Wer im Parkhotel in Bottrop absteigt, sollte keinen Luxus erwarten. Übernachtet wird dort nämlich in Abwasserrohren aus Beton

Manchmal wächst Andreas Strauss die Sache mit den Röhren über den Kopf. Wenn wieder überall auf der Welt Leute nach den "lustigsten Übernachtungsmöglichkeiten" recherchieren und eben auch bei ihm, dem etwas anderen Hotelier landen. "Machts' halt eure Geschichte, aber lasst mich da raus", sprudelt der Künstler in oberösterreichischer Mundart hervor, und das klingt reichlich gehetzt. Es müssen Momente wie diese gewesen sein, in denen Strauss sich vor sechs Jahren auf die Suche machte nach einem "temporären, anonymen und legalen Rückzugsort". Und das Parkhotel fand.

Was fast überall auf der Welt ein Name für die feinsten und teuersten Hoteladressen ist, ist im Fall von Ottensheim bei Linz und Bottrop-Ebel an der Emscher eine Standardkanalröhre mit einem Innendurchmesser von 2,20 Metern, 2,40 Meter Länge und 12,5 Tonnen schwer. Da hinein installierte Strauss Doppelbett, Stromanschluss und Fächer für Decken, Polster und Leinenschlafsäcke. In die robuste Hülle bohrte er ein Bullauge, Lüftungslöcher in die farbenfroh gestaltete Rückwand und sorgte auf der Vorderseite für eine mehrfach beschichtete Holztür, die sich von außen nur mit einem Code, von innen ganz normal per Türgriff öffnen lässt. Fertig ist das Hotelzimmer.

Drei davon liegen auf einem Schutzdeich in Oberösterreich an der Mündung der Rodl in die Donau. Fünf auf einem Deich im Ruhrgebiet an der Mündung der Berne in die Emscher. Die kleine Idylle am Rande der Stadt zwischen Radwanderweg, Wasserstraßen und Betriebshaus passt genau in das Konzept des Künstlers. "Wir setzen auf eine totale Verbundenheit mit dem Ort." Restaurants, Imbiss und sanitäre Einrichtungen gibt es in der Umgebung genug, der Gast braucht nur ein Bett und einen sicheren Ort für seine persönlichen Dinge. "Der Rest ist Gastfreundschaft." In der Paybox seiner Suite hinterlässt der Gast den Betrag, den er sich leisten kann und den ihm die Übernachtung wert ist.

20 Euro pro Nacht müssten es sein, damit sich der Unterhalt inklusive Putzfrau und Reparaturen rechnet, sagt Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft, auf deren Gelände das Parkhotel steht. Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtlicher Zweckverband der Wasserwirtschaft, der sich seit mehr als 100 Jahren um Abwasserentsorgung und Hochwasserschutz kümmert und der bis in die 1990er-Jahre auch eine Kläranlage an der Mündung der Berne unterhielt. Genau an der Stelle, wo heute die fünf Betonschlafröhren liegen. "Aber im BernePark riecht man das nicht mehr", versichert der Pressesprecher.

Der Verband hat ein großes Ziel, das Emscher-Umbau heißt: Aus dem industriellen Ballungsraum und den von Menschen geformten offenen Abwasserläufen soll eine grüne Auenlandschaft und Deutschlands modernstes Abwassersystem entstehen: "unterirdisch in Kanalrohren". Da passt das ungewöhnliche Hotelprojekt wie die Faust aufs Auge - oder das Abwasser ins Rohr. Schon bei der offiziellen Eröffnung des BerneParks auf dem früheren Klärgelände im Oktober 2010 waren die fünf Röhrenkammern ein beliebtes Fotomotiv. Inzwischen sind sie bis in den Oktober hinein fast komplett ausgebucht.

"Wir machen das Hotel im Winter dicht, das ist ja nicht beheizbar", so Abawi. Von Mai bis Oktober bieten die Rohre dagegen ein angenehmes Raumklima - kühl, wenn es draußen heiß ist, und als Wärmespeicher, wenn im Herbst die Nächte kalt werden. "Wie in einem Kellerraum." Über Platzangst hat noch übrigens niemand geklagt: "Sie blicken ja durch das Bullauge direkt in den Sternenhimmel. Die meisten schlafen hier wunderbar."

Müssen die Gäste nachts raus zum WC-Container im Wäldchen, leuchtet ihnen ein kreisrundes Lichtlaufband den Weg. Es umsäumt das ehemalige Klärbecken, das heute trockengelegt und mit Stauden, Gräsern und Bänken gefüllt ist. Eine Räumerbrücke erinnert noch an die frühere Funktion: den größten Dreck abschöpfen. Nur wenige Meter weiter steht das ehemalige Betriebshaus, das heute das "Restaurant im Maschinenpark" beherbergt. Frühaufsteher und Montagsgäste schauen allerdings in die Röhre: Das Restaurant öffnet Dienstag bis Sonntag von 11 bis 22 Uhr. Hinter dem Deich mit den fünf Röhren verläuft ein Radwanderweg, direkt an der Emscher entlang. Im Hintergrund rauscht die A 42, ab und zu rattert ein Güterzug. Ruhrpottatmosphäre. "Seit wir Kulturhauptstadt 2010 wurden, hat sich hier schon eine Menge getan, aber wir sind noch lange nicht durch", sagt Ilias Abawi. Erst 2020 soll die ökologische Verbesserung aller Gewässer abgeschlossen sein.

Warum das Parkhotel Bottrop auch vor Fertigstellung des Emscher-Umbaus so gut funktioniert, Andreas Strauss weiß es nicht. Es habe sicher auch mit dem Wunsch nach einem zeitlich befristeten Ausstieg zu tun. Maximal drei Tage dürfen die Rohrbewohner bleiben. Dann müssen sie anderen Raumreisenden Platz machen: "Das Rohr ist thermisch und haptisch gut, es bietet Geborgenheit und macht sich dennoch nicht wichtig."

Der Künstler will seine "semifunktionalen Objekte" auch noch nach Zürich oder Barcelona exportieren. Aber auf keinen Fall nach Wien. Da sollten 40 Rohre am Donaukanal inklusive einer Rezeption aufgestellt werden. Doch Strauss legt Wert auf Anonymität, gebucht wird ausschließlich übers Internet, und es werden schon gar keine Erfahrungsberichte an Journalisten vermittelt. Nur am Rande erzählt er von der britischen Germanistikprofessorin, die sich mit 70 eine Auszeit im Parkhotel Ottensheim gönnen wollte, das aber erst mit dem Taxifahrer verhandeln musste: "Na, gnädige Frau, da gibt es kein Hotel, nur einen dunklen Park. Das ist kein Ort für Frauen wie Sie."