Fußball-WM 2014, Olympische Spiele 2016, Papst-Besuch und 450-Jahr-Feier: Rio de Janeiro hat sich für die kommenden Jahren viel vorgenommen.

Rio de Janeiro. Wie eine zähe Masse aus Blech schieben sich die Autos voran, Kotflügel an Stoßstange, Meter für Meter, links erheben sich die Berge, unten gleiten die ersten Surfer über die Wellen - ein ganz normaler Morgen in Rio de Janeiro.

Die Avenida Niemeyer, malerisch gelegen zwischen dem neuen Stadtteil Barra da Tijuca und den Stränden von Leblon und Ipanema, bildet eines der Nadelöhre, die zu immer längeren Staus führen. Bis zu drei Stunden kann es dauern, bis die Strecke von rund 15 Kilometern überwunden ist. "Eine Freundin aus Barra übernachtet manchmal bei mir, damit sie nicht zu spät zu einem Termin kommt. Ich wohne näher am Zentrum", sagt Iolanda da Cunha. Die lebenslustige Reiseleiterin liebt die Stadt. Seit 20 Jahren ist es ihr Job, sie in einem guten Licht zu zeigen. Doch auch sie sagt: "Wie wir das Problem mit dem Verkehr lösen, ist mir ein Rätsel."

Rio wächst, in rasantem Tempo. Und die Stadt am Zuckerhut mit ihren schönen Stränden, dem milden Klima und den fröhlichen Menschen zieht immer mehr Besucher an. Allein 2010 waren es 1,8 Millionen. In den kommenden Jahren werden die Zahlen weiter rapide steigen. Der Grund sind vier Großereignisse: 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft, 2015 die 450-Jahr-Feier und der Papstbesuch, 2016 die Olympischen Spiele. Allein um die Gäste unterzubringen, will Rio in fünf Jahren die Anzahl der Hotelbetten um mehr als ein Drittel von 18 000 auf 30 000 erhöhen. "In keinem anderen Ort auf der Erde wird es so viele Großereignisse geben wie bei uns", sagt Bernardo Carvalho, Geschäftsführer der vom Rathaus gegründeten Projektgruppe. "Ein Teil unserer Aktivitäten beziehen sich direkt auf die Ereignisse, etwa das Olympische Dorf, das wir auf mehr als einer Million Quadratmeter in Barra bauen werden."

+++Olympia 2016 unter dem Zuckerhut+++

Etwa die Hälfte aller Wettkämpfe sollen hier in Rio ausgetragen werden. Ein Welcome-Center für Sponsoren und VIPs entsteht gleich neben dem Maracana-Stadion. Das berühmte Fußballstadion sieht vom Hubschrauber aus wie Legoland - Baukräne kreisen, Bagger schaufeln, Zementmischer rotieren. 2000 Männer arbeiten hier täglich, bis zur Fertigstellung 2013 sollen es 4000 werden. Danach sollen 200 000 Besucher hier Platz finden, in 60 Bars ein Bier trinken und danach eine der 231 Toiletten besuchen können.

Auch das Sambodrom ist eine Baustelle, ebenso wie der alte Hafen: "Das Projekt ,Porto Maravilha', der Wunder-Hafen, liegt schon seit Jahren in der Schublade", sagt Carvalho. Auf rund fünf Quadratkilometern soll ein neuer Stadtteil entstehen, rund um den neuen Kreuzfahrtschiff-Terminal an der Pier Mauá und das Museum der Zukunft des spanischen Architekten Santiago Calatrava. Strahlend weiß soll es ins Wasser ragen wie eine futuristische Flunder mit Flügeln. "Stadt und Staat investieren vier Milliarden Euro in das Gebiet", so Projektleiter Alberto Silva.

