Ein Urlaub unterm Dannebrog war in den 90ern Familien mit Kindern vorbehalten. Heute nehmen ganze Abi-Jahrgänge eine Auszeit in den Dünen. Vermieter von Ferienhäusern reagieren auf ihre neue Klientel.

Es fing vor ein paar Jahren an. Da meldete sich bei Thomas Kloss, dem Inhaber des auf Ferienhäuser spezialisierten Reisebüros Interscandia in Hamburg, eine Abordnung von etwa 60 frischgebackenen Abiturienten, die keine Lust auf die übliche große Sause auf Mallorca oder den Billigbus nach Paris hatten. Sie wollten "mal was anderes" erleben. Thomas Kloss vermittelte ihnen zehn große Sommerhäuser an der dänischen Westküste. Eine Woche Spaß im Whirlpool, vor dem Bullerofen, auf der Holzterrasse mit Blick aufs Meer, und das für kaum 100 Euro pro Nase. Die Abiturienten waren begeistert.

Das sprach sich rasch herum, der Schulabschluss im Ferienhaus wurde ein Hit. Im letzten Jahr schickte Kloss 700 Ex-Pennäler an die Strände zwischen Blåvand und Blokhus. In diesem Jahr werden es allein bei ihm mindestens tausend sein, und noch viel mehr buchen bei den großen Vermittlern direkt. Auch junge Paare in großer Zahl und Cliquen aller Altersgruppen ziehen neuerdings für sieben fröhliche Tage in eines der komfortablen Häuser und genießen die Atmosphäre, für die Dänemark so bekannt und beliebt ist. Die Dänen nennen sie hyggelig; gemeint ist eine Lebensart, die mit gemütlich oder gelassen nur unzulänglich übersetzt ist.

Nach wie vor stellen aber junge Familien den weitaus größten Anteil der Ferienhaus-Kundschaft im nördlichen Nachbarland. Es ist die große Freiheit, die diese Eltern und ihre Kinder schätzen. Aufstehen ohne Zeitvorgabe, Frühstück im Pyjama, Lümmeln wo und wann jeder mag, Saunieren zu jeder Zeit, nächtliche Kissenschlachten ohne Rücksicht auf andere Gäste, wenig Zäune, kaum Verbotsschilder, keine Gängelung durch Kurverwaltungen oder Strandkorbvermieter, dafür Radtouren durch eine weitgehend heile Wald-, Heide- und Wiesenlandschaft: zum Bäcker, zum Fischmann, zum Kro, zum Kunsthandwerker, Ausflüge ins nächste Sommer- oder Badeland oder in ein Bilderbuchstädtchen mit roten Briefkästen und rot-weißen Dannebrog-Fähnchen in fast jedem Vorgarten.

So ein erholsamer und abwechslungsreicher Urlaub, der noch vor zehn Jahren als bieder galt, ist längst zum Trend geworden. Hausbesitzer vor Ort und die renommierten Ferienhaus-Vermittler in Deutschland und Dänemark stellen sich mit immer pfiffigeren Ideen auf eine neue Klientel und auf gestiegene Ansprüche ein. Michael Symalla, Geschäftsführer der renommierten Vermittlerfirma Dancenter in Hamburg, freut sich zum Beispiel über den Erfolg so genannter "Aktivhäuser", Ferienvillen von 200 bis 300 Quadratmetern, ausgestattet mit Schwimmbad, Whirlpool, Billardtischen und Darts-Anlagen. Es sind nicht selten Cliquen gestandener Männer, die dabei für mindestens sieben Tage wieder zum Kind werden.

Für solche Häuser verlangen ihre Besitzer zwar sicherheitshalber das Dreifache der üblichen Kaution. Aber Symalla versichert, dass die Gruppen, die sich den Hauspreis und die nicht geringen Nebenkosten teilen, ihre Unterkünfte "wirklich sehr sorgsam" behandeln. Auch Thomas Kloss hat "bis auf ein paar schwarze Schafe" bislang wenig Probleme mit seinen Abiturienten gehabt. Manche Hausbesitzer vermieten dennoch nur an Kunden über 21.

Auch die Häuser normaler Größe - 80 bis 120 Quadratmeter - werden in steigendem Maße den heutigen Erwartungen der Urlauber gerecht. Bernd Muckenschnabel, Chef der Novasol-Gruppe, zu der auch Dansommer gehört, kennt die Branche seit 25 Jahren. Er nennt die Bemühungen der dänischen Besitzer, ihre Häuser dem Zeitgeist anzupassen, geradezu revolutionär: "Sie haben enorme Summen investiert." Der modernste Komfort in der Küche oder der neueste Stand bei Fernsehern, CD- und DVD-Geräten, Playstations und WLAN-Anschlüssen gehören dabei vielfach schon zum Standard. Die Häuser der jüngsten Baugeneration werden zudem immer geschmackvoller dekoriert, viel helles und hochwertiges Holz, wertvolle, oftmals alte Möbel, Natursteine im Wohnbereich. "Qualität, Stil und Authentizität", so Muckenschnabel, seien heute mehr denn je gefragt.

