottwitz ist überdies Wolfsbeauftragter. Er begrüßt die Rückeinwanderung des Wolfes über Polen nach Brandenburg. "Der Wolf ist eine Art der heimischen Fauna."

Magna merica Werbellin - so wird die Schorfheide in alten lateinischen Schriften genannt, die große Werbelliner Heide. Wie aber kam die Heide zum Schorf? Für den Wortteil gibt es verschiedene Auslegungen. Der Begriff "Schorff Heyde" taucht erstmals 1713 in den Akten des Forstamtes Grimnitz auf. Einige leiten den Namen vom Hausschaf ab, denn 1784 gab es allein im Revier Grimnitz 15 320 Schafe. Da die Rinde der Eichen geschürft und zur Gerbsäuregewinnung genutzt wurde, kann der Ursprung im "schürfen" liegen. In der Schorfheide wurde Geschichte geschrieben: Hier jagten Könige, Kaiser, Markgrafen und später Staatsoberhäupter und Wirtschaftsbosse. Friedrich Wilhelm III gründete 1821 das königliche Hofjagdamt mit einer Fläche von 40 000 Hektar. 1843 ließ Friedrich Wilhelm IV ein Jagdhaus bauen - Hubertusstock entstand. Dort trafen am 11. Dezember 1981 die damaligen Staatschefs Erich Honecker und Helmut Schmidt aufeinander.

Wir machen Rast in Schloss Liebenberg, stärken uns mit Wildschweinbraten, Saibling und Schweinefilet für die nächste Drei-Stunden-Etappe. Etwa 35 Kilometer schaffen wir pro Tag. Wir reiten am Werbellinkanal entlang bis zum Café Wildau, zum Künstlerdorf Annenwalde mit seiner Schinkelkirche und in den 500-Einwohner-Ort Ringenwalde zum Gasthaus Zur Eisenbahn. Ein Geheimtipp, dessen gute Küche bereits im Magazin "Feinschmecker" erwähnt wurde - mit dem rustikalen Kachelofen, der meinen ächzenden Reiterrücken wärmt, während die Bedienung uns mit pikanten Anekdoten aus dem Dorfleben versorgt.

Ein dicker Baumstamm liegt quer über dem Reitweg. Die Pferde zwängen sich durch dichtes Gestrüpp. Ich genieße die vielen Gesichter des Waldes, obwohl mir der Wind den Regen ins Gesicht peitscht und mein Reitmantel durchnässt ist. Galia sucht sich geschickt ihren Weg hinter den anderen Pferden, deren Hufe am Feldrand im tiefen Erdreich versinken. Wir schlängeln uns an jungen Bäumen vorbei, dann geht es bergauf durch die zunehmende Düsternis. Die Bäume stehen so eng beieinander, dass meine Knie sie beinahe berühren. Der Regen tropft von meiner Reitkappe. In Nebelschwaden drohen die vordersten Pferde zu verschwinden. Unheimlich, unwirklich, geheimnisvoll - ich muss an die Szene im Film "Im Tal der letzten Krieger" denken, als sich die Anthropologin und der Jäger nach langem Ritt in Montanas Wäldern plötzlich Indianern gegenübersehen. Man könnte meinen, die langhaarigen Männer auf ihren gescheckten Pferden beobachten auch unsere kleine Gruppe.

"Absitzen", ruft Sabine. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen. Wir haben unser Ziel für diesen Tag - Gut Sarnow - erreicht. Und ich freue mich auf die heiße Dusche wie selten zuvor.