Start der Vorsaison in Eckernförde: Zeit für Bontjes, Bernstein und eine Bucht voller Fisch und mancher Naturwunder

Emma hockt und guckt. Plustert sich zwischendurch auf, fliegt eine Runde über den kuscheligen Hafen und die Holzbrücke, die seit 1872 die Altstadt mit dem ehemaligen Vorort Borby verbindet. Und nimmt wieder Platz auf ihrem vorgewärmten Pfahl. Von da hat die Möwe erstens den besten Blick über das gemütliche Ensemble - hier die Kutter am Kai, drüben die Feldsteinkirche und die rote Siegfried-Werft, bei der schon lange nur noch Gäste auf Kiel gelegt werden. Und zweitens fällt für Emma schnell mal ein Rest vom Dorsch ab.

Eckernförde also, ein Ostsee-Städtchen mit reichlich Atmosphäre. Viel Kopfsteinpflaster, viel Fachwerk, viel Fisch. Und außerdem, wer hätte das gedacht, die süßesten Versuchungen, seit es Schokolade so weit hoch im Norden gibt. Aber dazu kommen wir später. Bleiben wir noch ein bisschen im Hafen. Machen wir es wie die dicke Möwe, sehen wir uns um, wo Fischer und ihre Kunden miteinander schnacken und feilschen.

Die großen Zeiten der Fischerei sind allerdings auch hier, wie überall an der Ostsee, längst vorbei. Den alten Haudegen wie Lorenz Marquardt, Fischer in fünfter Generation und Vorsitzender vom Landesfischereiverband, sind nur noch die wehmütigen Erinnerungen geblieben. Gerade mal zwei Kutter fahren aus Eckernförde noch mit Schleppnetzen aufs Meer - einer davon gehört Ole, dem Sohn von Lorenz. Die anderen, eine Handvoll Berufsfischer und ein Dutzend Nebenerwerbstätige, setzen Stellnetze.

Fischfang und -verarbeitung haben über Jahrhunderte die kleine Stadt zwischen Kiel und Schleswig geprägt. Es gab Zeiten, als in über 50 Betrieben der Fisch geräuchert wurde, eine einzige Räucherei hat im Zentrum überlebt. Und eine andere draußen vor den Toren, in der wie verwunschen wirkenden Landschaft des Windebyer Noors.

Dort, auf diesem Binnensee, der mit den Boddengewässern von Darß und Rügen verglichen werden kann, fängt Franz Mahrt Aal, Barsch und Brassen - seit 56 Jahren schon, wie er sagt. Franz ist gerade 60 geworden, hat also schon als Vierjähriger mit Vaddern die Reusen kontrolliert. Katharina Mahrt, seine Schwester, pflegt das "theoretische Erbe" dieser ganz speziellen Tradition. Sie ist Vorsitzende des Räuchereivereins und, mit viel Herzblut und sichtbaren Erfolgen, auch Vorsitzende des Altstadtvereins: "Eckernförde hat viel Charme, aber wir müssen aufpassen, dass das so bleibt." Mit Eingaben, mit Bürger-Engagement und gut besuchten Altstadtfesten hat sie ganze Straßenzüge vor dem Abriss bewahrt und generell einen Bewusstseinswandel in der Stadt erreicht.

Manchmal nistet sich junges, frisches Leben in alte Mauern ein, auch in aufgegebene Räuchereien, die lange vor sich hin moderten. Bestes Beispiel, in einem Hinterhof der Frau-Clara-Straße, ist die Bonbonkocherei von Hermann Hinrichs, die im April ihren fünften Geburtstag feiert: 150 Sorten Bontje, dazu feinstes Naschwerk. Jeder kann zuschauen, wie Konditormeisterin Julia Selk die Schoko-Pralinen "igelt", wie das in der Fachsprache heißt, jeder bekommt eine Kostprobe. Der Renner ist, wie zu Kinderzeiten, das gute alte Himbeerbonbon.