Die Ferienhaus-Urlauber sind also deutlich anspruchsvoller und, kein Widerspruch in Krisenzeiten, zugleich preisbewusster geworden. Selten buchen sie ihr Domizil länger als für zwei Wochen, auch nicht in den großen Ferien. Lieber kommen sie, wenn sie es sich leisten können, irgendwann für eine Zwischendurch-Woche wieder. Sie alle nutzen Sparangebote, sie tüfteln sich aus den Katalogen und immer öfter im Internet die günstigsten Termine heraus. Manche Vermittler bieten nämlich selbst im Sommer Nebensaison-Preise für flexible Kunden an, die nicht unbedingt am ersten Ferienwochenende ihres Bundeslandes losfahren wollen. Gutscheine für Erlebnisbäder und Sommerländer, der liebenswerten dänischen Variante unserer High-Tech-Freizeitparks, für günstiges Tanken oder Rabatte für beliebte Ausflugsziele liegen sowieso den meisten Buchungsunterlagen bei.

Besonders flexibel reagieren die entsprechenden Internet-Portale auf die oftmals kurzfristig wechselnden Bedürfnisse der Kunden. Der elektronische Ferienhaus-Marktführer Atraveo, eine TUI-Tochter mit Sitz in Düsseldorf, hat in Dänemark 26 000 Häuser im Angebot (von mehr als 200 000 Ferienhäusern werden dort insgesamt nur etwa 35 000 vermietet, die anderen nutzen die Dänen nur für sich). Atraveo-Geschäftsführer Dirk Froelje streicht einige Vorteile seines und anderer Portale heraus: "Wir suchen das ganze Jahr über nach neuen Angeboten und stellen sie sofort ins Netz. Und wir bieten eine Suchvariante für Frühbucher und ihre Sparmöglichkeiten."

Auch die etablierten Anbieter sind längst im Netz präsent. Aber sie setzen ebenfalls weiterhin auf ihre Kataloge, deren Umfang die von großen Versandhäusern übertrifft. Viel Augenpulver auf über tausend Seiten. Da hat es ein kleiner Vermittler wie Feriepartner leichter. Er hat insgesamt nur 5000 Häuser im Angebot, die er in übersichtlichen Katalogen, einen für jede der angeschlossenen 18 Urlaubsregionen zwischen Rømø und Rønne, präsentiert - mit größeren Fotos und oft mit Detailkarten.

So flexibel die Spezialisten auch agieren und so frei und individuell ihre Kunden sich vor Ort fühlen mögen, so ungern weichen die Dänemark-Urlauber von ihren Kerngewohnheiten ab. Sie suchen sich ihre Unterkünfte am liebsten an den seit eh und je beliebtesten Küsten von Jütland aus, vor allem an der südlichen Nordsee, allenfalls noch gegenüber an einigen Ostseestränden, nördlich und südlich von Aarhus. Bruno Bedholm, seit vielen Jahren der Chef des Dänischen Verkehrsamtes in Hamburg (Visit Denmark), wundert sich darüber längst nicht mehr, findet es aber immer wieder schade: "Der Norden Jütlands, wo Dänemark im mehrfachen Sinne Spitze ist, aber auch Nordseeland oder die Halbinsel Odsherred, ebenfalls auf Seeland, diese und viele andere Regionen bieten Kunst und Kultur im Überfluss, ein spannendes grünes Hinterland, kuschelige Hafenstädtchen und Traumstrände - aber nur eine Minderheit der deutschen Urlauber will dorthin."

Auch der An- und Abreisetag, seit Generationen traditionell der Sonnabend, wird von der Mehrheit deutscher Ferienhausurlauber kaum infrage gestellt, von den dänischen Hausbesitzern sowieso nicht. Automobilklubs und andere Verkehrs-Experten wünschen sich zwar alle Jahre wieder einen variablen Wechseltag. Nach der Freigabe der Landesgrenzen bilden sich dort schon lange keine nennenswerten Staus mehr an den Wochenenden. Wenn aber wirklich mal eine Region ausschert und, wie im letzten Jahr die Insel Møn, jeden Tag zum Hauswechsel anbietet, wird trotzdem mit großer Mehrheit der Sonnabend gebucht. Außerhalb der Sommermonate zeigen sich ohnehin nahezu alle Anbieter flexibel. Die Kundenbindung, so sagen sie übereinstimmend, sei ihnen vor allem anderen wichtig.

Das hat sich auch bei Interscandia, dem kleinen Spezialisten in Hamburg-Sasel, der fast alle großen Vermittler im Angebot hat, bewiesen. Sechs Jahre nach den ersten Schulabgänger-Gruppen im Ferienhaus buchen nun gleich mehrere junge Ehepaare, die sich damals in Jütland gefunden haben, bei ihm die große Freiheit im kleinen Königreich. Und wenn sie dort nicht mehr, wie noch in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren, nahezu ausschließlich Deutsche in den Nachbarhäusern antreffen, sondern verstärkt Norweger, Schweden und Dänen, freuen sie sich, so Thomas Kloss, erst recht darauf: "Dann wird im Sommer halt multinational die Weltmeisterschaft geguckt und gefeiert."