Tourismus tut der Umwelt selten gut, aber komplett klimaneutraler Urlaub ist schwierig. Es gibt jedoch Versuche, vieles besser zu machen.

Pellworm/Eberswalde. Fast jeder macht gerne Urlaub. Und fast niemand möchte für den globalen Klimawandel verantwortlich sein. Doch das passt nicht zusammen. Schon bei der Anreise wird jede Menge Kohlendioxid produziert – vor allem, wenn die Touristen in den Flieger steigen. Aber auch Hotels, Pensionen, Freibäder, Freizeitparks, Wellnesseinrichtungen und Gondelbahnen verbrauchen Energie – und schädigen das Klima. Inzwischen gibt es aber einige Versuche, all das besser zu machen.

Das Thema steht allerdings weder bei den Urlaubern noch bei der Reisebranche ganz oben auf der Agenda, sagt Prof. Wolfgang Strasdas von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) in Eberswalde: „Zum einen spüren wir bei uns noch wenig von Wetterextremen, zum anderen wird der Klimawandel überlagert von der Wirtschafts- und Finanzkrise.“ Reisebranche und Urlauber zeigen jeweils auf den anderen: „Die Anbieter sagen ’Unsere Kunden honorieren das nicht.’ Und die Kunden sagen ’Die Angebote fehlen’“, erklärt Strasdas, der im wissenschaftlichen Beirat von Futouris sitzt, der 2009 gegründeten Nachhaltigkeitsinitiative der deutschen Reisebranche.

Dabei sei durchaus eine gewisse Nachfrage nach umweltfreundlichem und ressourcenschonendem Urlaub zu beobachten: „Es gibt in Deutschland generell ein hohes Klimabewusstsein“, sagt Strasdas. Aber bei der Urlaubsplanung spiele es noch keine entscheidende Rolle – nur die wenigsten suchen das Reiseziel oder den Veranstalter danach aus, wo der Urlaub am klimafreundlichsten ist.

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Bemühungen, die klimaschädigenden Folgen des Tourismus zu verringern, gibt es zwischen der Nordsee und den Alpen mittlerweile viele. Nachhaltigkeitsprojekte der Veranstalter gehören ebenso dazu wie klimaneutrale Hotels und Ferienwohnungen.

Die Insel Pellworm in Schleswig-Holstein beispielsweise hat die Zertifizierung „Klimafreundliche Urlaubsunterkunft“ entwickelt und schärft damit ihr Profil als grünes Reiseziel. „Die ersten Anbieter haben die Zertifizierung in diesem Jahr erhalten“, sagt Kurdirektor Andreas Kobauer. Die Betriebe verpflichten sich damit unter anderem, ihren Energieverbrauch zu dokumentieren. Mittelfristig soll er natürlich sinken. Um ihren Beitrag zum Klimaschutz bemüht sich die kleine Insel schon seit Langem – etwa durch den Ausbau von Solar- und Windenergie. Der Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) soll wachsen: Bis 2020 will Pellworm eine „100 Prozent EE-Insel“ werden.

Das offizielle Futouris-Vorzeigeprojekt beim Thema Klimaneutralität ist Juist. „Das geht nicht von heute auf morgen“, sagt Thomas Vodde von der Insel im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. „Aber bis 2030 will Juist klimaneutral sein.“ Als erste Tourismusdestination weltweit. Vor drei Jahren hat die Gemeinde ein touristisches Leitbild diskutiert, zu dem Klimaneutralität gehört.

Die ersten Schritte sind getan. „Wir haben einen CO2-Fußabdruck machen lassen und ermittelt, wie viel Kohlendioxid die Insel emittiert hat. Das waren 19 500 Tonnen pro Jahr“, erklärt Vodde. Der Großteil entfalle auf Strom und Erdgas. „Davon sind 90 Prozent auf den Tourismus zurückzuführen“, so Vodde. „Für das Schwimmbad zum Beispiel geht richtig viel Energie drauf.“ Inzwischen gab es Energieberatungen und Info-Veranstaltungen für die Insulaner.

