Am Strand stehen Hütten auf Stelzen. Längst sind die maritimen Häuser ein Wahrzeichen geworden.

Ein Schild steckt im Sand von St. Peter-Ording: „Baden an und unter dem Pfahlbau verboten.“ Und da haben wir auch schon den Grund, warum die Hütten der Badeaufsicht und die Restaurants an den Stränden des Ferienortes an der Westküste von Schleswig-Holstein auf Holz-Stelzen stehen: Sie sind stark flutgefährdet. Hoch über dem Meer aber trotzen sie Sturm- und Springfluten und bieten Gästen zudem einen wunderschönen, weiten Blick über die Nordsee. So wurden die an der deutschen Küste einmaligen maritimen Bauten zum Wahrzeichen von St. Peter-Ording - und in diesem Jahr feiern sie 100-jähriges Jubiläum.

Die Chroniken des damals sehr armen Ortes auf der Halbinsel Eiderstedt verzeichneten im Jahr 1838 die Ankunft des ersten Badegastes. Schnell stieg die Zahl der Sommerfrischler trotz fehlender Zufahrtsstraßen und Bahnanbindungen – St. Peter-Ording bekam erst 1932 Schienenanschluss – stetig an, das Meer und die frische Seeluft lockten. 1877 eröffnete das erste Hotel des aufstrebenden Ortes. Das „Strandhotel“, ein wunderschöner Holzbau im Bäderstil, lag inmitten der Dünen von Bad.

Ende des 19. Jahrhunderts war die Zahl der Sommerfrischler so groß, dass die Versorgung am Strand zum Thema wurde. Noch badete man von Badekarren aus, sittlich bekleidet und nach Geschlechtern getrennt. Erste Hütten entstanden, in denen sich die Gäste umkleiden konnten und in denen auch der Bademeister Unterkunft fand. Hier wurden dann irgendwann auch „Erfrischungen“ gereicht – vom Kaffee bis zum Kurzen. Außerdem boten die Holzbauten Schutz vor dem wechselhaften Wetter an der Küste. Sie selber jedoch waren nicht geschützt gegen das Wasser – und so versanken sie bei Sturm immer wieder mal im Meer.

1911 rettete man sich auf die erste Stelzenkonstruktion, vor Ording-Nord auf einer Sandbank. Sie war nur schwimmend durch den Priel zu erreichen – für einen Groschen setzte auch ein Fischer über. Die Hütte auf Stelzen wurde Giftbude genannt, eine an der ganzen norddeutschen Küste bekannte Bezeichnung für Häuser, in denen etwas ausgeschenkt wurde – wo es also „wat geev“. In der Regel zunächst einmal Alkohol. Nach dem althochdeutschen Wort Gift für Geben sind noch heute einige Bistros oder Strandkioske an der norddeutschen Küste benannt, etwa auf den ostfriesischen Inseln Langeoog, Spiekeroog und Norderney.

Die ersten Pfahlbauten waren wenig stabile Konstruktionen. Nachdem auch hier die eine oder andere Opfer der Fluten geworden war, wurden die Baumstämme dicker, die Verankerungen besser. Heute stecken die Pfähle rund fünf Meter tief im Untergrund, die Restaurants liegen bis zu acht Meter hoch über dem Sand. Und die schräg befestigten Querbalken sind keine Laune des Zimmermanns, sondern sollen Eisschollen ablenken.

Der Strand von St. Peter-Ording ist sehr weit, bis zu zwei Kilometer breit und zwölf Kilometer lang. Die Wattlandschaft wurde von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärt. Und so zählt der Ort inzwischen im Jahr über 250 000 Gäste und gut 2,3 Millionen Übernachtungen. Das bedeutet: Ein Pfahlbau als Versorgungsstelle reicht nicht. Das inzwischen als Nordseeheil- und Schwefelbad ausgezeichnete St. Peter-Ording hat heute entsprechend fünf Badestellen mit insgesamt 15 Pfahlbauten. Die Aufteilung ist immer gleich: Es gibt pro Komplex drei Einheiten nebeneinander hoch über dem Meeresboden – ein Restaurant, eine Badeaufsicht mit der Strandkorbvermietung und eine Sanitäranlage.

Vor dem Ortsteil Böhl steht die „Seekiste“, eröffnet im Jahr 1956, vor wenigen Jahren modernisiert mit großer Außenterrasse. Hier wird Salzwiesen-Lamm gereicht, frischgefangener Fisch, auch Garnelen gibt es – und die Krabben haben keinen Umweg über Marokko gemacht. Sie werden mitten im Restaurant gepult. Und während die Sonne langsam die Nase rötet, erliegt man den Verlockungen des selbstgebackenen Kuchens.

Der Pfahlbau vor dem Dorf ist derzeit eine Baustelle. Voraussichtlich noch im Spätsommer soll das Restaurant „Strandhütte“ - die ehemalige „Strandburg“ – fertig werden, optisch ähnlich wie die Seekiste. Gereicht werden sollen hier tagsüber Snacks und Kuchen, abends wird die Hütte zu „Axels Restaurant“. Beide Anlagen sind mit dem Auto anfahrbar.

Zur „Sansibar Arche Noah“ dagegen muss man – vorbei an der Konkurrenz „Gosch“ – 1,2 Kilometer lang über die Seebrücke laufen. Erst Ostern 2011 eröffnet, hat sich der Ableger der Sylter Institution schon einen Namen gemacht mit guter Küche. Manche Gäste sind hier bereits nach den traditionell fünf Grüßen aus der Küche satt. In den neuen Strandkörben zu Füßen des Pfahlbaus ordern die ersten Gäste schon Champagner – ganz wie in den Dünen von Sylt.

Die Pfahlbauten in Ording dagegen passen zum sportlichen Ambiente des Strands, wo Kitesurfer und Strandsegler zu Hause sind. Die Spezialität der ebenfals vor wenigen Jahren renovierten „Strandbar 54° Nord“ – früher bekannt als „Doris Strandcafé“ – hat als Spezialität Waffeln nach Mamas Rezept. Nur in der rustikalen „Silbermöve“ am Strandabschnitt Ording-Nord ist seit Mitte der 70er alles beim Alten. Hier, wo viele Szenen der ARD-Fernsehserie „Die Strandclique“ und der Nachfolgeserie „Gegen den Wind“ gedreht wurden, hängt seit Jahrzehnten das gleiche Strandgut von der Decke. Bei so viel maritimen Ambiente bekommt man dann doch Lust, bei Flut ein wenig rund um den Bau zu schwimmen.