Geschlemmt, genascht und geklönt wird an vielen Ecken dieser liebenswerten Kleinstadt: In Gabriele Schmidts Tortenstübchen am Jungfernstieg, im Kulturtreff Kuhstall am Bohnertfeld, im idyllischen Café Hofgarten am Pastorengang, im Kaffeehaus von Katharine und Armin Heldt neben der Nicolaikirche. Um dieses Backsteingotteshaus aus dem Mittelalter kuscheln sich die kleinen Häuser, ein paar Schritte sind es zum alten Rathaus, das nun ein Museum beherbergt, zu den ehemaligen Speichern, in denen heute gut gegessen wird, zu Gassen, wo noch aus vielen Häusern die Utluchten ragen, die Erker mit der guten Aussicht.

Überraschendes auch am Stadtrand. Am langen Strand bleibt jetzt, wenn der Wind einige Tage kräftig aus Osten geweht hat, reichlich Bernstein im Seegras hängen, viel mehr als früher. Die Ursache: Vor ein paar Jahren wurden große Offshore-Windkraftanlagen am Schwedeneck bei Damp aufgestellt. Dabei sind Sedimente in Bewegung geraten, die irgendwann an Land gespült und das Gold der Ostsee "mitgezogen" haben.

Rund um die Eckernförder Bucht erwacht in diesen Tagen die Natur, mal langsam, mal explosionsartig: Eisenten, Trauerenten und Eiderenten machen auf dem Rückweg nach Norden Rast, am Goossee nisten wieder die Graugänse, Huflattich überzieht das Steilufer mit einem gelben Teppich. Aufmerksame Beobachter auf dem vier Kilometer langen Rundwanderweg - vom Südstrand über Kiek Ut am Altenhofer Strand und zurück durch den Wald - werden bemerken, dass mehr Kante abgebrochen ist als nach früheren Wintern. Daran sind aber diesmal nicht die Herbst- oder Winterstürme schuld, sondern die harten Frosttemperaturen. Vereisung hat die Erde porös gemacht, die danach in großen Stücken abgebrochen ist.

Wer sich vor diesem reizvollen Weg übers Hohe Ufer schlaumachen will, findet viel Hintergrundwissen im Ostsee Info-Center am Eckernförder Jungfernstieg. Dort wird Meer gestaltet und noch mehr: An einer "Wand der Sinne" und einem Aquarium mit "Fühlfunktion" lässt sich die Natur von Strand und See bis zum Meeresboden ertasten, riechen und verstehen. Die komplette Steilküste wurde nachgebaut, ein anschauliches Mini-Biotop auf immerhin zwölf Metern: "Wir sensibilisieren unsere Gäste für die Natur, spielerisch, kompetent aber nicht oberlehrerhaft", sagt Claus Müller, der Leiter des Informationszentrums. Er gehört zu den seltenen "grünen" Wissenschaftlern, die ihre Kenntnis spannend, mit vielen Anekdoten und ganz ohne erhobenen Zeigefinger an die Leute bringen.

Auch das Hinterland ist reif zum Entdecken: im Norden die Halbinsel Schwansen mit Dörfern wie Rieseby und Sieseby, im Süden der Naturpark Hüttener Berge mit dem Wittensee und dem Bistensee, im Osten der Dänische Wohld mit seinen Hügeln, die demnächst wieder rapsgelb leuchten, und der Nord-Ostsee-Kanal, eine gemütliche Radtour von Eckernförde entfernt.

Noch einmal zurück zum Hafen, zu den Möwen und den Kuttern. Ein Gast löchert einen Fischer, der seinen Fang sortiert und für den Verkauf in Kisten legt. Der Fremde redet gern, der Fischer eher nicht. Schließlich deutet der Tourist auf Flundern und Schollen und will wissen, wie die heißen. "Das, mein Lieber, sind gebügelte Heringe ..."