Die Straßenbeleuchtung wurde auf verbrauchsärmere LED-Technik umgestellt. Die ersten Betriebe haben einen C02-Abdruck bekommen – im Katalog der Insel ist inzwischen mit einem Piktogramm markiert, welche dazugehören. Ein anderes Piktogramm zeigt an, wer grünen Strom benutzt. Das gilt auch für den Server der Gemeindeverwaltung. Und Klimawandel ist ein Thema bei der Kinderanimation am Strand.

Juist hat es vergleichsweise einfach – auf der ostfriesischen Insel fahren keine Autos. Verkehr sei aber ein wichtiges Thema, wenn es um C02-Emissionen geht, sagt Peter Brandauer, Präsident der 2006 gegründeten Kooperation Alpine Pearls. Zu dem Zusammenschluss von Tourismusorten in den Alpen gehören zum Beispiel Berchtesgaden und Bad Reichenhall, Interlaken in der Schweiz, Les Gets in Frankreich und Werfenweng in Österreich, wo Brandauer Bürgermeister ist.

Erfahrung mit dem Thema hat Brandauer seit langem. Schließlich lautet das Motto der Alpine Pearls „Natürlich sanfter Urlaub“. Von Anfang an stand dabei im Mittelpunkt, die Balance zu finden zwischen dem Bedürfnis der Urlauber nach Mobilität und der dadurch entstehenden Belastung für die Umwelt. Denn viele Urlauber reisen einfach gern mit dem eigenen Wagen an – schon um dann nach Belieben Ausflüge machen zu können.

In den inzwischen 27 Urlaubsorten der Alpine Pearls muss das nicht sein – dort werden die Alternativen zum Auto gezielt gefördert. „In Werfenweng bekommen alle Gäste, die mit der Bahn anreisen oder den Autoschlüssel an der Tourist-Information abgeben, unsere Samo-Card“, erklärt Brandauer.

Damit darf zum einen der öffentliche Personennahverkehr kostenlos genutzt werden. Mittlerweile gehört dazu auch die Möglichkeit, kostenlos eines der eine Handvoll Elektroautos zu nutzen, die mit Ökostrom fahren oder ein Leihauto mit Biogas, das von der landwirtschaftlichen Genossenschaft aus Gras von den Wiesen der Region produziert wird. Rund 30 000 Gäste, die mindestens drei Nächte bleiben, zählt Werfenweng jedes Jahr – 9000 nutzen die Samo-Card, mit steigender Tendenz. Immerhin.

Für Wolfgang Strasdas ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Beschäftigung mit nachhaltigen Urlaubsformen auch in der Praxis an Bedeutung gewinnt: „Es ist bekannt, dass uns das Thema Klimawandel nicht mehr verlassen wird.“ Dass es nicht in aller Munde ist und bei der Urlaubsplanung keine große Rolle spielt, ist nach seiner Überzeugung vor allem der beachtlichen Verdrängungsleistung des Menschen zu verdanken: „Wenn die Wetterextreme zunehmen, wird sich das ändern“, sagt Strasdas. „Aber ich würde das noch nicht für die nächsten fünf Jahre erwarten.“

Auf Juist wird nun geprüft, wie weit Biogas, Geothermie und Windkraft dazu beitragen können, den CO2-Ausstoß zu senken. „Unsere kleine Insel ist für das Weltklima bedeutungslos“, räumt Thomas Vodde ein. Aber das Weltklima nicht für Juist. „Was wir befürchten, ist gar nicht so sehr der Anstieg des Meeresspiegels“, sagt Vodde. „Viel eher die Zunahme von Stürmen und Dünenabbrüchen. Für uns ist Klimaschutz auch ein Überlebenspunkt.“ (dpa)