Schweden: Dalslands Natur im Südwesten ist ein ideales Ziel für Paddler. Abwechslungsreiche Gewässer und weite Wälder locken im Sommer Urlauber aus ganz Europa an.

Ruhig taucht das Blatt des Holzpaddels ein. Außer dem leisen Plätschern des Kanus sind nur Vogelrufe zu hören. Am felsigen Ufer des Sees Svardlåång ist kein Mensch ist zu sehen, der Wald reicht bis ans Wasser.

Stille Seen, endlose Wälder, viele Tiere und gute Luft: "Schweden en miniature", wie die Region Dalsland im Südwesten Schwedens zwischen Vänernsee und norwegischer Grenze gern genannt wird, ist bei Kanuten in ganz Europa bekannt und beliebt. Rund 5000 Kanufahrer sind hier nach Angaben von Westschweden Tourismus täglich unterwegs. "Die Hauptsaison für Kanu-Touristen ist zwischen Mai und September", sagt Anders Bring von der örtlichen Tourismusbehörde in Bengtsfors.

Die Landschaft in Dalsland wurde in der letzten Eiszeit von Gletschern geformt. Sanfte, bewaldete Hügel prägen das Bild. In den Tälern und Senken haben sich unzählige Seen und Flüsse gebildet. Fast elf Prozent der Oberfläche von Dalsland sind mit Wasser bedeckt.

"Gewiß wohnt man überall in Schweden in Naturnähe, aber Dalsland ist etwas Besonderes", sagt Johan Sandzen. Er ist vor 20 Jahren mit seiner Frau von Stockholm nach Dalsland gezogen. Jetzt besitzt er ein Häuschen am Ufer des Lelåång-Sees unweit von Bengtsfors, dem zweitgrößten Ort in dem dünnbesiedelten Gebiet. Sandzen ist Ausstellungs-Designer. Früher führte er Urlauber durch Dalsland, vor allem auf dem Wasser. Heute macht er das nur noch in seiner Freizeit.

Im 19. Jahrhundert wurde mit dem Dalsland-Kanal eine 250 Kilometer lange Wasserstraße gebaut, auf der man vom Vänernsee zum See Stora Le an der norwegischen Grenze gelangt. Einst wurde sie zum Transport von Eisenerzen in die dalsländischen Hütten genutzt. Heute ist der Kanal fest in der Hand von Freizeitschiffern, die mit dem Kanu, dem Segelboot oder auf einem Ausflugsdampfer die Seen erobern.

Nur wenige Kilometer des Kanalsystems sind künstlich angelegt. Bei Hååverud errichtete der Baumeister des Dalsland-Kanals, Nils Ericson, 1868 ein Aquädukt. Die Bodenverhältnisse in Hååverud ließen nicht zu, daß dort eine Schleusenanlage gebaut wurde. Neben dem Aquädukt können sich heute Kanuten in der "Hååverud Brasseri" über Fisch und Flußkrebse hermachen und in der "Hååverud Rökeri" den Proviantsack mit frisch geräuchertem Fisch auffüllen. Informationen über die Region und den Bau des Kanals liefern das Dalsland Center und das Kanalmuseum.

Zahlreiche Kanu-Verleihe in Bengtsfors und Umgebung statten Hobby-Kanuten mit Booten, Spritzdecken, Schwimmwesten und Trockensäcken aus. Es gibt organisierte Touren, wer möchte, kann aber auch alleine lospaddeln. Diverse Varianten mehrtägiger Touren bieten sich an. Und wer glaubt, das Paddeln auf Seen sei im Vergleich zu Touren in Stromschnellen von Flüssen langweilig, der irrt: Jeder See hat seinen eigenen Charakter. "Besonders schön zum Kanufahren ist der Östra Silen mit seinen vielen Inseln und Winkeln", sagt Johan Sandzen. Der weite Lelåång ist von schroffen Ufern umgeben, während der enge Svardlåång wie ein Flußlauf anmutet.

Karten der örtlichen Tourismuszentren oder vom Kanuverleih zeigen, wo Campingplätze in Ufernähe Schutz zum Übernachten bieten. Nach dem Jedermannsrecht in Schweden dürfen Camper überall ihr Zelt aufbauen. Bei Privatbesitz sollten sie sich aber vorher eine Erlaubnis holen. Und auch in Naturschutzgebieten darf man nicht einfach zelten. Viele Inseln im Lelåång sind mit gelbroten Schildern als Schutzgebiete ausgewiesen.

Problemlos läßt sich in Dalsland der Proviant organisieren, beispielweise mit Fisch aus den Seen. Angel-Lizenzen sind bei Touristinformationen, Tankstellen, Campingplätzen, in Hotels und bei den Kanu-Verleihen erhältlich. Was man fängt, hängt vom jeweiligen See ab. Im Laxsjön kann man auf Hecht angeln, im Ärtringen auf Barsch. Bachforellen und Lachs lassen sich im Västra und Östra Silen fangen.

Das Wasser kann aus den meisten Seen ohne Bedenken getrunken werden. Nur in der Nähe der wenigen Industrieanlagen wie unterhalb der Papierfabrik am Laxsjön sollte man sich auf eigene Frischwasservorräte verlassen, empfiehlt Sandzen.

Dalsland eignet sich aber auch zum Wandern und Radfahren - und läßt sich sogar auf Schienen entdecken. Mit einer Draisine kann man die 52 Kilometer zwischen ÅÅrjäng und Bengtsfors zurücklegen. Die stillgelegte Bahnstrecke führt direkt in die Einsamkeit. Ausgedehnte Wanderwege finden Naturliebhaber im Tresticklan National Park im Nordwesten Dalslands oder im Kroppefjäll Naturreservat. "Ein herrliches Fleckchen zum Wandern ist Yttre Bodane, ein Naturreservat am See Vänern, nördlich von Köpmannebro", sagt Johan Sandzen.

Einmal im Jahr ist es vorbei mit der Ruhe auf den Seen. Am zweiten Wochenende im August versammeln sich mehrere hundert Kanuten zum "Dalsland Kanot Maraton". An diesem "Wasalauf der Kanuten" nahmen in den vergangenen Jahren mehrere hundert Paddler teil. Im Morgengrauen versammeln sich Sportler, Freizeitpaddler und Schaulustige auf der Halbinsel Baldesnas am südlichen Ende des Laxjön. Am Ziel in Bengtsfors herrscht Volksfeststimmung. Nach 55 langen und manchmal schmerzhaften Kilometern über Laxjön, Svardlåång, Västra Silen und Lelåång bekommt jeder Paddler eine Medaille überreicht. Profis erreichen das Ziel nach viereinhalb Stunden, Hobby-Paddler nach acht bis neun Stunden.

"Wir hoffen, daß der Kanumarathon zu einer touristischen Lokomotive wird, die mehr Leute animiert, Dalsland und die Umgebung zu entdecken", sagt Anders Bring. Das motiviert auch die vielen Freiwilligen, die helfen - wie die Krankengymnastin Cathrine Ljungberg, die in Massage-Zelten den Marathon-Kanuten mit ihren schmerzenden Muskeln etwas Linderung verschafft. Ihr ist bewußt, daß die Menschen in Dalsland mit dem Marathon ihr teuerstes Gut, die Natur, vermarkten: "Diese Natur ist etwas, worauf wir sehr stolz sein können."