Im Hotel Rosenduft und Kochlust wird jeden Freitag zum Dinner gebeten. Das Bauernhaus ist ein Refugium für Ausgepowerte und Ruhesuchende.

Über schmale Straßen fahren wir durch ein Land, so hügelig und hyggelig wie das nahe Dänemark, vorbei an Mooren, an Seen und an Dörfern, die auf -by enden. Noch eine Kurve und noch eine, und dann wären wir beinahe vorbeigefahren an Glasholz Nr. 1, einem frei stehenden Bauernhaus mit rotem Dach, weißer Fassade, Fachwerk am Seitenflügel, einem Vorbau mit geschnitzten Säulen, um die sich Rosen ranken. Tief durchatmen, gute Luft schnuppern, der Stille zuhören und erst einmal ankommen.

Wir stapfen durch den Garten, der eigentlich eine ganze Landschaft ist, vor allem aber ein Stück heile Welt. In der Ecke ein Hühnerstall, von einem Apfelbaum überwölbt. Daneben, unter einer riesigen alten Esche, durch Büsche und Sträucher vom Geschehen abgeschirmt, ein Freisitz: Gartenmöbel, ein Holztisch, viel Schatten, ein Platz zum Träumen, zum Lesen, zum Klönen.

Nadine und Sverre leisten uns auf ein Glas Wein Gesellschaft. Nadine Kramm aus Rinteln an der Weser und Sverre Steen aus Norwegen sind durch halb Europa gewandert, haben sich der Lebenslust der Südfranzosen und der Genussfreude der Iren hingegeben. Und jetzt haben sie sich ihren persönlichen Traum erfüllt: im grünen Herzen der Halbinsel Schwansen, gut zwei Autostunden von Hamburg entfernt, ein paar Minuten von der Schlei - und nur einen Katzensprung von Russland entfernt. Rätselhaft, märchenhaft?

Erst kurz vor Ostern haben sie dieses Haus bezogen, haben es mit ihrer Philosophie, ihrem Charme und ihrer Fröhlichkeit gefüllt. Es hat lange leer gestanden, der Garten war zwischendurch ein Pferdegeläuf. Da wartete ein Abenteuer auf sie. Und doch wussten die beiden sofort, dass sie hier richtig sind mit ihren Vorstellungen eines Refugiums für gestresste Seelen, für eine lust- und genussvolle Kochschule, für ein Gästehaus mit gerade mal fünf Zimmern - ohne Telefon und ohne Fernseher. Dafür mit Blicken über Rosengarten, Obsthain, Teich und alte Baumbestände. Hunde sind hier ebenfalls willkommen und haben auch gleich Gesellschaft: Die beiden Australian Shepherds Gadsby und Ennya freuen sich über jeden vierbeinigen Besucher.

Ein kleiner Rückzugsort, der aber so klein gar nicht ist; mit dem Gehölz auf der anderen Straßenseite gehören knapp zwei Hektar zum Anwesen. Und gleich hinter dem Wald liegt wirklich und wahrhaftig Russland. Sieben oder acht Backsteinhäuser bilden dort eine Siedlung, die ganz offiziell diesen Namen trägt. Soll aus der Zeit nach dem Krieg stammen, keiner weiß es genau. Aber alle Gäste schlagen wenigstens einmal den Weg in die Holsteiner Taiga ein, und sei es nur, um ein Foto am Ortsschild zu machen.

Szenen einer Landpartie: Zum Beispiel beim Frühstück in der Remise, an großen, blank gescheuerten Holztischen, stilvoll mit feinen Servietten und gutem Geschirr. Frische Scones werden angeboten, auch irisches Kornbrot und Spotted Dog, ein Rosinenbrot, das Rezept dafür ebenfalls aus Irland mitgebracht. Am Nachmittag erwartet die Gäste ein klassischer "afternoon tea" mit Gebäck. Alles hausgemacht, versteht sich, wie die Marmelade, wie der Kuchen und wie die heiße Schokolade, für die Sverre zuständig ist. Sverre kann zwar nicht kochen, hat sich aber einen Ruf als Maître Chocolatier erworben.

Und dann ist da noch Anna. Anna heißt die gute Seele des Hauses, und weil man davon nie genug haben kann, gibt es Anna in Glasholz gleich zweifach: Lütt Anna und Groß Anna, die eine jünger, die andere etwas größer. Beide stammen von Bauernhöfen aus der Gegend, beide sind Perlen. Sie servieren am Freitagabend, wenn zum wöchentlichen Dinner gebeten wird (an dem meistens auch Gäste von außerhalb teilnehmen), zum Beispiel ein Makrelen-Mousse an den Tisch, das allein die Reise ins Grüne lohnt. Vor allem aber liefern sie gute Laune und norddeutschen Humor vom Feinsten.

Fürs Freitagsdinner und für die Produkte zu den Kochkursen, ob sie nun "Desperate Housewives" oder "Gentlemen only" ansprechen, überhaupt für jeglichen Koch- und Küchenspaß gilt die Maxime: Was nicht vor der Tür wächst, wird von kleinen Betrieben aus der Region bezogen. Es sind vor allem Bio-Landwirte, die das Fleisch liefern, verantwortungsbewusste Jäger, die für Wild sorgen, Schlei- und Ostseefischer, die den Fang vom Tage liefern. Naturnah ist auch das Konzept von Lars Mommsen, einem Gärtner aus Liebe und Leidenschaft, der zusammen mit den Ideen der Besitzer diesen Ort gestaltet hat. Bauerngarten, Rosengarten, Küchengarten, das sind einige der Elemente. Und vielleicht lässt Lars im nächsten Jahr die Gäste an seinem Wissen und seinen beruhigenden Weisheiten teilhaben; Gartenkurse würden jedenfalls gut in dieses Ambiente passen. Wie Nadine, die temperamentvolle Chefin, und wie Sverre, der Alltagsphilosoph, darf es auch bei Meister Mommsen hin und wieder kleine Umwege geben: "Ich mag es gern, wenn nicht alles geradeaus gerichtet ist."