Den Prestigebauten sollen Infrastruktur, Bürotürme und Hotels folgen: Etwa das Dreifache, 13 Milliarden Euro, erhoffen sich die Planer von privaten Investoren, so Silva. "Eine ziemliche Herausforderung", gibt er zu. Ob so viel Geld kommt, ist fraglich, denn die Stadt hat ein Imageproblem: "Rio gilt als schön. Aber die Leute glauben, wir hätten soziale Probleme, Gewalt und Verkehrschaos. Jetzt müssen wir bis zur WM die Probleme lösen und kommunizieren, dass es sie nicht mehr gibt."

"Morar Carioca" etwa, eine von dem Journalisten Zuenir Ventura geprägte Idee, soll schrittweise die Favelas auflösen und durch neue Wohnformen in Stadt und Gesellschaft integrieren. Dazu gehört, die Hütten der Elendsviertel nach und nach durch neue Häuser zu ersetzen, die jeder beziehen darf, der sich bei den Behörden anmeldet und Wohnrecht bekommt. Dazu muss er nachweisen, dass er schon länger hier wohnt, etwa durch den Besuch eines Kindes in einer benachbarten Schule.

800 Milliarden Euro, so Carvalho, will die Regierung dafür bereitstellen. "Das Straßenbild hat sich im Vergleich zu bis vor fünf oder zehn Jahren extrem geändert", sagt Reiseleiterin Iolanda. "Heute sehen wir gepflegte Beete, einen weißen, sauberen Strand und Spaziergänger, wo früher ausgemergelte und bettelnde Menschen saßen. Es gab Kranke auf den Straßen, Kinderbanden, die auf den Rasenflächen oder Bänken lagerten oder die Passanten überfielen."

Dass Armut und Gewalt zurückgewichen sind, hängt zum größten Teil mit der "Bolsa Família" zusammen, einem Sozialprogramm, das Familien Geld auszahlt, die besondere Kriterien erfüllen. Zum Beispiel müssen sie nachweisen, dass die im Haushalt lebenden Kinder regelmäßig die Schule besuchen. "Das hat uns größeren sozialen Frieden gebracht", meint Iolanda. Hinzu kommt, dass der Staat mit der Befriedungspolizei "Unidade de Polícia Pacificadora" (UPP) mehr als 20 Elendsviertel mit Gewalt gestürmt hat - darunter Rocinha, mit 100 000 Einwohnern das größte der Stadt. "Die Sicherheit und das Geld, die früher von der Drogenmafia kamen, bietet heute der Staat", sagt Iolanda. So sei die Macht der Gangster gesunken: "Sie sind noch da, aber sie finden keinen Rückhalt mehr unter den Menschen und agieren heute im Verborgenen."

+++Mit dem Rad die Copacabana erobern+++

Rio und Brasilien erleben einen ungehemmten Wirtschaftsboom. Der Wohlstand in dem riesigen Land ist rasant gewachsen, das BIP hat sich in den vergangenen zehn Jahren vervierfacht. Auch die Automobilindustrie boomt: Nach einer Prognose der Unternehmensberatung Roland & Berger wird sich die Zahl der verkauften Autos in den kommenden zehn Jahren auf 6,6 Millionen verdoppeln. Wunderbar für die Wirtschaft - aber eine Katastrophe für das chronisch verstopfte Rio de Janeiro. Der Stadt droht nun der akute Verkehrsinfarkt. Zwar werden neue Straßen gebaut, zwei breite Achsen sollen Barra bald mit dem Rest der Stadt verbinden. "Die Trascarióca wird die wichtigsten Sportstätten mit dem Flughafen verknüpfen", erklärt Carvalho. "Bei Bedarf wird die Route nur von großen Gelenkbussen mit 200 Sitzplätzen befahren. Damit werden wir die Besucher schnell befördern können."

Doch selbst Rio-Fan Iolanda ist skeptisch, ob diese Maßnahmen den Verkehr verbessern: "Wenn die Leute wüssten, was sie erwartet, würden sie auswandern, sagte ein Freund von mir. Ich würde sagen: Gott ist Brasilianer. Also wird er es schon richten." Immerhin genießen die Cariocas und die vielen Gäste der Stadt die schönsten Blicke über Strände, Meer und schöne Menschen - auch wenn sie im Stau stehen.