Mallorca im Wandel: Arenal soll abgerissen werden, die Playa de Palma erhält bald ein neues Gesicht.

Jaime zieht seinen Strohhut ins Gesicht, um seine Augen vor der hoch stehenden Sonne zu schützen. Vom Strandlokal klingt Musik herüber. "Buenos dias, Matthias . . ." Jaime schmunzelt: Hier ist wieder gute Stimmung angesagt. Der 39-jährige Kutscher von der Playa de Palma wartet mit seinem Gefährt vor dem Balneario 6 auf Gäste. "Demnächst hält hier die Straßenbahn", sagt er, "die Urlauber können dann vom Flughafen direkt mit der Bimmelbahn zu ihrem beliebten Ballermann fahren und sich von uns ins Hotel kutschieren lassen. Endlich wird etwas für die Zukunft getan."

Mallorca im Aufbruch. Arenal wird abgerissen. Die Playa de Palma bekommt ein neues, modernes Gesicht. Die Zentralregierung in Madrid und die Balearenregierung in Palma haben sich auf einen milliardenschweren Zukunfts-Plan geeinigt. Ein Zehn-Jahres-Projekt, das Vorbildcharakter haben soll für alle anderen veralterten Ferienzentren in Spanien. "Die Costa Brava und Torremolinos in Andalusien sollen später nach dem gleichen Muster wie auf Mallorca erneuert und umgebaut werden," sagt Juan Carlos Alia, Chef der Tourismus-Behörde der Balearen.

Ein Konsortium beginnt bereits auf der Insel mit der Arbeit. Als erstes werden die genauen Kosten ermittelt. "Wenn wir nicht bald etwas tun, steht uns das Wasser bis zum Hals", mahnt Jordi Cabrer, Präsident der Hotelvereinigung der Playa de Palma. "Dann ist Arenal in ein paar Jahren tot. Dann wird es die Bronx von Mallorca." Auch Winfried Belshof aus Halstenbek sagt: "Es wäre schade, wenn Arenal verkommt." Belshof gehörte vor 50 Jahren zu den ersten deutschen Pauschaltouristen auf Mallorca und ist jetzt mit seiner Frau Anke für einen Kurzurlaub auf die Insel gekommen. Er gesteht: "Ich habe Arenal nicht wieder erkannt. Sicherlich muss hier schnell etwas geschehen." Die sechs Kilometer lange und vierzig Meter breite Playa de Palma zwischen Can Pastilla und Arenal ist mit ihrem schönen Sandstrand und der Palmen-Promenade Mallorcas Aushängeschild. Die Bucht gilt seit Jahrzehnten als Europas größtes Ferienzentrum.

Rund 150 Hotels mit mehr als 40 000 Betten beherbergen die Feriengäste, überwiegend Deutsche, die unter 30 Jahre alt sind und durchschnittlich acht bis neun Tage bleiben. Neben unzähligen Geschäften, Restaurants, Bars und Kneipen haben Vergnügungsstätten wie "Ballermann" und "Bierkönig" oder ganze Viertel wie "Schinkenstraße" und "Bierstraße" mittlerweile legendären Ruf erlangt. In der Blütezeit Ende der 90er-Jahre kamen 10 Millionen Gäste, unter ihnen allein 3,5 Millionen Deutsche.

Doch nach Jahrzehnten des Booms geriet die Lieblingsinsel der Deutschen in die Krise. Knapp eine Million deutsche Urlauber blieben einfach weg. Ökosteuer, schlechte Stimmung und wirtschaftliche Flauten zwangen viele Hotels, schon gleich nach der Hauptsaison zu schließen. In den vergangenen drei Wintern glich die Playa de Palma zeitweise einer Geisterzone. Besonders in der zweiten Linie Arenals bröckelt der Putz von den Fassaden, Häuser wurden unbewohnbar, Hotels und Pensionen für Gäste nicht mehr zumutbar, die Straßen von Autos und Müllcontainern zugestellt. Die Schattenseiten einer verfehlten Politik, die den Massentourismus nicht in vernünftige Bahnen zu lenken vermochte.

"In Arenal gingen schon vor Jahren die Lichter aus. Es ist dringend notwendig, dass hier endlich etwas geschieht. Die Politiker haben zu lange geschlafen, alles ist verrottet," klagt Kalle Kühn. Der Braunschweiger betreibt seit 23 Jahren mit seiner Lebenspartnerin Rosi mitten in Arenal eine Bierkneipe. "In den Bars schliefen die Wirte hinter ihren Thresen, weil sie die Mieten für Wohnungen nicht mehr bezahlen konnten", schildert er die wirtschaftliche Situation.

Doch plötzlich meldet sich das Sonnenziel im Mittelmeer zurück, kündigt selbstbewusst sein Comeback an. Was ist geschehen? Die neue Regierung hatte die Ökosteuer abgeschafft, für Preisstabilität und Qualität geworben und für gute Stimmung gesorgt. Außerdem bastelte sie an einem Zukunftsplan, der ab sofort umgesetzt werden soll. Auf 25 Seiten präsentiert sie ein Konzept, welches das Mallorca von morgen zeigt. "Die Playa de Palma und Arenal werden in neuem Glanz erstrahlen", kündigt Tourismuschef Alia an. Da wo Steinbrüche, Schutt und Müll die Landschaft verschandelten, werden Grünflächen, ein großer Park, zwei Golfplätze und neue Wohnungen gebaut. "Auf den Golfplätzen können dann alle Urlauber spielen", verspricht auch Jordi Cabrer. Weiter geplant sind Sportstätten, ein Groß-Aquarium direkt am Strand, Fahrradwege, ein Boulevard mit vielen Bäumen und eine Straßenbahn, die Millionen von Fahrgästen zwischen Flughafen, Palma, Playa de Palma, Arenal und der vier Kilometer entfernten Cala Blava transportieren soll.

"Das Wichtigste ist, dass wir den heruntergekommenen Kern von Arenal abreißen werden," sagt der Hotelmanager. Der Abrissbirne zum Opfer fallen sollen zahlreiche Wohnhäuser, Hotels mit etwa 7000 Betten und fast 400 Geschäfte. Jordi Cabrer: "Die frei gewordenen Flächen sollen zu großzügigen Plätzen umgestaltet werden. Mit Springbrunnen, Parkbänken, Bäumen und einigen wenigen Gebäuden für die Polizei, für eine Bibliothek und für eine Tagesstätte. Die Parkplätze werden unter die Erde gelegt." Folge der Entkernung: Die Zahl der Betten in Arenal und an der Playa wird sich verringern. Cabrer rechnet mit 4000 bis 5000 weniger Betten. Gleichzeitig verspricht er: "Der Ballermann wird bleiben. Er ist ein Symbol für uns, ein Markenzeichen, das nicht zu ersetzen ist." Für Uwe die tollste Ankündigung. Der 30-jährige Bremer ist Disjockey am Ballermann. "Ich bin sicher, hier geht auch künftig die Post ab", sagt er und lacht: "Sehen Sie, wie gut die Leute drauf sind. Jeder Platz ist besetzt."

Manolo, seit zwanzig Jahren an der Rezeption des "Hotel San Diego", eines der ältesten Häuser in Arenal, sagt: "Wir sind betroffen. Unser Haus wird wohl auch abgerissen. Okay, wir werden sicher ein neues Hotel, schöner und feiner, bekommen. Wichtig ist, dass es weitergeht." Das meint auch Jordi Cabrer: "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren."